Die Rahmenbedingungen für die Baubranche sind schwierig: Es gibt Krieg in Europa und im Nahen Osten – mit all seinen Unwägbarkeiten für die Lieferketten. Auf der Agenda stehen auch die Herausforderungen aus dem Klimawandel, die Inflation und die hohen Energiekosten sowie steigende Leitzinsen und ein starker Anstieg der Baukosten – gepaart mit steigenden Mieten und einer Wohnungsknappheit.
An Herausforderungen mangelte es im zurückliegenden Geschäftsjahr der Baugenossenschaft Familienheim Bodensee also wahrlich nicht. „In solch unruhigen Zeiten gilt es, Ruhe zu bewahren, zusammenzustehen und Kurs zu halten“, eröffnete der Vorsitzende der Baugenossenschaft, Stefan Andelfinger, die Hauptversammlung im Radolfzeller Geschäftsgebäude. Doch all den Widrigkeiten zum Trotz gelang es der Baugenossenschaft Familienheim Bodensee, das Geschäftsjahr 2023 mit einem guten Ergebnis abzuschließen. Mit einem Umsatz von etwas über 11,8 Millionen Euro konnte die Baugenossenschaft einen Jahresüberschuss von knapp 1,66 Millionen Euro ausweisen.
Finanzielle Robustheit und Stabilität
„Wir erreichten eine mehr als zufrieden stellende Umsatzrendite von über 14 Prozent“, sagte Andelfinger gegenüber den Mitgliedern der Baugenossenschaft: „Im letzten Jahr konnten wir so über 1,6 Millionen Euro in die Ergebnisrücklage einstellen. Die Kosten konnten auf dem Stand des Vorjahresniveaus gehalten werden.“ Die Bilanzsumme stieg um fast sieben Prozent auf über 94,5 Millionen Euro.
Dies sei auf die noch anhaltende Bautätigkeit der Genossenschaft zurückzuführen und erweitert auch deren Anlagevermögen. Gerade im Anlagevermögen würden erhebliche, werthaltige und stille Reserven für die Genossenschaft schlummern, sagte der Vorsitzende. Die Betriebspolitik mit ihrer ausbalancierten Bilanz verleihe der Genossenschaft eine finanzielle Robustheit und eine Stabilität, so Stefan Andelfinger: So könne die Genossenschaft auch bei temporär stark steigenden Zinsen handlungsfähig bleiben.
Mehr als 4,2 Millionen Euro investierte die Baugenossenschaft in den Bestand eigener Wohnungen. Das sei die größte Summe, die jemals in den Bestand investiert wurde, sagte Andelfinger. In die Sanierung, Modernisierung und in den Neubau investierte die Genossenschaft mehr als 10,7 Millionen Euro. Im Vorgriff auf potentielle Cyber-Angriffe und Cyber-Kriminalität stellte die Genossenschaft ihre EDV zudem auf eine externe, cloudbasierte Terminallösung um.
Die Probleme sind vielfältig
Für Stefan Andelfinger sind die Gründe für den allgemeinen Wohnungsbau-Kollaps vielschichtig. Sie beginnen seiner Sicht nach bei den gestiegenen Baukosten, den gestörten Lieferketten, immer strenger werdenden Anforderungen durch den Klimaschutz nicht nur beim Neubau, sondern auch bei der Sanierung von Altbeständen bis hin zu den steigenden Zinsen, dem Wegfall von Förderprogrammen sowie einem Gesetzgebungswirrwarr mit ausuferndem Bürokratismus.
All das würde die an einem Bau Beteiligten zur Verzweiflung treiben. Ebenso sei durch die Schuldenpolitik und die Inflation hervorgebrachte Zinsumfeld ein Gift für Wachstum und Wohlstand im Land. Dies lasse sich gerade signifikant am Wohnungsmarkt ablesen. Andelfinger übte schwerwiegende Kritik an der aktuellen Regierung. Es herrsche Chaos und es fehle ordnungspolitische Orientierung. Umsichtige Zeitgenossen der Branche würden sich zurückziehen und abwarten, sagte Stefan Andelfinger und zitierte dabei auch den Präsidenten des zentralen Immobilienausschusses, Andreas Mattner: „Wer heute baut, geht bankrott.“
Keine neuen Großbauvorhaben
Selbst für eine gesunde Genossenschaft wie die Baugenossenschaft Familienheim Bodensee werde es immer schwieriger, kostendeckend Wohnraum zu schaffen, der für eine breite Bevölkerungsschicht bezahlbar sei, resümierte Andelfinger. Mit der Folge, dass die Baugenossenschaft zwar ihre Projekte zu Ende führen werde, doch Großbauvorhaben wie in Markdorf oder Engen bis auf Weiteres nicht mehr projektieren wird.
„Keine andere Industrie in Deutschland werde derart massiv in ihrem Planungs- und Produktionsprozess reguliert und eingeschränkt wie die Bauindustrie“, befand Marco Bächle. Der technische Vorstand der Baugenossenschaft Familienheim Bodensee gab dazu ein aktuelles Beispiel aus der Baupraxis über eine unheilvolle Verquickung von Normen, Vorschriften und Bürokratismus: Der Aushub eines Bauvorhabens in Engen hatte nur an wenigen Stellen einen minimalen und kaum nachweisbaren Schadstoffgehalt, so Bächle. Da es keine Lagermöglichkeit auf der Baustelle und in der Nähe auch kein Straßenbau für eine Wiederverwendung gegeben habe, musste der 12.000 Tonnen schwere Aushub – das entspricht 400 Lastwagen-Ladungen – auf eine Spezialdeponie gefahren werden.
Hohe Kosten und viele Vorschriften
Allein die Entsorgung habe die Baugenossenschaft Familienheim Bodensee rund 150.000 Euro brutto gekostet. Im Preis fehlten noch die Transportkosten für den Aushub. Die angefallenen Kosten entsprechen den Rohbau-Kosten von vier Reihenhäusern oder die Senkung der Mietpreise um zwei Euro pro Quadratmeter für sechs Jahre bei einer Wohnfläche von insgesamt 3340 Quadratmetern im Neubau, wurde erklärt.
Der Aushub hätte in der Schweiz bedenkenlos in einer Geländesenke eingebaut werden können, sagte Marco Bächle. Die entsprechende Vorschrift dazu umfasse in der Schweiz vier Seiten und in Deutschland etwa 120 Seiten, wobei die gesamte Norm 900 Seiten in Deutschland messen würde. „Wer in Deutschland baut, geht nicht nur bankrott, sondern macht auch ständig etwas falsch oder verstößt gegen ein Gesetz“, resümiert Marco Bächle. Man müsse weg von einem Wunschdenken hin zur realen Politik mit machbaren Veränderungen.