Es wirkt ein wenig unvollendet. Der Abschied von Lothar Rapp von seiner Paraderolle als Kappedeschle auf der Bühne des Narrenspiegels und als Produzent und Herausgeber der gleichnamigen Narrenzeitung kommt in beiden Fällen kurz vor und kurz nach einem Jubiläum. 39 Jahre hat Rapp nun den Radolfzellerinnen und Radolfzellern die Narrenschelte gehalten und ganze 51 Mal hat er die Narrenzeitung für die Narrizella Ratoldi gemacht. Jetzt soll mit beidem Schluss sein.
Wer Lothar Rapp ein bisschen besser kennt, hat die Ankündigung, mit beidem aufhören zu wollen, in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal gehört. Und doch kam er immer wieder, wenn die Narrizella ihn gebraucht hatte. Das soll sich in Zukunft grundsätzlich auch nicht ändern. „Werde ich gebraucht, stehe ich zur Verfügung. Nur diese beiden Sachen möchte ich abgeben“, sagt Rapp.

Gesundheitliche Gründe zwingen ihn dazu, etwas kürzerzutreten. Aber leicht fällt ihm der Abschied nicht. „Ich hänge sehr an der Narrenschelte und auch an der Büttenrede, obwohl ich mich da schon länger etwas zurückgezogen habe“, so der Ehrenpräsident der Narrizella Ratoldi.
Narr auf der Bühne seit 1985
Übernommen hatte Rapp die Rolle des mahnenden Narrs auf der Bühne von keinem Geringeren als Bruno Epple. Seine erste Narrenschelte hielt Lothar Rapp 1985 und stellte sich die Frage, die sich vermutlich jetzt die Person stellen wird, die 2025 in das Häs schlüpfen wird: „Wie soll ich das nach diesem Vorgänger überhaupt schaffen?“
Vor 1985 gab es ein Team von Narrizella-Mitgliedern, die jedes Jahr die Narrenschelte geschrieben haben. Vorgetragen wurde sie dann immer wieder mal von anderen Personen. Für Rapp stand es jedoch außer Frage, dass er fremde Texte vorträgt. Er wollte die Narrenschelte selbst schreiben und tat es seitdem.
Die Narrenschelte ist schnell geschrieben und oft überarbeitet
Eine Lieblings-Schelte hat er dabei nicht. „Die liebste ist immer die nächste“, sagt Lothar Rapp. Geschrieben sei sie auch schnell. In ein, zwei Stunden stehe der Text, danach werde aber noch Wochen daran herumgefeilt. Verse werden geändert, an aktuelle Ereignisse angepasst und überarbeitet. Für den zukünftigen Kappedeschle hat Rapp auch ein paar wertvolle Tipps.

Gut reimen zu können, sei keine Grundvoraussetzung. Als inhaltliche Lektüre empfiehlt er Dieter Brand „Es ist nicht leicht ein Narr zu sein“. Denn wichtig sei es, dass sich die darstellende Person von der Figur trennt, betont Rapp. Es gehe nie um die Person, die im Häs stecke. Es helfe, sich im Klaren darüber zu sein, was ein Narr und was seine Aufgabe in der heutigen Zeit seien. Der Kappedeschle müsse den Spiegel vorhalten, er müsse nicht gefallen.

Lacher sollten nicht erwartet werden
Auch dürfe man keine falschen Erwartungen an die Reaktionen des Publikums haben. „Eine Narrenschelte ist keine Büttenrede, man darf keine Lacher erwarten. Es ist schön, wenn gelacht wird, aber darum geht es nicht“, erklärt Lothar Rapp. Eine Narrenschelte dürfe nie langweilig und nie beleidigend sein, die Sprache klar und angemessen. „Bei der Narrenschelte nehme ich mich als Narr ernst, bei einer Büttenrede nehme ich mich nicht ernst“, versucht er den Unterschied deutlich zu machen.

Was für Lothar Rapp die Kür an der Fasnacht bedeutete, so sehr schien die Narrenzeitung zur Pflicht geworden zu sein. Seit mehr als 50 Jahren kümmerte er sich um den Kappedeschle in gedruckter Form. Anfangs sei er als gelernter Schriftsetzer für diese Aufgabe angeheuert worden, noch bevor er überhaupt Mitglied der Narrizella Ratoldi war.
Für seinen ehemaligen Arbeitgeber, den SÜDKURIER, kümmerte sich Rapp zeitweise um eine Vielzahl Narrenzeitungen aus der gesamten Region, die beim Konstanzer Medienhaus in Auftrag gegeben wurden. Doch sein Herzensprojekt blieb das Radolfzeller Kappedeschle.
Narrenzeitung war stets ein aufwändiges Projekt
Trotz der Routine, die Lothar Rapp mittlerweile haben sollte, sagt er: „Die Narrenzeitung gestaltet sich nicht so einfach, wie sich das immer alle vorstellen.“ Bereits im Oktober hat er mit der Produktion begonnen. Erst mussten die Anzeigen akquiriert und platziert werden, dann kam der Inhalt. Und den hohen Anspruch, den Rapp auch an seine Narrenschelte hatte, stellte er auch an den gedruckten Kappedeschle.
Waren Sachen schon einmal veröffentlicht worden, waren sie für die Narrenzeitung tabu. Geklaute Witze aus anderen Zeitschriften oder den sozialen Medien haben es nie in seinen Kappedeschle geschafft. Ja, selbst wenn der SÜDKURIER über ein Ereignis unterm Jahr berichtet hatte, war dies für den Kappedeschle kein Thema mehr. Lothar Rapp wollte immer ein Original sein.
Kann sich so ein Original einfach ersetzen lassen? Martin Schäuble, Präsident der Narrizella Ratoldi, teilt auf Nachfrage mit, dass man an einer Nachfolge arbeite, aber noch keinen Namen nennen könne. Leicht wird die Suche sicherlich nicht. Doch hat Lothar Rapp bereits bewiesen, dass er – sobald er seinen Hut genommen hat – durchaus auch loslassen kann. „Ich werde mich nicht einmischen, stehe aber für Hilfe bereit“, sagt er.