Irgendwas passt nicht zusammen. Wenn der Konstanzer Dieter Abele, 81 Jahre, die Zeitung aufschlägt oder den Fernseher anschaltet, hört und liest er diese Neuigkeiten: Im unterfränkischen Aschaffenburg wurden bereits über 15.000 Dosen verimpft, das sind auf 100.000 Einwohner rund 21.500 Impfungen.
Waldshut schneller als Konstanz?
Im Landkreis Konstanz sind es auf 100.000 Einwohner gerade einmal etwas über 1600 Impfungen. Aber auch in Waldshut geht es scheinbar schneller voran: Der Kreis zählt auf 100.000 Bürger schon 2000 Impfungen.
Und in der dortigen Gemeinde Rickenbach wurden in einer Hauruck-Aktion Hundert Über-80-Jährige in der Gemeindehalle geimpft. Das Beispiel soll im Kreis Waldshut Schule machen.
Was läuft schief in Konstanz? Läuft überhaupt etwas schief?
„Mich würde interessieren, nach welchen Kriterien die Impfdosen zugewiesen werden“, sagt der 81-Jährige Dieter Abele aus Allmannsdorf.
Eine Frage der Gerechtigkeit
Pascal Murmann, ein Sprecher des Sozialministeriums, kann die Ungeduld verstehen: „Natürlich stellen sich in einer so aufgeheizten Debatte, wie wir sie derzeit erleben, Gerechtigkeitsfragen“, sagt er.
Allerdings: Der Impfstoff sei am Ende überall zu knapp. Und: „In Baden-Württemberg werden die zugeteilten Impfdosen gleichmäßig auf die Impfzentren verteilt.
Alle Kreisimpfzentren bekommen die gleichen Impfstoffmengen geliefert.“ Das sind derzeit pro Woche 1170 Dosen vom Mainzer Hersteller Biontech/Pfizer.
Darum könnte es bald schneller gehen
Marlene Pellhammer, Sprecherin des Landratsamtes Konstanz, erklärt, wie diese 1170 Dosen bisher verwendet wurden: „Davon mussten bislang neben den Ü80-Impfberechtigten auch medizinisches Klinikpersonal, Rettungsdienst und niedergelassene Ärzteschaft geimpft werden.“
Aber: Seit Neuestem erhalten Kliniken direkt den neuen Astra-Zeneca-Impfstoff. Es könnte also in Zukunft etwas schneller vorangehen.
Keine zusätzlichen Dosen für Rickenbach
Gut möglich, vermutet Murmann vom Sozialministerium des Landes, dass die Schnelligkeit von Impfzentrum zu Impfzentrum variiere. Aber die Mengen seien überall die gleichen. „Auch für die Vor-Ort-Aktion in Rickenbach gab es keine zusätzlichen Impfdosen.“
Allerdings hat der Kreis Waldshut mit knapp 170.000 auch viel weniger Einwohner als der Kreis Konstanz mit seinen knapp 280.000 Einwohnern. Dennoch erhalten beide dieselbe Menge an Impfstoff.
Gerechtere Verteilung in Bayern?
In Bayern, zum Beispiel im oben genannten Aschaffenburg, wird hingegen der Impfstoff proportional zur Einwohnerzahl verteilt.
Irene Heiland ist die erste Vorsitzende des Stadtseniorenrats Konstanz. „Besonders treibt mich die Frage um, wie Bettlägerige und wenig mobile Senioren nach Singen kommen sollen“, sagt die 64-Jährige.

Der Stadtseniorenrat hat Ideen ausgearbeitet, analog zur Impfaktion in Rickenbach: Eine Impfstation auf einem der Fährschiffe, die der Stadt Konstanz gehören. Oder im leer stehenden alten Foyertrakt des Krankenhauses Richtung Luisenstraße. „Das mobile Team könnte hinfahren, die Stadt könnte die Senioren mit dem Seniorentaxi hin- und zurückbringen“, schlägt sie vor.
Landratsamt Konstanz schließt Vor-Ort-Aktion aus
Nur: Dass es eine Vor-Ort-Aktion wie in Rickenbach geben könnte, schließt das Landratsamt Konstanz vorerst aus. Sprecherin Marlene Pellhammer sagt auf Anfrage, dass zuerst die Bewohner stationärer Pflegeheime dran sind. Danach Einrichtungen wie ambulant betreutes Wohnen und Pflege-WGs.
Der Kreis Waldshut hingegen ist laut dem dortigen Landrat bereits nächste Woche mit den Senioreneinrichtungen durch. In Kreis Konstanz liegt die Quote derzeit bei rund 60 Prozent.
Stadtseniorenrat: Jetzt Gedanken machen!
Irene Heiland vom Stadtseniorenrat fordert, dass sich Stadt und Kreis in der Zwischenzeit Gedanken machen sollen, wie der Impfstoff optimal verteilt werden könnte. Für die Zeit, wenn genügend Dosen des Vakzins für Konstanz und Umgebung verfügbar seien.
Wie wäre es mit einem Impfschiff?
Mandy Krüger, Sprecherin der Stadt Konstanz, antwortet auf Anfrage: „Zum Impfschiff kann ich sagen, dass die Stadt Konstanz sofort bereit ist, örtliche Impfmöglichkeiten einzurichten, wenn das Land dies ermöglicht.“
Allerdings setze die Stadt auf das Bodenseeforum. Der Grund: Es ist barrierearm, Parkplätze sind vorhanden. „Ein Impfschiff ist für die Stadt nicht die beste Lösung, da es nicht barrierefrei zugänglich ist“, sagt Mandy Krüger. An den möglichen Anlegestellen ständen oft nicht unmittelbar Parkplätze zur Verfügung.
Impflinge sollen und dürfen Kreisgrenzen überschreiten
Der Konstanzer Dieter Abele hat es nach Wochen nun auf die Warteliste für das Impfzentrum in Singen geschafft. Statt wie zuvor jeden Tag per Hotline um einen Termin zu bangen, wartet er seit eineinhalb Wochen auf den Rückruf. Eine Bekannte habe nun in Stuttgart einen Termin erhalten, erzählt der 81-Jährige.
Dass Impflinge Kreisgrenzen überschreiten, ist politisch gewollt. Pascal Murmann vom Sozialministerium erklärt: „Die Zuordnung der Impfberechtigten zu einem Impfzentrum ist ja nicht an den Wohnort gebunden. Damit soll sichergestellt werden, dass Bürgerinnen und Bürger sich dort impfen lassen können, wo es für sie am geschicktesten ist.“
Nicht zielführend, Impfquoten zu vergleichen
Er nennt ein Beispiel: Oft würden sich Senioren von Angehörigen begleiten lassen und bevorzugten dann das Impfzentrum, das in der Nähe der Angehörigen liege. „Bürgerinnen aus Gemeinden am Rande des Landkreises Konstanz suchen vielleicht das KIZ im Nachbarkreis auf, weil es für sie geschickter liegt.“ Deshalb sei es nicht zielführend, sagt Murmann, die Impfquoten der Landkreise untereinander zu vergleichen.
Termine frühestens Anfang März
„Ich würde mir wünschen, dass ich bald einen Termin bekomme“, sagt Dieter Abele. Er habe nämlich vor drei Monaten einen Schlaganfall mit doppelter Lungenembolie erlitten.
Was er erst am Telefon im Gespräch mit SÜDKURIER erfährt: Das Warten ist umsonst. Vorerst. Neue Impftermine gibt es, so das Landratsamt Konstanz auf Nachfrage, frühestens Anfang März.