Nicht einmal eine Stunde vor der Tat im vergangenen Juli in Wollmatingen war der spätere Täter auf der Polizeiwache erschienen und hatte über Streitigkeiten mit seinem Mitbewohner berichtet. Der zuständige Beamte erklärte vor Gericht, es sei dabei mehr darum gegangen, wie der Mitbewohner zum Auszug gebracht werden könne. Von einer lebensbedrohlichen Situation sei dagegen nicht die Rede gewesen.
Der Angeklagte habe damals erzählt, dass sein Mitbewohner dubiose Besucher empfange und er nicht wisse, was dieser noch alles tun werde. Konkret sei er aber nicht geworden. Zudem habe er immer wieder darauf bestanden, das Gespräch zu protokollieren. Nach der Tat erklärte er den Beamten, dass er bereits in der Vergangenheit von seinem Mitbewohner gewürgt worden sei und Angst vor diesem hätte. Daher habe er sich zur Sicherheit mit einem Messer bewaffnet.
Im Zimmer des 42-Jährigen war auch eine automatische Überwachungskamera gefunden worden. Allerdings waren die Bilder von der Tatzeit bereits automatisch durch den Serverbetreiber gelöscht worden. Einzig einige Bilder vor und nach der Tat wurden auf dem Handy des Angeklagten gefunden. Zudem hatte der Angeklagte kurz nach der Tat WhatsApp und die darin gespeicherten Chats von seinem Telefon gelöscht.
Der zweite Verhandlungstag offenbarte auch mehr Details über seine Persönlichkeit. Ein langjähriger Bekannter beschrieb den 42-Jährigen als ruhigen und besonnenen Menschen. Allerdings habe dieser sich in den Monaten vor der Tat verändert und sei immer besessener vom Thema Rassismus und seinen eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung gewesen. Nach einem Streit mit dem Angeklagten habe dieser ihm per Chat ein Bild von einem Messer geschickt.
Angeklagter soll „Hass auf die Welt“ gehegt haben
„Es kam mir vor, als hätte sich eine lange angestaute Wut entladen“, so der Zeuge. Der Angeklagte habe nicht wie er selbst gewirkt, sondern eher wie unter einem psychotischen Schub. Von einer psychischen Erkrankung habe er aber nichts gewusst, so der Zeuge. Ein guter Freund des Opfers hingegen erinnerte sich vor allem an den „Hass auf die Welt“, den der Angeklagte hegte. Immer wieder habe sich dessen Wut impulsiv entladen, wie bei einem kleinen Kind.
Einer der ermittelnden Beamten berichtete ebenfalls von Überreaktionen des Angeklagten auf Kritik, etwa von Seiten der Hausgemeinschaft. Ein ehemaliger Mitbewohner habe zudem erwähnt, in der Vergangenheit schon einmal von diesem mit den Worten bedroht worden zu sein, bald ein Messer in die Rippen gerammt zu bekommen.
Während der langjährige Bekannte des Angeklagten das spätere Opfer als eher unangenehmen Menschen beschrieb, der wie ein Alkoholiker gewirkt habe und nur wenig Rücksicht nahm, beschrieben andere den 37-jährigen als „herzensguten Menschen“. Ein guter Freund bezeichnete ihn als jemanden, der andere stets über sich selbst gestellt habe. Zudem habe sich der Mann überlegt, aus der WG wieder zu seiner Mutter zu ziehen. Ein weiterer guter Bekannter des Opfers sagte, es sei ein sehr aufgeschlossener, freundlicher und humorvoller Mensch gewesen.
Zerrissener Brief offenbart „unbeschreibliche, scheiß Wut“
Der schon länger bestehende Streit zwischen dem Angeklagten und dem Opfer wurde immer wieder thematisiert, wobei keiner der Zeugen diesen persönlich miterlebt hatte. In der Zeugenvernehmung kam auch das Thema Drogen zur Sprache. Sowohl der Angeklagte als auch das Opfer hätten regelmäßig größere Mengen Alkohol und Cannabis zu sich genommen, berichteten die Zeugen. Von härteren Drogen wie Amphetaminen und Kokain war ebenfalls immer mal wieder die Rede.
In einem zerrissenen Brief, der im Zimmer des Angeklagten gefunden worden war, schrieb der Deutsche mit türkischen Wurzeln von seiner „unbeschreiblichen, scheiß Wut“, seinem extremen Hass auf Deutsche und dass sich alle Ausländer gegen diese auflehnen müssten. Auch von einem „Blutbad“ war die Rede. Die Frustration, mit 41 Jahren noch keine richtige Beziehung geführt zu haben und arbeitslos zu sein, schlug sich ebenfalls im Brief nieder.
Das Urteil soll Anfang April verkündet werden.