Viele tausend Konstanzer haben es im Wortsinn an ihrem eigenen Leib erlebt. Corona da, Studio zu. Jeder achte Deutsche ist nach Angaben des Statistik-Portals Statista Mitglied in einem Fitness-Studio. Und viele von ihnen merken jetzt, dass ihre Sport-Anbieter mit allen Mitteln darum kämpfen, keine Beiträge zurückerstatten zu müssen. Recherchen des SÜDKURIER zeigen, dass es in rechtlichen Dingen dabei mitunter zumindest fragwürdig zugeht. Einen Fall aus Konstanz stellen wir hier beispielhaft vor.
Kundin vs. Studio
Eine Konstanzer Kundin wunderte sich doch sehr, als sie von ihrem Studio, Clever-Fit, eine Nachricht bekam. Kurz gefasst, sollte das Geschäft so laufen: Ihr Vertrag verlängert sich um die drei Monate, in denen das Studio geschlossen hat. Diese Monate sollte sie bezahlen.
Die nicht abtrainierten Beiträge aus der Lockdown-Zeit will Clever-Fit als Guthaben auf ihr elektronisches Armband übertragen. Die Kundin könne sich dafür ja im Studio Fitness-Produkte kaufen, heißt es in einer E-Mail, die dem SÜDKURIER vorliegt.
Der Haken ist nur: Die Kundin will das alles gar nicht. Sie hat den Vertrag bereits schon vor Corona zum 31. Oktober diesen Jahres gekündigt und möchte keinen Tag länger bei Clever-Fit bleiben und auch keinen Tag länger bezahlen. Auch ein Einkaufsguthaben wollte sie nie erwerben.
Aber sie versteht dennoch: Corona hat die Branche hart getroffen. Am Telefon sagt sie: „Ich hab Verständnis dafür, dass man durch die Krise als Unternehmer in Schieflage kommt. Aber mir geht es nicht um das Geld, sondern um das Prinzip.“
Kette hat 250.000 Kunden
Kontaktaufnahme zu Clever-Fit. Michael Mühleck spricht für die Firma VK Bodyfit, die hinter dem betroffenen Studio steht. Es ist laut Mühleck Teil einer Kette mit 250.000 Kunden. Nur 15.000 von ihnen hätten sich überhaupt in E-Mails über das Vorgehen der Studios beschwert, schätzt er. Und auch von denen hätten gerade einmal 5000 einen berechtigten Grund dafür.
Verbraucherzentrale ist das Vorgehen bekannt
Also Einzelfälle? Bei Verbraucherschützern sind Beschwerden wie die der Konstanzer Kundin längst bekannt. Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklärt auf SÜDKURIER-Anfrage, dass die Praxis, Monatsbeiträge in Einkaufsguthaben umzuwandeln, rechtens ist: Die Studios wendeten eine eigentlich für Kulturschaffende gedachte Regelung im Corona-Abmilderungsgesetz an. In letzter Minute wurde diese ebenfalls auf Fitness-Studios ausgeweitet.
Ganz anders aber die Frage, ob der bereits vor Corona erfolgreich gekündigte Vertag einfach so drei Monate weiterlaufen darf. Unterlagen zeigen, dass Clever-Fit mit Gerichtsurteilen aus den Jahren 2012 und 2014 arbeitet. Eines von ihnen, erlassen vom Landgericht Bamberg (Aktenzeichen 3 S 155/14) sagt kurz gefasst aus, dass ein Vertrag vorübergehend ruhend gestellt werden kann und sich die Laufzeit dadurch entsprechend verlängert – wenn beide Seiten dies miteinander vereinbaren.
Alte Urteile sind nicht anwendbar
Durch die Recherchen des SÜDKURIER erfährt die Verbraucherzentrale, wie Clever-Fit das Urteil für seine Zwecke nutzt. Oliver Buttler, Abteilungsleiter für Verbraucherrecht, sagt: „Das angeführte Urteil ist meiner Einschätzung nach nicht mit den jetzigen Fällen vergleichbar.“ Im damaligen Urteil sei es in einem ganz anderen Sachverhalt darum schließlich gegangen, dass die Parteien einvernehmlich eine Ruhezeit vereinbarten und der ungekündigte Vertrag ausgesetzt wurde.
Studio-Inhaber Mühleck, dessen Unternehmen selbst mit dem Bamberger Urteil arbeitet, muss freilich einräumen, dass es für die aktuelle Lage eigentlich keine anwendbaren Urteile gebe. Seine Studios hätten sich für die aus seiner Sicht kundenfreundlichste Lösung entschieden.
Seit 7. Juli erfolgt keine Rückmeldung
Dem hält die unzufriedene Kundin entgegen: Das Studio sei ein „unseriöses, intransparentes und nicht gesetzeskonform handelndes Unternehmen.“ Dazu beigetragen haben auch mehrere Anschreiben ohne direkten Ansprechpartner und eine für sie unerklärliche Forderung über 54 Euro, worauf darüber hinaus eine weitere Mahnung folgte. Seit dem 7. Juli erfolge nunmehr keinerlei Antwort mehr von Seiten des Unternehmens.
Clever-Fit wiederum will laut Michel Mühleck die strittigen Fälle nun bald abarbeiten. Ob es dabei zu gütlichen Einigungen kommt, ist offen. Denn für Mühleck geht es, wie er selbst sagt, bei den Beiträgen aus der Corona-Zeit um ein Loch von 10 Millionen Euro in der Bilanz. Für die Betroffenen sind die jeweiligen Summen natürlich viel kleiner. In den nächsten 14 Tagen sollen sie eine Antwort auf ihre Beschwerden erhalten, beteuert Mühleck. Für sie heißt es bis dahin also: abwarten.