Das Wort könnte stärker kaum sein: Klimanotstand. Notstand, das klingt nach maximaler Krise in Staat und Gesellschaft, nach einer Zeit, in der demokratische Errungenschaften, gesellschaftliche Freiheiten und individuelle Rechte drastisch eingeschränkt werden, weil nur so eine Katastrophe zu verhindern sei. Entsprechend schlechte Erfahrungen hat Deutschland mit Notstandsgesetzen immer wieder gemacht, weil sie zum Missbrauch einladen.
Insofern: Gut, dass es in Konstanz keinen Klimanotstand zu geben scheint. Denn obwohl sich die Lage zuspitzt, ringt die Stadtgesellschaft mit ihren bewährten Methoden um die richtigen Antworten. Fünf Jahre nach Ausrufung des Klimanotstands steht sie in großen Teilen weiter beisammen.
Fast scheint es, als habe das Motto der Initiative 83 aus der vorhergegangenen (und bei weitem noch nicht überwundenen) Flüchtlingskrise weitergewirkt: Zsamme goht‘s besser. Am besten geht es zusammen, erst einmal grundlegende Ziele zu setzen. Mit dem Anspruch, bis 2035 weitgehend klimaneutral zu sein, und der dazu verabschiedeten Klimaschutzstrategie hat die Stadt zwei beispielgebende Beschlüsse gefasst, bei denen es im Wesen der Sache liegt, dass sie erst einmal abstrakt bleiben.
Das alles – und es ist nicht wenig – steht auf der Haben-Seite nach fünf Jahren Klimanotstand. Es liefert aber in Teilen auch eine Erklärung dafür, warum die Soll-Seite so aussieht, wie sie sich darstellt. Wenn es schon schwierig ist, einen politischen Konsens herzustellen über die Verlagerung von 60 Stellplätzen vom Stephansplatz ans Döbele und später auf die andere Rheinseite, dann sollte sich niemand wundern, warum es mit dem Klimaschutz nicht so schnell vorangeht, wie man es in einem Notstand eigentlich erwartet. Mit Minimalkompromissen wird Konstanz nie zu der Klimaschutz-Hauptstadt, zu der der Gemeinderat die Stadt 2019 zumindest implizit ausgerufen hat.
Tatsache ist, dass sich in diesen rund 1830 Tagen seit dem Beschluss im Leben vieler Konstanzerinnen und Konstanzer wenig bis gar nichts geändert hat. Das ist das – je nach persönlichem Standpunkt begrüßenswerte oder kritikwürdige – Ergebnis einer Klimaschutzpolitik, die alle mitnehmen und deshalb auf Zumutungen verzichten will.
In Konstanz wäre es undenkbar, Kultureinrichtungen zu schließen und all das Geld und Personal auf die Wärmesanierung städtischer Gebäude zu lenken, obwohl es in diesem Bereich bestürzend langsam vorangeht. Oder die Parkgebühren auf sieben Euro pro Stunde zu erhöhen und dafür den Stadtbus kostenlos zu machen. Oder den Flugplatz einfach für zehn Jahre mal mit Photovoltaik-Modulen zuzupflastern.
Im Ergebnis kommt Konstanz von dem Einsparpfad, den Politik und Verwaltung im Sinne eines Versprechens an die (vor allem jungen und zukünftigen) Bürger beschlossen hat, immer noch weiter ab. Das ist fünf Jahre nach Ausrufung des Klimanotstands enttäuschend.
Mit jedem Tag, an dem die Schere weiter aufgeht, wird der Druck größer, notstandsmäßig zu agieren, also mit harter Hand und dem Risiko, dass die Stadtgesellschaft daran zerbricht. Zu diesem sehr speziellen Jubiläum ist es Konstanz und den Menschen in dieser Stadt zu wünschen, dass es nicht zu dieser Zerreißprobe kommt und wir alle lernen müssen, was Notstand wirklich bedeutet.