Die ersten Sitzungen sind gehalten, erste Debatten geführt und wichtige Entscheidungen wurden getroffen. Und neu dabei im Radolfzeller Gemeinderat sind Selma Anton, Mona Kramer, Pratyusha Potturi und Leon Löchle. Sie sitzen seit einigen Wochen für die Freie Grüne Liste in dem Gremium. Wie keine andere Fraktion hat sich die FGL erneuert und vor allem verjüngt. Wie haben die drei neuen Stadträtinnen und der jüngste Stadtrat ihre Anfangsphase erlebt? „Man durchlebt viele Emotionen während so einer Sitzung“, beschreibt Selma Anton ihren Start. Die Freude über gute Entscheidungen sei groß, andere Situationen wiederum seien sehr ernüchternd. Und eine Erkenntnis sei sehr klar geworden: „Das hier ist sehr harte Arbeit.“
Viel Arbeit für eine wichtige Aufgabe
Für ihre Ratskollegin Mona Kramer sei durch die ersten Sitzungen die Tragweite ihrer Aufgabe erst so richtig bewusst geworden. „Die Vorbereitung kostet viel Zeit, man recherchiert zu den Themen, die einem wichtig sind, viel, möchte die anderen im Gemeinderat überzeugen“, beschreibt sie ihren Anspruch. Und wie schwer dies manchmal sei: „Eine Meinung haben ist leicht, aber eine Meinung öffentlich vertreten ist etwas anderes“, so die 34-Jährige.
Beide Frauen haben sich vor allem bei Themen, die den Klimaschutz betreffen, stark gemacht. Und gleich erste Enttäuschungen erlebt, wie sie berichten. „Ich hatte die Hoffnung, wir würden Diskussionen auf Faktenbasis führen, die für alle gleich sind, und anhand dessen Entscheidungen treffen. Aber da wurde ich eigentlich auch schon enttäuscht“, sagt Selma Anton.
Sie spielt damit auf die Entscheidung des Gemeinderates an, keine Flächen für Windkraft in Stahringen auszuweisen, weil dies den Betrieb des Flugsportvereins beeinträchtigen könnte. Eine für Anton nicht nachvollziehbare Entscheidungen: „Wir müssen doch das Wohl aller im Blick haben“, sagt sie.
Für Mona Kramer sei diese Sitzung auch eine Erfahrung gewesen, die ihr aufgezeigt habe, was sie noch lernen müsse: Mit Rückschlägen besser umzugehen. Diese Entscheidung gegen die Windkraftgebiete habe sie noch sehr lange beschäftigt. Sie habe festgestellt, dass sie daran arbeiten müsse, um weiterhin mit viel Motivation in das Amt zu gehen. Denn daran solle es auch in den kommenden fünf Jahren nicht mangeln.
Zwischen Job, Studium und Ehrenamt
Der jüngste Neuzugang, nicht nur bei der FGL, sondern auch im Gemeinderat, ist der 22-jährige Leon Löchle. Dieser hat nicht nur das Amt frisch übernommen, sondern auch ein Studium der Kommunikations- und Kulturwissenschaften in Friedrichshafen begonnen. Die Balance zwischen Studium, Nebenjob und Gemeinderatsarbeit sucht er noch. „Es ist auf jeden Fall anders als noch im Jugendgemeinderat“, sagt er. Als Vorsitzender des JGR habe er auch selbst Sitzungen geleitet, allerdings seien diese ganz anders als im Gemeinderat.
Im Gremium jetzt wolle er den Blickwinkel der Jugend vertreten. Es freue ihn besonders, dass Projekte, die er als Jugendgemeinderat mit angestoßen habe, nun tatsächlich konkret würden, wie zum Beispiel die Calisthenics-Anlage. Weiter seien ihm der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder eine gute Ausstattung der Schulen der Stadt.
Eine gute Bildung von Kita bis Schulabschluss
Erfahrungen in einem anderen Gremium hat auch Pratyusha Potturi gesammelt. Sie engagierte sich vor ihrer Wahl im Gemeinderat um Gesamtelternbeirat Kita. Und diese Themen liegen ihr noch immer am Herzen: Eine gute Ausbildung für Radolfzeller Kinder von der Kita bis zum Schulabschluss. Dazu gehöre eine gute Ernährung und ein suchtfreies Leben, weshalb sie sich auch im Präventionsrat einsetze. Da sie selbst Migrationserfahrung besitzt – die 39-Jährige stammt aus Indien, lebt seit 2012 in Radolfzell – ist sie auch Mitglied im Integrationsrat. „Ich wollte mich schon immer gesellschaftlich engagieren“, sagt sie. Doch auch: „Es gibt noch viel zu lernen.“
Im Gemeinderat selbst sind die vier Neuen bei der FGL gut aufgenommen worden, sagen sie. Alle anderen Stadträtinnen und -räte seien offen gewesen. Ihr Wunsch an das Gremium sei, dass Entscheidungen immer wieder reflektiert würden. „Wir sollten uns auch immer an die bereits beschlossenen Ziele der Stadt orientieren“, sagt Mona Kramer. Ihr gehe es um eine schnelle und zielgerichtete Energiewende und die Fragen: Was brauchen wir heute und was nachfolgende Generationen? Selma Anton wünscht sich den Mut, auch unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen. Und dass sich auch erfahrene Rätinnen und Räte auf neue Ideen einlassen können.