Die Verhandlung im Amtsgericht begann mit einem freundlichen und offenen Angeklagten. Sie endete jedoch kurz nach der Urteilsverkündung mit einem lautstarken Wutausbruch von eben jenem vor dem Saal. Dazwischen lag eine anderthalbstündige Verhandlung, in der lange eine weitgehende Verfahrenseinstellung und eine weitere Bewährung möglich schien, die am Ende jedoch zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe für den Angeklagten führte.

Angeklagt war ein 41-jähriger Radolfzeller wegen drei Taten, die er einräumte: Betrug, Sachbeschädigung und Waffenbesitz. Denn im Frühjahr 2022 hatte der Angeklagte der Agentur für Arbeit eine Neuanstellung nicht rechtzeitig gemeldet und dadurch 395 Euro zu Unrecht erhalten. Im Oktober 2023 hatte er die Scheibe eines Fahrzeugs mit einem Stein eingeworfen. Als er anschließend die Polizei freiwillig in seine Wohnung ließ, fand die dort ein verbotenes Klappmesser.

Anklage wegen Sachbeschädigung eingestellt

Die Tatvorwürfe waren vor Gericht schnell geklärt, sodass Richterin Ulrike Steiner die zwei geladenen Zeugen gar nicht anhören musste. Zum Steinwurf erklärte der Angeklagte, er habe das Fahrzeug nur aus Versehen getroffen. Tatsächlich habe auf einen Glascontainer gezielt, in dessen Nähe Jugendliche lautstark gelärmt hätten, und sei „dabei abgerutscht“. Keine Straftat also. Doch dann wurde es komplizierter.

Zunächst erzählte der 41-Jährige offen und freundlich von seiner „nicht gerade prickelnden“ Kindheit mit einem alkoholkranken Vater, nach der er schnell auf die schiefe Bahn geraten war. Ebenso offen und reumütig räumte er den Waffenbesitz und den Betrug ein, den er gerne wiedergutmachen wolle. Lediglich seine finanzielle Situation mit nur 530 Euro monatlichem Einkommen nach Abzug der Miete sei hierbei ein Problem.

Angeklagter reagiert ungehalten und aggressiv

Ulrike Steiner stellte sogar in den Raum, auch die Anklage wegen Betrugs einzustellen. Schließlich sei der Tatvorwurf bereits zwei Jahre her und der Schaden gering. Das Problem: die einschlägigen Vorstrafen und vor allem eine laufende Bewährung. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Einstellung daher ab – und der zunehmend aufbrausender und ungeduldiger werdende Angeklagte verschlimmerte seine Situation minütlich.

Der 41-Jährige sah sich selbst zwar auf einem guten Weg, da er weniger Drogen konsumiere als früher, zuletzt meist einen Job hatte und es sich angesichts früherer Taten nun um Bagatellen handle. Doch mit seinem uneinsichtigen Verhalten irritierte er Richterin Ulrike Steiner zunehmend.

Richterin Ulrike Steiner hatte wenig Verständnis für die fehlende Einsicht des Angeklagten, der eine Therapie verweigerte.
Richterin Ulrike Steiner hatte wenig Verständnis für die fehlende Einsicht des Angeklagten, der eine Therapie verweigerte. | Bild: Jarausch, Gerald

Die entscheidende Frage war: Wie kann man den Angeklagten bestrafen und ihm helfen, sollte es zu einer erneuten Bewährung kommen? Denn Termine und Verpflichtungen einzuhalten, fällt dem 41-Jährigen offenbar wegen seiner ADHS-Erkrankung schwer, wie auch der Bewährungshelfer schilderte.

„Er ist guten Willens, aber mit sich selbst komplett überfordert. Eine psychotherapeutische Behandlung wäre entscheidend, aber ich habe meine Zweifel, dass er die Termine wahrnehmen wird“, erklärte dieser. Sogar Termine mit seinem Verteidiger Björn Bilidt hatte er versäumt, ebenso Termine bei der Drogenberatung.

Angeklagter verweigert weitere Therapie

Zum Verhängnis wurden dem Angeklagten schließlich die nicht eingehaltenen Auflagen aus seiner jüngsten Verurteilung aus dem März 2023. Denn damals war dem Mann auferlegt worden, in eine Therapie zu gehen und regelmäßige Urinkontrollen abzugeben. Beidem war er jedoch nicht nachgekommen.

Vor Gericht erklärte er auf Steiners Nachfrage, wie er weitere Straftaten künftig vermeiden wolle, extrem aufgebracht. „Macht mit mir, was ihr wollt. Aber ich mach‘ keine Therapie mehr, ich habe bereits eine gemacht und erfolgreich abgeschlossen“, schrie er. Dabei hatte er noch wenige Minuten zuvor eingeräumt, regelmäßig Cannabis zu konsumieren.

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Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte schließlich unter Einbeziehung der noch offenen sieben Monate nun eine achtmonatige Haftstrafe für den Betrug, ohne Bewährung. Denn trotz seines Geständnisses zeige der 41-Jährige keine Einsicht und sei einschlägig vorbestraft. Für den Waffenbesitz forderte sie eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro.

Verteidiger Björn Bilidt schloss sich beiden Forderungen grundsätzlich an. Allerdings forderte er Bewährung, da der Betrug bereits vor der letzten Verurteilung stattgefunden hatte und damit die Begründung der damaligen Bewährung noch gelte.

Richterin übertrifft Forderungen der Staatsanwaltschaft

Ulrike Steiner bestrafte den Angeklagten sogar härter, als es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Beim Betrug folgte sie dieser zwar und verurteilte ihn zu seiner Gesamtstrafe von acht Monaten ohne Bewährung. Für den Waffenbesitz verurteilte Steiner ihn aber zu einem weiteren Monat Haft.

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„Sie haben alle Warnungen von 2023 in den Wind geschlagen und einen einschlägigen Bewährungsbruch begangen. Diese Bewährung hätte ohnehin längst widerrufen werden müssen. Heute haben sie außerdem klar gesagt, sich an die damaligen Auflagen niemals halten zu wollen“, erklärte sie.

Gut möglich allerdings, dass der 41-Jährige, der wutentbrannt aus dem Saal stürmte, und sein Verteidiger nun Berufung gegen das Urteil einlegen. Steiner stellte jedoch klar: „Eine Berufung ergibt für Sie nur Sinn, wenn Sie danach bis zur Verhandlung am Landgericht auch tatsächlich an sich arbeiten.“ Ansonsten werde sich an dem Urteil wohl wenig ändern.