Es wird langsam eng bei uns im Haus. Nicht, weil so viele Menschen einziehen, sondern weil niemand auszieht, ich merke das an unserem gemeinsamen Wäschekeller für die 11 Familien, die hier leben. Anfangs, als wir vor 8 Jahren einzogen, waren die Kinder noch klein, und die vielen bunten Strampler und kleinen Pullis ließen sich problemlos auf den im Trockenraum angebrachten Wäscheleinen und einigen klappbaren Wäscheständern verteilen.
Die Kinder wuchsen und wuchsen, und die T-Shirts und Jogginghosen wurden immer größer – heute muss man oft nach einem freien Platz auf der Wäscheleine suchen oder sich durch die vielen Klappständer schlängeln, um überhaupt erst in den Wäscheraum zu gelangen.
Das ist nicht schlimm (außer, wenn jemand meinen Wäscheständer in Beschlag nimmt, da werde ich dann spießig!), im Gegenteil, und ich mag meine Nachbarn, egal wie groß und alt sie sind. Aber es zeigt auch, dass es sich die Kinder von weniger begüterten Konstanzern nicht leisten können, auszuziehen und auf eigenen Beinen zu stehen, wenn sie erwachsen werden.
Keine Alternative zum Hotel Mama
Wir haben hier quasi italienische Verhältnisse: Hotel Mama ist alternativlos, auch wenn die Kinder schon einen eigenen Beruf haben oder in der Ausbildung sind. Bei uns im Haus sind das, wenn ich richtig gezählt habe, inzwischen sechs junge Leute, die noch bei ihren Eltern wohnen – mindestens drei davon sind eher Mitte als Anfang 20. Und dann ist da noch die hochbetagte alte Dame, die Mutter einer Nachbarin, die diese gemeinsam mit ihrem erwachsenen Sohn bei sich aufgenommen hat, und die also einen Mehrgenerationenhaushalt bilden.
Meine eigene Tochter, die kurz vor ihrem 19. Geburtstag auszog, um nach Freiburg zum Studieren zu gehen, ist da die absolute Ausnahme, und dass sie ihr Elternhaus so früh verlassen hat, hat weniger mit ihrem großen Freiheitsdrang als mit Wohnraummangel zu tun, denn in unseren vier Wänden war es so beengt, dass der Familienfrieden sich nur retten ließ, in dem ich mein eigenes Zimmer vor ein paar Jahren aufgab und mit der jüngsten Tochter (nur zum Schlafen) ein Zimmer teilte.
Corona vergeht, Wohnraumnot besteht
Pubertierende Geschwister, gerade wenn sie unterschiedlichen Geschlechts sind und auch noch sehr gegensätzliche Charaktere haben, in ein Zimmer zu stecken, ist nichts für schwache Nerven und tut auch den Kindern nicht gut, sie brauchen Rückzugsräume.
Die bräuchten aber Erwachsene eigentlich auch, und da liegt die Krux. Mit Platz auf der Wäscheleine ist es ja nicht getan. Gerade jetzt, wo coronabedingt alle viel mehr Zuhause hocken als sonst, reißen sich, glaube ich, alle mächtig zusammen.
Corona wird irgendwann ein Ende haben, die Wohnraumnot in Konstanz aber so schnell nicht. Vielleicht sind wir bald nicht nur eine der wenigen Städte in Deutschland mit Palmen und Promenade am See, sondern auch diejenige mit den an spätesten ausziehenden Kindern?
Man wird es an den Wäscheleinen sehen, die quer durch die Höfe gezogen werden, wenn das so weitergeht. Ich bin bald soweit, und ich glaube, die Nachbarn machen mit. (Jaja, ist verboten, Hausordnung und so). Andrà tutto bene, alles wird gut!