Die Resonanz auf den Tag des Denkmals, eine der größten Kulturveranstaltung in Deutschland, war auch in diesem Jahr im Landkreis Konstanz groß. Viele Tausende Besucher nutzen die Gunst der Stunde, um an den insgesamt 40 Anlaufpunkten unter fachkundiger Führung den Spuren vergangener Zeiten zu folgen. Das vielfältige, interessante Angebot unter dem Motto „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz.“ hatte auch den Zweck, die Besucher für den Erhalt der Denkmäler zu sensibilisieren.

1244 jüdische Gräber über Gailingen

Sarah Schwab und Roman Döppler vom Verein für jüdische Geschichte begrüßten schon morgens um 10 Uhr die ersten Gäste auf dem Jüdischen Friedhof Gailingen. Dieses wunderschöne, oberhalb Gailingens am Waldrand mit Blick auf das Rheintal gelegene Kultur- und Naturdenkmal wirkt eher klein und beschaulich und deshalb ist das Erstaunen groß, wenn Roman Döppler erzählt, dass genau 1244 Gräber noch erhalten sind, wobei die ältesten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammen. In ihrer Blütezeit, Mitte des 19. Jahrhunderts, wie Sarah Schwab ergänzt, hätten der jüdischen Gemeinde in Gailingen etwa 1000 Mitbürger angehört.

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Heute gebe es in Gailingen keine jüdische Gemeinde mehr, denn, wie anderorts auch, seien zu Beginn der 1940er Jahre die letzten Juden deportiert worden. Der Friedhof sei zwar nie geschändet worden, doch nach Kriegsende völlig verwildert gewesen. Die hier lebende ehemalige Nazielite habe diesen säubern und die Gräber wiederherrichten müssen.

Roman Döppler erzählt dann, dass der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz), bei dem er selbst in der Ortsgruppe Gailingen im Vorstand aktiv ist, sich um die Pflege des Friedhofs kümmert. Auch könne der Friedhof mit einer besonderen Flora aufwarten, denn hier sei zum Beispiel die Heimat der Bocks-Riemenzunge, die aus der Familie der Orchideen stamme und im Mai blühe.

Josef Vossenkuhl und Susanne Breyer erweckten in ihrer szenischen Lesung zur Annäherung an den Menschen Hannes Ott, den legendären ...
Josef Vossenkuhl und Susanne Breyer erweckten in ihrer szenischen Lesung zur Annäherung an den Menschen Hannes Ott, den legendären Singener Stadtplaner, Stadtgeschichte auf sehr unterhaltsame Weise zum Leben. | Bild: Elmar Veeser

Danach ging‘s weiter nach Singen, ins Café Horizont, indem sich schon morgens, kurz vor 11 Uhr, etwa 120 Gäste dicht an dicht drängten. Tilo Brügel, Architekt in Diensten der Stadt, und unter anderem mit dem Denkmalschutz betraut, stimmte als Ideengeber der Veranstaltung die erwartungsvolle Menge auf die szenische Lesung zum legendären Singener Stadtplaner Hannes Ott ein, der insbesondere in den 50er und 60er Jahren das Gesicht und damit die Architektur der Wirtschaftswunder- und Babyboomer-Stadt Singen prägte und sich damit im übertragenen Sinne selbst ein Denkmal schuf.

Singener Geschichte mit einer Portion Humor

Josef Vossenkuhl kam mit wildem, dunklem Haarschopf und beeindruckender Statur nicht nur äußerlich dem legendären Stadtplaner sehr nah, den er verkörperte, sondern traf mit seinen ausladenden Gesten, dem selbstbewussten Auftreten, dem überbordenden Temperament und nicht zuletzt mit dem Mannheimer Dialekt den legendären Stadtbaudirektor so genau, dass selbst einige der anwesenden Gäste, die Hannes Ott noch persönlich erlebt hatten, sich verwundert ob dessen vermeintlicher Reinkarnation die Augen rieben.

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Geschichtlich sowie fachlich genau und mit einer gehörigen Portion Humor versehen, trafen auch die kongenialen Texte, die von Susanne Breyer stammen, voll ins Schwarze. Ihr besonderer Dreh ist, Hannes Ott vom Himmel aus agieren zu lassen, was natürlich die weidlich genutzte Chance bot, ihn die aktuelle Situation in Singen mit viel Sarkasmus kommentieren zu lassen. Sie selbst trat als Journalisten auf, die den genialen und gleichzeitig herrlich vierschrötigen Ott im himmlischen Planungsbüro befragte.

Applaus nach der Lesung

Auch das tragische Ende seiner Berufslaufbahn, die Geschichte um seine Entlassung – eines Shakespeare-Dramas würdig – wurde glaubhaft und mitreißend in Szene gesetzt. Der Applaus nach Ende der szenischen Lesung war riesig, die sich anschließenden Gespräche und Diskussionen unter den Gästen ließen das Erlebte dazu bei Brezeln und Getränken nachhallen, wobei der Tenor einhellig war: „Das kann es noch nicht gewesen sein. Das wollen wir, gerne zu einem Theaterstück ausgebaut, nochmal sehen und es verdient, einem größeren Publikum nahegebracht zu werden“, wie es Siyami Akyildiz, selbst von Beruf Architekt, formulierte.

