Nach der schrecklichen Tragödie am Petershauser Bahnhof, bei dem ein 34-Jähriger am Dienstagmittag, 25. Juli, sein Leben verlor, bleiben viele Fragen. Der junge Mann fuhr mit seinem Fahrrad über den Bahnübergang an der Schneckenburgstraße – obwohl die Schranken geschlossen waren, weil sich ein Seehas aus Richtung Radolfzell näherte. Laut einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Konstanz war der Mann in Richtung Wollmatinger Straße unterwegs.
„Auf den Gleisen schaute sich der Mann noch kurz nach links und rechts um, konnte jedoch eine Kollision mit dem aus Richtung Singen kommenden Zug trotz Vollbremsung nicht mehr vermeiden“, ist der Mitteilung zu entnehmen. Der 34-Jährige ist noch vor Ort seinen schweren Verletzungen erlegen. Der Bahnverkehr wurde daraufhin für mehrere Stunden gesperrt, der betroffene Zug geräumt.
SÜDKURIER-Leser und Nutzer von sozialen Netzwerken drückten ihre Anteilnahme für den Verstorbenen, den Zugführer und die Augenzeugen aus. Doch viele stellen sich auch die Frage: Warum musste es soweit kommen? Warum gibt es am Bahnübergang in Petershausen keine Vollschranken? Wieso gibt es unterschiedliche Schrankenarten in Konstanz?

Warum gibt es keine Vollschranken am Bahnhof Petershausen?
Wie die Deutsche Bahn, die für den Streckenabschnitt verantwortlich ist, auf SÜDKURIER-Nachfrage angibt, seien die sogenannten Halbschranken, wie etwa am Bahnhof Petershausen, sicherer. Das klingt erst einmal paradox, schließlich ist ein Mann ums Leben gekommen, weil die halbseitige Absperrung einfach umfahren werden kann. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärt: „Halbschranken haben den Vorteil, dass der Bahnübergang jederzeit eigenständig geräumt werden kann, auch wenn die Schranken geschlossen sind.“
In einem Ernstfall können so beispielsweise Autos von den Gleisen geräumt werden, und auch Menschen können einfacher den Gleisbereich verlassen, wenn die Schranken herunter gelassen werden. „Auch Sperr- und Wartezeiten sind so geringer als bei der Vollschranke. Leider kommt es immer wieder vor, dass geschlossene Halbschranken bewusst umfahren werden. Dies ist schlicht lebensgefährlich!“
Die Frage danach, warum die Sperr- und Wartezeiten trotz Halbschranken an den entsprechenden Bahnübergängen in Konstanz dennoch lange dauern, ließ die DB unbeantwortet. Ebenso blieb die Frage danach unbeantwortet, warum es in Konstanz auch Überwege mit Vollschranken mitsamt Gitter, etwa im Bereich des Konzils, gibt.
Wie oft überqueren Menschen Bahnübergänge?
Immer wieder werden Radler dabei beobachtet, wie sie Bahnübergänge einfach passieren, obwohl sich ein Zug nähert. Darüber informierte kürzlich die Bundespolizei in einer Pressemitteilung. So hätten Lokführer auf der Bahnstrecke zwischen Singen und Konstanz in jüngster Vergangenheit vermehrt Verkehrsteilnehmer – zumeist Fahrradfahrer – dabei beobachtet, die bei geschlossenen Bahnübergängen einfach um die Halbschranken fahren würden.
Für Konstanz liefert die Stadtverwaltung auf SÜDKURIER-Nachfrage entsprechende Zahlen zu diesen Ordnungswidrigkeiten. Dabei sticht eine Informationen besonders ins Auge: Während im Jahr 2022 zehn Verstöße bei gelbem oder rotem Lichtzeichen sowie bei sich senkender oder geschlossener Schranke gegeben hatte, wurden im laufenden Jahr bereits 28 solcher Verstöße erfasst.
Kommt es dabei öfter zu Unfällen?
Die Antwort darauf ist glücklicherweise: Nein. Wie Kathrin Rosenthal, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz, mitteilt, habe es weder dieses noch vergangenes Jahr auf der Strecke von Konstanz nach Radolfzell Unfälle an den Bahnübergängen mit Beteiligung des Schienenverkehrs gegeben. „In diesem Jahr ist bis zum gestrigen Tag überhaupt kein Unfall an einem Bahnübergang erfasst worden“, so Rosenthal.
Deutschlandweit sei die Zahl Unfälle an Bahnübergängen in den vergangenen Jahren zurückgegangen, teilt die Deutsche Bahn auf Nachfrage mit. Mit Bezug auf das Land Baden-Württemberg liegen dem Unternehmen folgende Daten vor: Im Jahr 2018 gab es zwölf Unfälle, 2019 elf Fälle, dagegen 17 im Jahr 2020 und 2021 lediglich zehn. In Baden-Württemberg gibt es laut Bahnangaben 1301 Bahnübergänge, davon sind 992 unbeschrankt (Stand: 2021).
Das Betreten des Gleisbereichs in einem solchen Fall ist ein „gravierender Rotlichtverstoß und wird mit Bußgeld und Fahrverbot“ geahndet, so die DB. Ein entsprechendes Vergehen zieht mittlerweile empfindliche Strafen nach sich. So hat der Gesetzgeber bereits vor einigen Jahren die Höhen der Bußgelder in der Straßenverkehrsordnung erheblich angepasst.
Was rät die Polizei und die DB?
Die Polizei rät dringend dazu, Bahnübergänge bei herabgelassenen Schranken und bei eingeschalteter Ampel keinesfalls zu übertreten. Die Bundespolizei weist in dem Kontext ausdrücklich die Gefahren herannahender Züge hin. So seien die Regionalzüge, wie beispielsweise die Schwarzwaldbahn, auf diesem Abschnitt teilweise mit bis zu 140 Stundenkilometer unterwegs.
„Züge nähern sich nahezu lautlos, haben lange Bremswege und können nicht ausweichen“, heißt es vonseiten der Bundespolizei. Oder schlicht: „Ein Aufenthalt im Gleisbereich ist lebensgefährlich!“ Auch die DB warnt: „Seien Sie aufmerksam und beachten Sie die Verkehrsregeln! Über 97 Prozent der BÜ-Unfälle (Anm. d. Red: Bahnübergang-Unfälle) passieren wegen Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Unkenntnis.“
Und außerdem: „Achten Sie auf das Andreaskreuz und bleiben Sie bei rotem Licht und vor geschlossenen Schranken stehen! Ein Zug kann nicht ausweichen und hat einen deutlich längeren Bremsweg als ein Straßenfahrzeug.“ Der tragische Unfall vom Dienstag steht dabei für traurige Gewissheit.