Es war stets bereichernd, mit Ali Mehmet Kocer zu reden. Zuletzt war es ruhiger geworden um den Mitbegründer des Türkischen SV Konstanz, was an seiner fortschreitenden Krankheit lag. Doch wenn er auf dem Balkon seiner Wohnung in der Brandenburger Straße saß, hielt er gerne ein Schwätzchen mit den Menschen.
In Deutschland fühlte er sich wohl und willkommen
Dann reichte er auch mal lächelnd einen Chai Tee hinab – ein Ritual aus seiner Heimat Izmir, das er auch in dem Land pflegte, in das er 1972 als Gastarbeiter kam – und in dem er sich nach eigenen Angaben stets wohl und willkommen fühlte.
Ali Mehmet Kocer nahm sich gerne Zeit für seine Mitmenschen, er hatte eine Eigenschaft, die vielen abgeht: Er konnte zuhören. Gerne gab er Ratschläge – wenn man ihn denn darum bat. Er drängte sich nicht auf, nahm sich selbst nicht zu wichtig.

„Ich bin doch nur ein kleiner Kfz-Mechaniker“, sagte er mal im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Bei diesen Worten lächelte er so, wie er immer lächelte: ein wenig weise, ein wenig verschmitzt, ein wenig verlegen.
Ali Mehmet Kocer wusste bei aller Zurückhaltung um seine Bedeutung in Konstanz. 1980 gründete er mit Gleichgesinnten den Türkischen SV Konstanz. Es ging ihm niemals darum, seine Landsleute abzuschotten in dem für viele so fremden Land fern der Heimat. Im Gegenteil: Für ihn war wichtig, dass auch Einheimische den Weg in den Verein und zu den Spielen finden – was bis heute gelingt.
Wenn Grammatik keine Rolle spielt...
Obwohl er mit der deutschen Sprache auf Kriegsfuß stand, war er ein leuchtendes Beispiel für geglückte Integration. Fast alle, die Ali kannten, mochten und respektierten ihn. Dass in seinen Sätzen nicht jeder Artikel zum Geschlecht des Nomens passte – geschenkt; dass er Verben nur im Infinitiv gebrauchte – unwichtig. Wenn das Herz an der richtigen Stelle sitzt, spielt Grammatik keine Rolle. Bei Ali Mehmet Kocer saß das Herz nicht nur an der richtigen Stelle, es war auch groß und hatte Platz für Mitmenschen.

Der 73-Jährige hatte eine große Schwäche – das Rauchen. Auch dann noch, als die Lunge immer mehr Probleme machte und er nur noch mit einer Sauerstoffflasche das Haus verließ. Noch im Sommer, als der Journalist ihn mal wieder am Balkon im Berchengebiet aufsuchte, beteuerte er. „Ich muss damit aufhören.“ Während er dies sagte, drückte er eine Zigarette aus. Den Absprung schaffte er nicht mehr. Am 5. Januar starb er im Krankenhaus Singen.

Nicht nur die Krankheiten haben ihn gezeichnet, auch der Verlust seiner geliebten Ehefrau, die 2015 starb. „Sie fehlt mir sehr“, sagte er stets. Seither zog er sich immer mehr zurück aus dem öffentlichen Leben, Heimspiele des Türkischen SV besuchte er kaum noch. „Wir verlieren einen tollen Menschen und trauern mit seinen Kindern und seiner ganzen Familie“, schreibt der Verein. Ali Mehmet Kocer wird fehlen.