Sebastian Schmäh (rechts) hat sich auf die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude spezialisiert und von der Stadt Aach das ...
Sebastian Schmäh (rechts) hat sich auf die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude spezialisiert und von der Stadt Aach das denkmalgeschützte Roth-Areal erworben. Zusammen mit Bürgermeister Manfred Ossola (links) befindet er ich in der alten Sägemühle. | Bild: Elmar Veeser

Um 14 Uhr stand in Aach ein interessanter Besichtigungstermin an: das Denkmal-Ensemble „Roth-Areal“ mit vier denkmalgeschützten Gebäuden liegt nicht nur im Herzen von Aach, sondern auch direkt am gleichnamigen Fluss. Zwar wirkt das Anwesen sehr pittoresk, doch gleichzeitig überkommen einem Zweifel beim Anblick des mäandernden Dachfirsts der alten Sägemühle, ob nicht alles bei zu lautem Husten zusammenstürzen wird.

Doch Sebastian Schmäh, Restaurator und Inhaber von Holzbau Schmäh in Meersburg, der zusammen mit der freien Architektin Corinna Wagner von der Gemeinde den Zuschlag für das Konzept zum Erhalt des denkmalgeschützten Ensembles erhielt, winkt entspannt ab. Nein, alles sei gesichert, es könne nichts passieren und doch sei es für ihn – bei Einhaltung aller Bauvorschriften und der Erzielung modernen Wohnkomforts – wichtig, den Eigencharakter der denkmalgeschützten Immobilie zu erhalten.

Wohnen und Arbeiten in der alten Mühle in Aach

Die rund 380 Quadratmeter in der alten Mühle sollen als Gewerbefläche genutzt werden: ein Café, das könne er sich gut vorstellen, so Schmäh. Drei weitere, Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Gebäude gehören auch zum denkmalgeschützten „Roth-Areal“, das er erworben hat. Rund 800 Quadratmeter Wohnfläche im Denkmal wolle er schaffen.

Bei der Besichtigung fällt dann doch der lange Leerstand auf, der beinah zwangsläufig zu Vandalismus-Schäden führt, der sich in eingeschlagenen Scheiben und zerstörten Fensterahmen zeigt. Deren Ersatz sei schwierig und teuer, ebenso die Eindeckung des Dachs mit den originalen Biberschwanzziegeln. Apropos Biber: auch auf den Artenschutz nehme man Rücksicht, eben auf den Biber, die Amseln und natürlich die Fledermäuse, für die sogenannte Balzquartiere entstünden.

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Bürgermeister Manfred Ossola zeigt sich von der Kooperation mit Schmäh überzeugt und ergänzt, dass nach Fertigstellung der Wohnungen im denkmalgeschützten „Roth-Areal“ weitere 1.300 Quadratmeter Wohnfläche direkt nebenan, am Aach-Ufer geschaffen würden. Insgesamt entstünden 15 Wohnungen und sechs Doppelhaushälften. Die Neubauten würden in klimaneutraler Holzbauweise und dem höchsten Energiestandard KFW 40 plus errichtet und orientierten sich in puncto Materialien und Ausführung an den bestehenden Denkmälern. Das gesamte Areal werde naturverträglich in Stadt und Landschaft eingebettet und für die Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar gemacht werden.

Auch Kirchen und Kapellen öffnen ihre Türen

Sakralbauten bergen oft eins ganzes Füllhorn von Kunstdenkmälern, denn nicht nur die Kirche selbst als historisches Bauwerk ist schützenswert, sondern meist auch die Grablegen, sowie die Werke der Bildhauerkunst und der Malerei. Aus diesem Grund dauern die Führungen in der Katholischen Stadtkirche Mariä Himmelfahrt in Engen auch mindestens eine Stunde.

Doch die Historikerin Dunja Harenberg macht das souverän, obwohl auch sie, inzwischen ist es 16.30 Uhr, nach der geschätzten fünften oder sechsten Führung zwischendurch mal etwas durchschnaufen muss. Sie erzählt, dass die Kirche in der Romanik entstanden sei, einer den römischen Baumeistern nachempfundenen Baukunst mit monumentalen Wänden und Säulen. Am mächtigen, massiven Portal, über dem sich der Baumeister verewigt habe, sei dies noch gut zu erkennen.

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Im Jahr 1442, so steht auf dem Rundbogen hin zum Altarraum, wurde die Kirche im gotischen Stil umgebaut. Doch die Spitzbögen, die für diesen Baustil typisch sind, wurden bei der nächsten Veränderung hin zum aus heutiger Sicht schwülstigen Barockstil größtenteils wieder abgerundet. Auch das verspielte Rokoko hinterließ seine Spuren in der Kirche, ebenso die Umbauten zum Historismus im 19. Jahrhundert.

Die Säulen hinter dem Altar samt den anderen zum Ensemble gehörenden Ausschmückungen wurden 1908 im Stil des Neubarock gestaltet, wobei der Altar selbst rund 100 Jahre älter ist. Dabei drängte sich für den Besucher zwangsläufig die Frage auf: „Welche kirchenbauliche Epoche ist in der schönen Engener Kirche eigentlich nicht vertreten?“

Sehr interessant waren die Ausführungen der Historikerin Dunja Harenberg zur alten St. Martinkirche, die im 7. Jahrhundert entstanden und im 19. Jahrhundert bis auf das Fundament in einer scheinbar für den Denkmalschutz sehr unsensiblen Zeit wieder abgetragen worden sei. Auch ein Friedhof gehöre dazu. Der Standort sei zwischen den beiden Kreisverkehren an der Hegaustraße, auf dem Gelände, auf dem das Gebäude steht, indem der kik-Markt untergebracht sei. Wer also dort einkauft, bewegt sich auf einem 1400 Jahre altem Kirchengelände.