Beinahe wirkt Friedhelm Möhrle bei dieser Frage ein bisschen eingeschnappt – aber nur beinahe. Denn bei seiner Antwort stiehlt sich dann doch ein spitzbübisches Lächeln auf seine Lippen. Der SÜDKURIER wollte vom gebürtigen Singener, der am Mittwoch seinen 90. Geburtstag feierte, wissen, ob Oberbürgermeister der Hohentwiel-Stadt sein Traumberuf gewesen sei. Und wie es sich für einen waschechten Singener Kommunalpolitiker gehört, gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: „Natürlich, Oberbürgermeister unserer Stadt war der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Ich würde es immer wieder tun.“
Beim Besuch des SÜDKURIER ist von der großen Geburtstagsfeier des Singener Alt-OB wenig zu sehen. Von Aufregung ist keine Spur. „Ich bin nicht nervös, ich feiere ganz bescheiden auf dem Rosenegg – mit ganz engen Freunden und den Verwandten“, verrät Möhrle. Überhaupt, ihm gehe es trotz seines fortgeschrittenen Alters gesundheitlich gut. „Ich gehe zwar am Stock, weil mein Gleichgewichtssinn nicht mehr ganz in Ordnung ist, aber sonst fühle ich mich sehr gut“, sagt er.
Friedhelm Möhrle hat in seiner 24-jährigen Amtszeit Spuren in der Hohentwiel-Stadt hinterlassen. An diese erinnert er sich auch heute noch. „Wir haben ja vieles erreicht, vier neue Schulen und Kindergärten gebaut, viel für die Kultur in der Stadt gemacht – egal ob Malerei oder Musik“, schildert er. In seiner Amtszeit sei ein Sportamt gegründet und die Stadt wurde ans Autobahnnetz angeschlossen – trotz viel Gegenwindes, etwa aus Konstanz. „Ich habe den Autobahn-Anschluss bis nach Singen geholt. Das Autobahnkreuz Hegau durchzusetzen, war ein harter Kampf. Es war immer mein Anliegen, Singen als Verkehrsknotenpunkt zu stärken“, sagt Möhrle.
Aber Möhrle ist dabei eines besonders wichtig: Ohne seine alten Weggefährten aus der Singener Stadtverwaltung sei vieles nicht umsetzbar gewesen. Etwa sein damaliger Oberbaudirektor Hannes Ott. „Von ihm habe ich viel gelernt“, so Möhrle.

Einen Blick für das Internationale hat sich Möhrle während seiner Amtszeit bewahrt, Städtepartnerschaften geschlossen und die immer bunter werdende Stadt geschickt zusammengehalten. Unter Möhrle erhielt Singen auch ein neues Gesicht: Die Innenstadt wurde durch die Fußgängerzonen attraktiv. Möhrle lag zudem die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen am Herzen. Das Industriegebiet wurde in den 70er-Jahren erweitert und er unterstützte die Ansiedelung von Industriebetrieben.
„Wir haben damals das Krankenhaus verloren!“
Aber es gibt sie auch, die Enttäuschungen. Projekte, die er in seiner Amtszeit nicht realisieren konnte. Möhrles Blick richtet sich dabei in Richtung Hohentwiel. „Wir haben damals das Krankenhaus verloren, weil es überschuldet war“, sagt er. Der Kauf der Eggbergklinik bei Waldshut sei der Untergang für das Singener Krankenhaus gewesen. Singen habe 4,8 Millionen Mark bezahlt, und bis zum Wiederverkauf acht Jahre lang jedes Jahr eine Million verbrannt. „Das Krankenhaus war der Stolz der Singener“, so der 90-Jährige.
Und dann ist da noch die Sache mit der großen Stadthalle. „Bedauern kann ich, dass es in den 80ern nicht gelang, eine Stadthalle zu bauen. Das damalige Konzept war viel besser geeignet“, so Möhrle. Er habe sich aber stets nach der Mehrheit gerichtet, dies sei Demokratie.
Heute zählt sich Friedhelm Möhrle nur noch als ein stiller Beobachter der Singener Kommunalpolitik. „Ich habe mich nicht mehr groß eingemischt“, sagt er. Aber dann lässt er den politischen Haudegen doch noch einmal durchblitzen. „Manchmal ist mir aber sprichwörtlich das Messer in der Tasche aufgegangen“, verrät Möhrle, aber dann habe er sich zusammengerissen und sei still geblieben.
Singen im Herzen, den Hontes im Blut
Aber das Herz von Friedhelm Möhrle hängt auch im Ruhestand noch an seiner Stadt. „Singen hat sich wirklich toll entwickelt. Hier kann man es aushalten“, sagt er. Dies hänge auch mit der Arbeit des jetzigen Oberbürgermeisters zusammen. „OB Bernd Häusler hat sein Handwerk gelernt“, so Möhrle. Dies sei nicht bei allen seinen Nachfolgern der Fall gewesen.
Dass Möhrle Singen im Herzen trägt, wird auch an anderer Stelle deutlich. Er erzählt davon, dass es Anfragen aus Berlin gegeben habe. „Ich war auf jeden Fall im Gespräch, persönlicher Referent von Willy Brandt zu werden“, erzählt er. Aber er habe abgelehnt, auch, um seine Stadt Singen voranzubringen. „Ich wollte auf keinen Fall Ellenbogenpolitik betreiben. In der großen Politik habe ich nicht mein Ziel gesehen. Ich habe mein Ziel im Oberbürgermeister von Singen gesehen.“