Die Energiewende soll kommen. So will es die Bundesregierung. Und die Energiewende soll auch auf der Höri umgesetzt werden. Gleich zwei Großprojekte für erneuerbare Energien sind dort geplant. Die Firma ABO Wind will auf dem Schiener Berg einen Windpark mit vier Windkraftanlagen auf Flächen des baden-württembergischen Staatsforsts aufstellen. Und in der Nähe zur Schweizer Grenze, westlich von Schienen, will RES Deutschland einen Solarpark bauen.

„Sind über die Pläne entsetzt“

Obwohl diese zwei Projekte langfristig zum Abwenden der Klimakrise beitragen sollen, sehen Umweltschützer sowohl die Windräder als auch den Solarpark als große Gefahr für die Höri Naturlandschaft. Dagmar Hirt und Claudia Rapp-Lange von der Naturschutzinitiative (NI) kritisieren die Pläne des Landes und der Kommunen, auf dem Schiener Berg Windräder und einen Solarpark bauen zu lassen. „Wir sind über die Pläne ehrlich gesagt entsetzt“, sagt Claudia Rapp-Lange, die bei der NI im Bereich Artenschutz tätig ist.

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Die Naturschutzinitiative ist ein Naturschutzverein, der in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland vertreten ist. In der Region ist die NI mit einer Regionalgruppe Hegau/Bodensee aktiv.

Kritik am beschleunigten Verfahren

Hirt und Rapp-Lange kritisieren vor allem das beschleunigte Verfahren, mit dem Windräder nun gebaut werden können. Die sogenannte EU-Notfallverordnung war am 19. Dezember 2022 im EU-Energieministerrat beschlossen worden und ermöglicht in den Mitgliedstaaten eine deutliche Beschleunigung des Windkraft-Ausbaus. Dies gehe laut NI zu Lasten der Vögel. Denn statt einem Abstand von 1500 Metern zwischen Windrad und Rotmilan-Horst lässt die neue Verordnung nun einen Mindestabstand von nur 500 Metern zu.

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Der Abstand von 1500 Metern ist im so genannten Helgoländer Papier festgehalten, welches seit 2015 als Grundlage für die Planung von Windrädern galt und die aktuelle Forschung zur Gefährdung von Vögeln durch Windkraftanlagen widerspiegelte. Darin waren sämtliche Mindestabstände zu seltenen Vogel- und Tierarten vermerkt und von den Naturschutzorganisationen akzeptiert.

Für Dagmar Hirt sind vor allem Jungvögel durch die Windrad-Rotorblätter gefährdet. Die Höri sei ein herbstlicher Sammelplatz für die Rotmilane, einige würden sogar komplett auf der Höri überwintern, anstatt nach Spanien zu fliegen. Zum Teil seien mehrere hundert Tiere dort zu finden.

Geld als Ausgleichsmaßnahme genügt nicht

Auch die Ausgleichsmaßnahmen für den Bau einer Windkraftanlage sollen laut der Notverordnung angepasst worden sein. Statt wirkliche Maßnahmen umzusetzen, kann ein Investor nun auch einen finanziellen Ausgleich bezahlen. Für die NI nicht der richtige Weg. „Unsere Wälder und Flächen sind endlich, durch Geld haben wir auch nicht mehr davon“, so Dagmar Hirt.

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Vor allem der Wald würde durch die Windkraftanlagen leiden. „Ein Wald mit Windrad-Löchern wie ein Schweizer Käse kann seiner Funktion nicht mehr nachkommen“, erklärt Claudia Rapp-Lange. Ein intakter Wald sei für die Gesellschaft nützlicher als Windkrafträder. Er senke den CO2-Gehalt und kühle das Klima auf natürliche Weise. Auch habe der Wald Einfluss auf den Wasserhaushalt und das Bodengefüge, er beeinflusse das Grundwasser und schütze bei Starkregenereignissen vor Hochwasser und Überflutung. Würde man Lichtungen in den Wald schlagen, könnte dieser von innen heraus austrocknen, so die Befürchtung der NI.

Zäune des Solarparks sind Hindernis

Ähnlich kritisch sehen Hirt und Rapp-Lange den Solarpark auf der Höri. Die Zäune würden zum Beispiel eine Wanderung der Tiere zwischen den Biotopen verhindern. Und alles in allem würde der Bau dieser beiden Anlagen den Schiener Berg in eine Industrie-Landschaft verwandeln. Dies habe nicht nur Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch auf den Tourismus, erklärt Dagmar Hirt. Ihrer Ansicht nach sollte der Gesetzgeber lieber den Anreiz schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger Solaranlagen auf die heimischen Dächer bauen. „Da ist viel Potenzial vorhanden“, so Hirt.

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Bürgermeister sieht den Wald nicht in Gefahr

Öhningens Bürgermeister Andreas Schmid sieht die Lage im Wald etwas gelassener. „Unser Wald ist sicher sehr wertvoll, aber ein Ausgleich ist nicht unmöglich“, sagt er. Laut Schmid gebe es auch mit Windrädern noch genügend Wald auf dem Schiener Berg und der Höri, er sehe ihn nicht in akuter Gefahr. Mehr Sorgen bereitet dem Bürgermeister die Veränderung des Landschaftsbildes durch die Windräder. Doch da die Anlagen auf Flächen des baden-württembergischen Staatsforsts geplant werden, sei die Gemeinde nicht aktiv an den Verfahren beteiligt.

„Für mich persönlich sind alle Naturschutzaspekte lösbar.“ Andreas Schmid, Bürgermeister Öhningen
„Für mich persönlich sind alle Naturschutzaspekte lösbar.“ Andreas Schmid, Bürgermeister Öhningen | Bild: Marinovic, Laura

Auch den Solarpark sieht Andreas Schmid als eine Chance zur Energiegewinnung. Die ausgewählte Fläche hätte bei den Landwirten eine hohe Akzeptanz, weil diese ohnehin schwer zu bewirtschaften sei. Auch könne er sich vorstellen, dass es für die Biodiversität von Vorteil wäre, wenn die Wiese nicht mehr so intensiv genutzt würde. „Für mich persönlich sind alle Naturschutzaspekte lösbar“, so Schmid.