Just ein Jahr ist es jetzt her, dass die Vertreter des Museumsbahnvereins mit Spitzhacke und Schaufel vom Bahnhof Rielasingen-Arlen nach Singen aufbrachen, um auf eine alte Wunde hinzuweisen. Mit im Gepäck: die damals frisch erteilte Genehmigung zum grenzüberschreitenden Betrieb der Museumsbahn und der Traum vom Bahnbetrieb bis zum Singener Hauptbahnhof.
Bislang jedoch endet der Traum an der Georg-Fischer-Straße. Als vor einigen Jahren der Kreisel an der Kreuzung mit der Güterstraße gebaut wurde, wurden dort 77 Meter Gleis ausgebaut.
Wie schwer es ist, einmal ausgebaute Gleise wieder neu zu verlegen, bekommen die engagierten Mitglieder des Vereins zum Erhalt der Strecke Etzwilen-Singen (VES) derzeit zu spüren. Die Hoffnung, noch in diesem Jahr den Lückenschluss hinzubekommen, dürfte vergebens sein. Eine Zuschusszusage für den Umbau des Kreisels liege zwar vor. Der Vertrag mit dem Museumsbahnverein zur Mitfinanzierung der Arbeiten durch die Stadt Singen wurde bereits vor Jahren unterschrieben. Rund 150 000 Euro wurden kalkuliert, um die Gleisbauarbeiten zu finanzieren. Nun zeichnet sich aber ab, dass diese Summe nicht ausreichen könnte. "Aufgrund der guten konjunkturellen Lage in der Bauwirtschaft hat es bei der Durchführung der Bauarbeiten zum Anschluss der Museumsbahn an den Bahnhof Singen bislang noch kein Bauunternehmen gegeben, das den Auftrag übernehmen kann", erklärt Singens Pressesprecher Achim Eickhoff auf Nachfrage des SÜDKURIER.
Die vorliegenden Angebote seien zu teuer. Daher soll nochmals ausgeschrieben werden. "Ein genauer Termin, wann die Arbeiten nun schlussendlich ausgeführt werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt daher noch nicht sagen", führt Eickhoff aus. Sollten die Arbeiten im Frühjahr des nächsten Jahres losgehen, wäre dies schon fast wunderbar. Andererseits liegt in der Verzögerung auch ein Vorteil, wie Singens OB Bernd Häusler noch vor wenigen Monaten zu bedenken gab: Durch den Umbau des Bahnhofsvorplatzes sei die Verkehrssituation angespannt. "Während dieser Arbeiten kann man nicht noch eine Sperrung der Georg-Fischer-Straße vollziehen, sonst bricht der Verkehr ganz zusammen", warnt Häusler.
Museumsbahn-Förderer und Stiftungsratspräsident Giorgio Behr wird daher seine Ungeduld zügeln müssen, bis er mit dem Zug nach Singen fahren kann. Doch der Verein zum Erhalt der Strecke ist bereit: "Zwar haben wir noch einige Baustellen vor uns, aber wir stehen kurz vor dem Ziel", freut er sich. Vor zehn Jahren hat er die beiden Stiftungen gegründet, um die traditionsreiche Bahnlinie vor dem Rückbau zu retten. Jetzt setzt er alles daran, den Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Gemeinsam mit den wackeren Vereinsmitglieder sei schon einiges erreicht worden. Seit elf Jahren gibt es öffentliche Dampffahrten.
„Jetzt ist noch der Wiederaufbau der Gleise und ein Museumsbetrieb bis zum Bahnhof Singen mit Gleisanschluss ans restliche Netz in Planung“, betont VES-Vorstandsmitglied Werner Wocher voller Zuversicht. Und er verweist auf eine Kernkompetenz des Vereins: Allerlei Hürden habe der Verein bislang überwinden müssen, sodass die kommenden auch gemeistert werden. Denn was für die Museumsbahn gilt, gelte auch für den Verein: Man sei zwar nicht so schnell unterwegs, aber eben unaufhaltsam. Mit dem Brückenschlag nach Singen hoffen die Museumsbahn-Betreiber, auch weitere Unterstützer zu finden: Nicht nur als als Fahrgäste, sondern auch als Helfer bei Instandhaltungsarbeiten.
Dieser Tage soll es zu einem Treffen der Museumsbahnfreunde mit der Stadtverwaltung kommen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. "Klar ist, dass es sich um eine spezielle Herausforderung handelt. Immerhin betreiben wir die einzige grenzüberschreitende Museumsbahn", so Wocher.
Blick in die Zukunft
Die Vision lautet, in Zukunft einen Rundkurs realisieren zu können. Die Museumsbahn könnte dann von Etzwilen über Singen und Schaffhausen im Kreis fahren. Das könnte die Attraktivität steigern und die Auslastung der historischen Züge steigern. "Die klassischen Eisenbahnfans machen maximal zehn Prozent der Fahrgäste aus", weiß Beat Joos, der Präsident der Eisenbahnfreunde Hegau. Dieser Gedanke sei eine tragende Säule im Museumsbahnkonzept.
Noch weiter in die Zukunft denkt Ralf Baumert, der Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen: Mit einem Nahverkehrskonzept jenseits des reinen Museumsbetriebs könnte die Belastung der Straßen zwischen Singen und Rielasingen reduziert werden. "Eine Anfrage an die Landesregierung wurde schon gestellt", verweist Baumert auf den Generalverkehrsplan. Noch sei das Zukunftsmusik. Aber wenn die Verbindung erstmal hergestellt sei, müsse darüber nachgedacht werden.
Die Historie
- 1875 wurde die Bahnstrecke von Singen nach Etzwilen als Verbindung Richtung Winterthur eröffnet.
- 1969 wurde der Zugbetrieb für den Personenverkehr auf der damals zur SBB gehörenden Bahnlinie eingestellt.
- 1996 rollte der letzte Güterzug fahrplanmäßig Richtung Etzwilen.
- 2004 wurde die Strecke stillgelegt.
- 2007 wurden Eisenbahnfreunde aktiv, um die Strecke vor dem Rückbau zu bewahren. Die Stiftung Museumsbahn übernahm die Bahnlinie.
- 2011 wurde das erste Museumsbahnfest in Rielasingen gefeiert.
- 2017 erhielt der Verein von den zuständigen Behörden die Genehmigung, grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu betreiben. (bie)