Geschichte schreiben – das kann nicht jeder. Doch die Stadt Konstanz schafft den Einzug in die Geschichtsbücher öfter. Zum Beispiel mit dem Konzil (1414 bis 1418), der Verbrennung des Reformators Jan Hus oder damit, dass die Stadt den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. 2019 hat sie es wieder geschafft: Am 2. Mai hat der Gemeinderat eine Resolution beschlossen, die weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Sie hat als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen.

Fünf Jahre sind seither vergangen. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Die Bilanz der Stadt fällt gemischt aus. Sie schreibt in ihrem neunten Klimaschutzbericht, dass „Verwaltung wie auch als Stadtgesellschaft nicht zufrieden“ seien können, „denn bilanziell hinkt die Umsetzung der Klimaschutzstrategie den Zielen deutlich hinterher.“ Immerhin will die Stadt und der Landkreis Konstanz bis 2035 klimaneutral sein.
Und wo hinkt es nun? Die Antworten darauf kennt Philipp Baumgartner, Leiter des Amtes für Klimaschutz der Stadt Konstanz. „Wir haben einiges geschafft, aber die Umsetzung könnte besser sein“, sagt der Amtsleiter.

Parkplätze dürfen nicht reduziert werden
Erfolgreich war die Stadt beim Senken des CO₂-Ausstoßes. Im Vergleich zum Jahr 2018 ist dieser bis 2022 um 19 Prozent gesunken. Ein Beispiel, wo die Umsetzung allerdings schwierig ist, ist das Thema motorisierter Individualverkehr – sprich das Auto. Die will die Stadt reduzieren, da Autos mit Verbrennungsmotor für 25 Prozent der energiebedingten Treibhausgase verantwortlich seien, zeigt Baumgartner in einer Grafik. Die Daten gehen auf Studien der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) zurück, welche die Zahlen in ihrem Monitor Energiewende Landkreis Konstanz (2022) veröffentlicht.
Konstanzer Klimatag
Eine effektive Stellschraube, wie die Stadt die Bürger dazu bewegen kann, sich erst gar kein Auto anzuschaffen, ist die Zahl der Parkplätze zu verringern – theoretisch. Allerdings hat sich hier die Stadt vor Jahren selbst ein Bein gestellt. Das gibt auch Baumgartner zu. Denn wenn in den linksrheinischen Stadtteilen ein öffentlicher Parkplatz verschwindet, muss er an anderer Stelle wieder kompensiert werden. Das geht auf einen älteren Grundsatzbeschluss des Gemeinderats zurück.
An ihre Grenzen stößt die Stadt auch beim Thema Öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV). Auch hier würde die Stadt gerne mehr tun. Aber die Stadtwerke hat zu wenig Busfahrer, um das Busnetz ausbauen zu können.
Die Ertüchtigung der Rheinbrücke und ein zweites Gleis zwischen dem Bahnhof und der Station Petershausen, um die Agglo-S-Bahn fahren ist zu lassen, ist wünschenswert, sagt Baumgartner. „Wir haben jetzt den Beschluss für die nächste Planungsstufe“, so der Amtsleiter. Aber schnell wird es nicht gehen. „Wir müssen da in die Diskussion. Mittelfristig ist der Ausbau sehr wichtig“, stimmt der Amtsleiter zu. Denn: „Wir müssen den Verkehr weitestgehend klimaneutral umgestalten“, sagt Baumgartner und ergänzt, wie der Klimaschutz weitergehen muss: „Wir dürfen kein Erdgas und Heizöl als fossile Brennstoffe mehr benutzen.“
Nur ein Prozent der Gebäude gehören der Stadt
Damit schneidet Baumgartner einen weiteren großen Themenkomplex an: Wohnen und energetische Sanierungen. In Konstanz gibt es laut dem Statistischen Landesamt fast 11.000 Wohngebäude mit über 46.000 Wohnungen. „Nur 191 Gebäude gehören der Stadt“, berichtet Baumgartner. Ein Großteil der Bauten ist sehr alt und steht unter Denkmalschutz. Auch das mache das Thema Sanierung sehr komplex. Dennoch stehen einige energetische Sanierungen auf dem Plan – zum Beispiel das Suso-Gymnasium.
Die Ölheizung des Altbaus wird gegen eine Pelletheizung ausgetauscht. Ideal sei das allerdings nicht. „Bei Pelletheizungen wird Biomasse verbrannt, die wieder weiteren Druck ausübt. Außerdem produziert sie Feinstaub“, sagt Baumgartner. Das könne man aber technisch lösen.

Und warum nicht eine Wärmepumpe einbauen? Das habe man geprüft. Aber mit alten Heizkörpern könne ein effektiver Betrieb der Wärmepumpe häufig nicht realisiert werden. Sprich: Die Heizungen könnten ausfallen. „Die Pelletheizung ist nur eine Zwischenlösung“, sagt Baumgartner. Dafür würde auf das Dach eine Solaranlage kommen.
Photovoltaik-Zuwachs hat sich verdreifacht
Gerade beim Ausbau von Photovoltaikanlage (PV) sei Konstanz auf einem guten Weg, findet Baumgartner. „2023 hat sich der Ausbau der PV-Anlage zum Vergleich zum Vorjahr verdreifacht“, sagt er.
Die Stadt Konstanz hat aber auch viele Projekte angestoßen, die nur jetzt noch nicht zum Tragen kommen würden. Eines dieser Beispiele ist die Wärmenetzplanung. Im Frühjahr 2023 haben die Stadtwerke Konstanz Gebiete in der Stadt ausgemacht, wo Wärmenetze entstehen könnten. Herausgekommen sind das Berchengebiet, Petershausen-West, das Quartier bei der Bodenseetherme und die linksrheinischen Stadtgebiete.
Ein Wärmenetz ist – einfach gesagt – lediglich ein Heizungsrohr, welches in der Straße verlegt und mit Wasser durchflossen wird. Die Haushalte in dem Gebiet werden dann an das Netz angeschlossen. Die Energie kommt von einer erneuerbaren Energiequelle. „Konkret geplant werden jetzt Berchengebiet und Bodenseetherme“, sagt der Amtsleiter. Im Berchengebiet könnte man die Abwärme der Kläranlage nutzen, an der Bodenseetherme die Seewärme.