Der eine preschte energisch nach vorne und nutzte die zehn Minuten Redezeit vollständig aus. Der andere verlas einen Text, den er vermutlich an diesem Abend zum ersten Mal gesehen hat. Sehr unterschiedlich präsentierten sich die beiden Bewerber für das Amt des Bürgermeisters der Höri-Gemeinde Öhningen den rund 100 Besuchern in der Turn- und Festhalle. Zum einen der erfahrene Amtsinhaber Andreas Schmid, der schon drei Amtszeiten absolviert hat und die vierte, seine letzte, anstrebt. Und dann der Herausforderer: Marc Michael Berchmann, Busfahrer aus Öhningen und Mitglied der Satire-Partei Die Partei.
Amtsinhaber spricht schnell und viel
Bei seiner vierten Kandidatenvorstellung zeigte sich Schmid nur etwas nervös. Lebhaft und engagiert begann er seine eigene Präsentation. Stellte sich selbst vor: 58 Jahre, Ausbildung in der Verwaltung, Bürgermeister seit 24 Jahren, verheiratet, zwei Kinder, zwei Enkel, ein Bürgermeister mit Erfahrung und Vorerfahrung, so Schmid über sich selbst.
In seiner nächsten und vermutlich letzten Amtszeit möchte der Amtsinhaber viele Projekte, die bereits angeschoben wurden, weiter voranbringen oder beenden. Dabei nannte er das Öhninger Chorherrenstift – eine millionenschwere Dauerbaustelle, die länger schon die Finanzen der Gemeinde belaste. „Von den neun Millionen Euro, die das Chorherrenstift bisher gekostet haben, kamen nur fünf von uns“, so Schmid. Doch dieses Projekt solle ein Schmuckstück werden.
Weiter wolle er das Haus der Vereine auf den Weg bringen, das Nahwärmenetz in der Öhninger Mitte ausbauen und überhaupt die grüne Ortsmitte gestalten, erklärte der Amtsinhaber. Geplant sei auch ein Medizinisches Versorgungszentrum, um attraktive Arbeitsplätze für junge Ärzte zu schaffen. Offen sei er für alternative Energiequellen, wobei er sich in seiner Rede auf Photovoltaik-Anlagen konzentrierte und das Thema Windkraft weitestgehend aussparte. Aktuell kündigt sich eine Debatte um geplante Windkraftanlagen auf dem Schiener Berg an. Dort wurden Gebiete ausgewiesen, auf denen Windkraft laut Landesregierung realisiert werden sollte. Andreas Schmid sprach über „vernünftige und wirtschaftliche Lösungen, die offen diskutiert werden müssten“.
Öhningen hat beim Thema Mobilfunk Nachholbedarf
Beim Thema Mobilfunk sei Öhningen noch Zaungast. Doch es seien zwei neue Handymasten geplant, die für einen besseren Mobilfunkempfang sorgen sollen. Alles in allem habe er noch immer Lust, Bürgermeister von Öhningen zu sein und vieles noch weiter voranzubringen.
Die Fragen der Bürger konnte der erfahrene Amtsinhaber mühelos beantworten. Eine Bürgerin erkundigte sich nach sozialem Wohnungsbau. Hier informierte Schmid über die Pläne zur neuen Ortsmitte. Hier gebe es auch Platz für ein mehrstöckiges Gebäude, 30 bis 40 Wohnungen. Und die Gemeinde wolle dem Investor Auflagen zur Schaffung von sozialem Wohnungsbau geben. Ein anderer Bürger fragte gezielt nach Bauplätzen für Familien. Hier stellte der 58-Jährige ein neues Gebiet in Öhningen in Aussicht, wenn auch bisher ohne konkrete Planungen. Doch in Wangen und Schienen sei der Platz sehr begrenzt.
Brennt Andreas Schmid wirklich noch für den Job?
Eine Bürgerin ging den Bürgermeister dann aber doch persönlich an. Sie warf Andreas Schmid vor, nach all den Jahren Bürgernähe eingebüßt zu haben. Ihrem Eindruck nach brenne er gar nicht so sehr für das Amt, wie er beteuere. Hier widersprach Schmid entschieden. Er sei praktisch jeden Abend unterwegs, stehe in engem Kontakt zu vielen Vereinen, sei selbst in Vereinen privat aktiv und seine Tür stehe für Vereine immer offen. Auch für Ideen der Jugendlichem vom Bauwagen habe er ein offenes Ohr, so Schmid. Für das ehrenamtliche Engagement in der Gemeinde, sei es Feuerwehr, DLRG, Musik- und Sportvereine, sei er sehr dankbar.
Mit dem zweiten Kandidaten ändere sich auch die Stimmung in der Turn- und Festhalle. Gebannte Neugierde machte sich breit, als Marc Michael Berchmann ans Rednerpult trat. Der Kandidat der Satire-Partei Die Partei hatte bereits vor der Halle einen Infostand aufgebaut. Dort informierte er über seine Ziele, die – wie von einer Satire-Partei zu erwarten war – ungewöhnlich scheinen. Eine Seilbahn zwischen Schienen und Öhningen, ein Einhorn als Öhninger Wappentier und ein kostenfreies Internetcafé für Jugendliche.
Berchmann will kein Spaßkandidat sein
Seine Rede schien er an diesem Abend zum ersten zu Gesicht zu bekommen. Marc Michael Berchmann musste den kompletten Text ablesen, einige Passagen waren kaum zu verstehen. Dabei betonte er, er sei kein Spaßkandidat: Satire sei kein Witz, sie sei bitterer Ernst. Nur mit Humor könne man den Unsinn der Politik erkennen und damit umgehen. Ob sich die Unsinn-Kritik jetzt auf Öhningen speziell oder doch eher einen größeren Rahmen bezieht, ließ er offen. Er sei angetreten, damit Öhningen auch eine Wahl habe.
Die anwesenden Bürger reagierten erst irritiert über die Ausführungen zur Bierpreisbremse als Mittel der Wirtschaftsförderung oder die Pläne zur Windkraft als neues Geschäftsmodell für Öhningen. In der Fragerunde wollte aber dann doch ein Bürger wissen, ab wann denn mit dem von Berchmann vorgeschlagenen Chorherrenbräu zu rechnen sei. Eine Idee des Die Partei-Kandidaten war es nämlich, an das Chorherrenstift eine Brauerei anzusiedeln. Und dieser Vorschlag schien bei den Öhningern gut anzukommen.