Für so manchen Besucher der Singener Stadtbücherei war es zu einem kleinen Treffpunkt geworden. Zeitung lesen oder in Büchern schmökern in gemütlicher Atmosphäre und dabei einen Kaffee trinken oder eine Kleinigkeit essen – das war im Carifé seit rund zwölf Jahren möglich. Zum 15. November schließt dieses Angebot, in dem Mitarbeiterinnen mit einer Behinderung beschäftigt waren. Die Gründe dafür erfuhr der SÜDKURIER im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Caritasverbands Singen und Hegau, Wolfgang Heintschel, der Leiterin der Abteilung Kultur und Tourismus, Catharina Scheufele, sowie der Leiterin der Bibliotheken, Friederike Gerland.
Lara Büttner und Jennifer Kirchgäßner geben in den letzten Tagen weiterhin alles, um den Gästen einen leckeren Latte Macchiato oder andere Getränke zu servieren. Auch kleine Speisen waren im Angebot, wenn das Carifé geöffnet hatte. Auf der kleinen Karte mit dem Speisen- und Getränkeangebot war auch vermerkt, worum es bei dem Projekt geht. „Aber vor allem erleben Sie bei uns im Carifé, wie wärmend und bereichernd unser vielfältiges Menschsein ist. Inklusion gehört selbstverständlich dazu – täglich frisch gebrüht. Für unsere Gäste, für unsere Mitarbeitenden. Für ein wertvolles Miteinander.“
Im Carifé arbeiteten Menschen mit und ohne Assistenzbedarf Hand in Hand. So war es vor allem auch ein Lernort für die Mitarbeitenden. Hier wurden junge Erwachsene mit Assistenzbedarf unter Anleitung von Suzan Yilmaz pädagogisch unterstützt und erweiterten ihre persönlichen und fachlichen Kompetenzen als gute Vorbereitung für den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Gastronomie kann unter- und überfordern
Ein Grund, warum der Caritasverband und die Stadt Singen das Herzensprojekt nun einstellen, ist der Tatsache geschuldet, dass immer weniger Menschen mit Behinderung im Carifé die Chance ergreifen wollten, hier ihre Kompetenzen und beruflichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. ‚Gastronomie ist grundsätzlich ein toller Lernort für Menschen mit Behinderung‘, sagte Wolfgang Heintschel. Allerdings sei der Grat zwischen Unter- und Überforderung aufgrund von zu vielen oder zu wenig Gästen im Carifé ab und an gegeben gewesen.
Ein Arbeitsplatz für Behinderte, wie er im Hotel und Gasthaus Seehörnle in Gaienhofen-Horn angeboten wird, biete aufgrund des Hotelbetriebs mehr Lernfelder an. Eine Ausweitung der Arbeitsmöglichkeiten im Carifé sei aber aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich.
Man habe auch festgestellt, dass Menschen, die in der Behindertenwerkstätte Team Pirmin arbeiten, nicht so gern an einem Ort arbeiten möchten, wo es zeitweilig doch eher ruhig ist. Das Carifé, das zuletzt immer dienstags bis freitags von 10 bis 15.30 Uhr geöffnet war, sei für viele Behinderte mit Assistenzbedarf als Arbeitsort nicht in Frage gekommen. Mitarbeiterin Lara Büttner wird nun nach der Schließung im Team Pirmin arbeiten und ihre Kollegin Jennifer Kirchgäßner wieder in der Förderstätte St. Teresa. Die Mitarbeiterinnen des Carifé danken allen für die Unterstützung.
Auf der Suche nach neuen Sozialprojekten
Die Stadt hatte für das Projekt und den Umbau einiges investiert und dem Caritasverband den Raum ohne Pachtkosten überlassen. „Wir möchten hier auch weiterhin ein Café anbieten, vielleicht auch im Rahmen eines sozialen Projekts“, sagte Catharina Scheufele. Zunächst wird es allerdings nur einen Wassersprudelautomat geben und bald möglicherweise auch einen Kaffeeautomaten. Für neue Projekte sei man bei der Stadt offen.