Ulrich Ruth ist sauer. Denn er war vor zwei Wochen als Zeuge am Amtsgericht Singen geladen, kam aber nicht rein. Der Grund: Er wollte keinen Mund-Nasen-Schutz tragen. Dabei kann er nach eigenen Angaben ein Attest vorweisen, das ihn von der Maskenpflicht befreit. Was Ulrich Ruth besonders ärgert, ist der Umgang des Justizmitarbeiters. „Der Sicherheitsmann ist mich rüde angegangen und hat nur gesagt, ich solle eine Maske aufsetzen.“ Sein Attest habe den Mann gar nicht interessiert. Stattdessen habe er den geladenen Zeugen rausgeschmissen, sodass dieser nicht als Betrugsopfer aussagen konnte. Amtsgerichtsdirektor Johannes Daun schildert den Fall etwas anders und betont, dass niemand ohne Maske einfach so ins Gerichtsgebäude spazieren darf – Attest hin oder her.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beschäftigt immer wieder die Gerichte. Auch das Amtsgericht Singen hat schon Fälle behandelt, wo eine Maske zu Konflikten führte. Jetzt geht es aber um das Gericht selbst. Denn nachdem es einen Tag zuvor zu einer Rangelei im Gericht gekommen sei, von der diese Zeitung auf Grundlage einer Polizeimitteilung berichtete, sieht Ulrich Ruth ein grundlegendes Problem: „Das scheint da täglich zu passieren.“

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In seinem Fall habe der Wachtmeister immer wieder auf das Hausrecht gepocht und ihn beim Rauswurf auch noch in die Ferse getreten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Ruth zuvor nicht sagen wollte, welche Krankheit er habe. Sein Attest habe er aber zeigen wollen, wie er versichert – auf das verweise er auch immer, sobald ihn jemand wegen seiner fehlenden Maske schief ansehe. Nach dem Rausschmiss habe er draußen gewartet und die verhandelnde Richterin telefonisch informiert, dass er nicht in den Saal kommen könne. Laut Johannes Daun habe auch der Wachtmeister die Richterin informiert.

„Auch in Zukunft werden die Justizwachtmeister konsequent überwachen, dass die Maskenpflicht beachtet wird. Unter keinen Umständen ...
„Auch in Zukunft werden die Justizwachtmeister konsequent überwachen, dass die Maskenpflicht beachtet wird. Unter keinen Umständen darf das Gericht eigenmächtig ohne medizinische Maske betreten werden.“ Johannes Daun, Direktor des Amtsgerichts | Bild: Tesche, Sabine

Dabei mache er im Alltag positive Erfahrungen mit seinem Attest, schildert Ulrich Ruth. Das Attest trage er in einem transparenten Umschlag mit sich, der an den Mantel geheftet werden kann. Diesen Umschlag habe er in einem Lebensmittelgeschäft erhalten, deshalb sei dessen Logo sichtbar. Doch über das Attest selbst sage das ja nichts aus, betont Ulrich Ruth. Denn das Attest habe er wegen gesundheitlicher Probleme vom Hausarzt extra zur Vorlage bei Polizeibehörden erhalten. „Einmal bin ich in einem Hotel angemault worden, dass ich eine Maske tragen soll. Aber die haben sich später bei mir entschuldigt. Und meistens fragen die Leute sehr freundlich“, schildert er.

Jener Umschlag mit dem Namen des Lebensmittelgeschäfts hat wohl unter anderem im Amtsgerichts-Gebäude irritiert. Johannes Daun verteidigt das Vorgehen des Justizwachtmeisters: Dieser habe zu Recht den Zeugen an die Maskenpflicht erinnert und dann dafür gesorgt, dass der Mann das Gebäude verlässt. „Auch in Zukunft werden die Justizwachtmeister konsequent überwachen, dass die Maskenpflicht beachtet wird. Unter keinen Umständen darf das Gericht eigenmächtig ohne medizinische Maske betreten werden“, erklärt Daun weiter. Das sei auch in einer entsprechenden Verfügung festgehalten, die online abrufbar sowie am Eingang des Gerichtsgebäudes zu lesen sei. Maskenpflicht gilt ebenso wie ein Abstand von 1,50 Metern in den öffentlich zugänglichen Gerichtsräumen. Im Sitzungssaal obliege es dem zuständigen Richter zu entscheiden, ob eine Maske getragen werden soll.

Wer von der Maskenpflicht befreit ist, sollte dies rechtzeitig mitteilen

Wer geltend machen wolle, aufgrund eines ärztlichen Attestes von der Maskenpflicht befreit zu sein, sei gut beraten, das rechtzeitig mitzuteilen. Nur dann könne das Attest auch überprüft werden. Ulrich Ruth hat davon im Vorfeld nichts gewusst, wie er versichert: „In der Ladung steht nichts von der Maskenpflicht“, auch vom Anmelden eines Attests sei nichts zu lesen. Dass ein Besucher wegen eines Attests keine Maske tragen möchte, kommt laut dem Amtsgerichtsdirektor äußerst selten vor. Entsprechend gebe es auch wenige Diskussionen – schätzungsweise ein- bis zweimal im Monat, so Daun. Bisher sei ihm aber auch kein Fall bekannt, dass jemand sich auf ein nicht tragfähiges ärztliches Attest berufen habe.

Johannes Daun sieht also einen Einzelfall, während der Zeuge auf ein grundlegendes Problem aufmerksam machen möchte: Wer keine Maske tragen wolle, habe nicht automatisch etwas Böses im Sinn. Deshalb möchte er auch mit dem Mann in Kontakt treten, der einen Tag vor ihm in Konflikt mit einem Wachtmeister geriet. Johannes Daun betont, warum so sehr auf die Maskenpflicht geachtet werde. Zu Beginn der Hausverfügung heiße es: „Sämtliche Angehörigen des Amtsgerichts sind sich und anderen gegenüber in der Verantwortung, dazu beizutragen, dass die Gefahr herabgesetzt wird, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.“ Das gelte auch für Zeugen und Besucher. Bleibt die Verhandlung, bei der Ulrich Ruth nicht aussagen konnte: Weil der Angeklagte ein Geständnis ablegte, habe die Richterin auch ohne Ruths Aussage ein Urteil fällen können.