Der Hegau trifft sich Fasnetmäntig in Gottmadingen. Denn da kommt morgens die närrische und politische Prominenz traditionell zum närrischen Frühschoppen in der Eichendorffhalle zusammen. Und so freute sich die Gerstensack-Zunft, nach der Corona-Zwangspause wieder viele, gut gelaunte Narren empfangen zu können. Nach zwei Jahren Pause hätte man meinen können, die Gerstensäcke und ihre Gäste müssten sich erst ein bisschen warm laufen. Aber dem war nicht so.

Sie schöpften aus dem Vollen, schwangen manch‘ scharfzüngige Rede und konnten auch mit selbst geschriebenem Liedgut überzeugen. Und zum Glück gibt es musikalische Prominenz im Hegau, die das Programm bereicherte, und eine gut aufgestellte Gerstensack-Bigband unter der Leitung von Markus Augenstein, die für Stimmung sorgte.

Der Pfiffikus unterwandert die Fasnacht
Zermonienmeister und Moderator Christoph Graf gab das Motto der Fasnacht aus: „Allen wohl und niemand weh, wenn das alle machen, isch die Fasnet schee.“ Ausgeteilt wurde trotzdem kräftig. Pfiffikus-Vorstand Kathrin Graf auf Hilzingen, deren Zunft sich in diesem Jahr vorstellen durfte, machte den Anfang.
Kathrin Graf erklärte nicht nur die Figuren der Zunft Pfiffikus, Esel, Hansele, Narrenpolizist und Zwinghofbure, sondern enthüllte auch, dass es in der Vergangenheit nur vordergründig ruhig um die Hilzinger Zunft gewesen sei. Sie habe nämlich eifrig und heimlich daran gewirkt, die Hegauer Fasnacht zu unterwandern. „Auf dem Geldsack der Gerstensäcke hockt zum Beispiel ein Hilzinger“, wusste die Zunftmeisterin.
Natürlich bekam die Prominenz auf der Bühne vom Gerstensack jeweils ein Gastgeschenk. Die Poppele-Zunft erhielt ein Fässle durchsichtiges, alkoholfreies „Bier“, weil sie bekannt dafür ist, beim Frühschoppen nur Unmengen von Mineralwasser zu konsumieren. Zunftmeister Stephan Glunk sang zum Dank ein Loblied auf die App: „Eine App ist stets bereit – sie spart Dir ganz viel Zeit“. Er empfahl dem Landrat eine Klinik-App, die es garantiert allen recht machen würde.
Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger bekam ein Stück Zaun als Beitrag zur 70.000 Euro teuren Umzäunung des Schulsportplatzes von der Zunft, damit nachmittags da bloß keine Kinder spielen. Der Bau des Zauns sei nicht auf seinem Mist gewachsen, sondern lärmempfindlichen Nachbarn zu verdanken, verteidigte sich Klinger.
Der Bürgermeister hatte dann auch ein Geschenk für den Hausarzt Graf: „Mir alle hond so richtig Bammel, es herrschet vor der Ärztemangel! Rote Liste, die sind rar, schützt das letzte Exemplar.“ Graf bekam Arzt-Viagra, damit er auch mit 110 Jahren noch praktizieren könne.
Holger Mayer bekommt noch schönere Haare
Die gegelte Haarpracht des Hilzinger Bürgermeisters Holger Mayer geriet ebenfalls ins Visier der Gerstensäcke und er bekam eine schöne Elvis-Perücke, um Zeit vor dem Spiegel zu sparen. Mayer griff zum Dank in die Tasten seines Akkordeons und sang aus seinem Bürgermeisterleben.
Die zwei Rentner-Bürgermeister Heinz Brennenstuhl (Gailingen) und Hans-Peter Lehmann (Mühlhausen-Ehingen) und Ex-Gemeinderat Georg Ruf (Gottmadingen) durften von ihrem Seniorendasein berichten. HP Lehmann erzählte dabei von den Vorteilen, als Rentner eine berufstätige Ehefrau und selbst Freizeit zu haben. Brennenstuhl erklärte, mehr Arbeit zu haben als je zuvor, weil seine Frau ihn permanent beschäftige.
CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung bekam ein dickes Kissen für den Hintern, damit er es auf der harten Oppositionsbank weich habe. Jung konnte, zur Freude des närrischen Publikums wortgewandt wie eh und je, noch andere Verwendungsmöglichkeiten dafür ausmachen: Ins Kissen weinen oder aus Ärger über die Ampelregierung hineinbeißen.
Andreas Jung ist in der Opposition zum Weinen zumute
Die Regierung verbiete alles, was Spaß mache. Einzig beim Thema Legalisierung von Cannabis sei er anderer Meinung: „Legalize it nit!“ Er rief einen schwarzen Chor, bestehend aus einer Handvoll aufrechter CDU-ler, auf die Bühne. Begleitet am Akkordeon von Holger Mayer sangen sie den Oppositionssong: „Mir sin dagege, bis die Ampel explodiert.“
Die Narren haben die Fasnacht schmerzlich vermisst, das wurde in Gottmadingen mehr als deutlich. Und sogar Bürgermeister Klinger sehnte sich in den Corona-Jahren nach der Narrenschelte: „Ach, wie war ich angepisst, ich habe Euch so sehr vermisst!“