Hier gibt es so ziemlich alles, was Touristen-Herzen höher schlagen lässt: allerlei Kaffeetassen mit Motiven der Konzilstadt, exklusiv hergestellte Pasta in Form des Bodensees, gebranntes Hochprozentiges aus der Region, einen winkenden Papst, Konstanzer Honig und das Konzil aus Ton als Windlicht. Das Souvenirgeschäft von Daniela Klipfel in der Hussenstraße ist ein kleiner Wunderladen, wo jeder etwas für sich findet. „Die Ware ist hochwertig“, versichert die Inhaberin. „50 Prozent sind in Deutschland hergestellt, und Konstanz und der Bodensee stehen im Mittelpunkt.“

Seit April 2014 betreibt sie den Laden, der zum Rathaus gehört. Damals, zu Beginn des Konziljubiläums, bewarb sie sich mit einem speziell ausgearbeiteten Konzept – und bekam den Zuschlag als selbstständige Pächterin. Doch das Licht brennt schon lange nicht mehr in dem kleinen, aber feinen Laden.
Die Pandemie hat auch Daniela Klipfel den Strom abgedreht – von den vergangenen 14 Monaten hatte sie lediglich sechs geöffnet. Aktuell kann sie schon seit Mitte Dezember keine Kundschaft mehr begrüßen. Eine harte Zeit, die ihr zu schaffen macht, die sie aber auch als Mensch weiterbringt, wie sie es ausdrückt.
„Das ist alles sehr mühsam und anstrengend“
Daniela Klipfel gibt sich keinen Illusionen hin. „Ohne meine Ersparnisse und ohne die Hilfe meiner Familie wäre ich mittlerweile ein Fall für das Sozialamt.“ Diese Worte spricht die 57-Jährige fast schon gelassen und nüchtern aus. „Die staatliche Hilfe kommt zwar immer mal wieder herein“, fügt sie hinzu. „Aber das ist alles sehr mühsam und anstrengend, weil man alles immer wieder von Monat zu Monat neu beantragen muss. Außerdem reicht das hinten und vorne nicht, da wir lediglich 90 Prozent der Unkosten erhalten.“ Das aber auch nur dann, wenn der Umsatz um mindestens 70 Prozent eingebrochen ist.
Normalerweise würde ihr Geschäft seit Ostern und bis in den späten Sommer hinein und dann wieder in der Vorweihnachtszeit brummen. Doch was ist schon normal zu Zeiten der Pandemie? Die Problematik und Komplexität der staatlichen Sofort- und Überbrückungshilfen zeigt sich an diesem Beispiel: „Wir mussten schätzen, welche Umsatzeinbrüche in den kommenden Monaten anfallen würden“, sagt Klipfel. „Ich dachte, dass ich an Ostern wieder öffnen darf und ging von 50 Prozent Einbußen aus. Doch nun sind es 100, weil immer noch alles zu ist.“
Also musste sie mit ihrem Steuerberater für Monate mit falschen Schätzungen neuerliche Anträge stellen. „Man kann sich vorstellen, wie lange die Bearbeitung und Auszahlung dauert. In der Zwischenzeit aber laufen Rechnungen zum Beispiel für Lieferanten weiter.“
Außerdem die Fixkosten für Miete, Wasser, Strom, Versicherungen oder Telefon. „Von daher bin ich froh, dass ich alleine lebe und weder Kinder noch Mitarbeiter habe“, sagt Daniela Klipfel. „So komme ich schon irgendwie über die Runden.“
Mit einem zusätzlichen Job durch die Krise
Zumal die gebürtige Konstanzerin eine Kämpferin ist. Noch bevor ein falscher Eindruck entsteht, möchte sie eines lächelnd klarstellen: „Bei allen Problemen möchte ich nicht jammern. Mir geht‘s gut, ich bin gesund, und ich bin glücklich. Das ist schließlich das Wichtigste.“ Am 16. März 2020 musste Daniela Klipfel den Laden zum ersten Mal abschließen.
Statt Trübsal zu blasen oder gar dem Müßiggang zu verfallen, nahm sie ihr Schicksal proaktiv in die Hand. „Ich ahnte, dass es keine Schließung von wenigen Tagen sein würde, also nahm ich noch am selben Tage Kontakt zu Edeka auf und hatte zwei Tage später ein Vorstellungsgespräch.“
Noch vor dem großen Lockdown zum 1. April 2020 begann sie als Kassiererin in Teilzeit. „Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar“, sagt sie. „Ich wurde von meiner eigenen Chefin zur Angestellten auf der untersten Ebene und musste erst meinen Platz im Team finden.“ Außerdem schätzt sie sich sehr glücklich, Kontakt zu anderen Menschen zu haben. „Andere sitzen daheim und vereinsamen. Ich kann reden mit den Leuten, habe soziale Kontakte und außerdem ganz tolle Mitarbeiterinnen.“
Ihren Vertrag mit Edeka hat sie bis März 2022 verlängert – aus diesem Grund: „Was, wenn im Herbst eine weitere Mutante kommt?“ Die Öffnungszeiten des Ladens hat sie schon ein wenig geändert: Montags wird er geschlossen sein, freitags wird voraussichtlich eine Freundin aushelfen. Damit sie weiter im Supermarkt arbeiten kann, „denn dort liegt meine finanzielle Sicherheit“.
Die Konstanzerin setzt auch auf digitale Lösungen
Neben ihrer Arbeit im Supermarkt setzt sie auf die Homepage ihres Souvenirladens. „Ich habe bereits vor dem Lockdown einen eigenen Webshop implementiert und in eine neue Webseite investiert“, erklärt sie. „Allerdings ist die Reichweite noch zu klein und vor allem die Konkurrenz durch die großen Anbieter zu groß, um in dieser kurzen Zeit wirklich nennenswerte Umsätze zu erzielen.“
Sie möchte die derzeitige Schließung weiterhin nutzen, um die Webpräsenz des Ladens noch attraktiver zu gestalten. „Auch auf zwei Facebook-Seiten bin ich aktiv“, sagt sie. Wie viele andere Geschäfte in der Innenstadt bietet sie „Click & Meet“ und „Click & Collect“ an, „aber durch die strengen Zugangsbeschränkungen und die Auflage, dass die Kunden vor dem Betreten einen negativen Corona-Test vorweisen müssen, mache ich damit wenig Umsatz“. Es bleibt also ein täglicher Kampf ums wirtschaftliche Überleben.
Ihre Hoffnung ist der Sommer – vielleicht schon Pfingsten in wenigen Wochen. „Ich denke, dass Konstanz wieder boomen wird und wir alle durchstarten“, blickt sie voraus. „Wir wohnen hier ja trotz allem in einer heilen Welt. Es ist aber auch sehr traurig, dass nicht alle Geschäfte überleben werden.“
Sie fiebert dem Tag entgegen, an dem sie morgens die Ladentür aufschließen und Gäste begrüßen darf. „Toll wäre es, wenn die Menschen wieder wie vorher in die Innenstadt kommen und dem Einzelhandel helfen würden.“ Daniela Klipfel hat den Optimismus und den Kampfgeist nicht verloren. Trotz allem.