Die Startbedingungen waren sicher nicht optimal: Statt dass hunderte Kunden im neu eröffneten Einkaufszentrum Cano ihre Weihnachtseinkäufe erledigen konnten, verzögerte sich erst die Eröffnung und dann kam der Lockdown. Auch ein Jahr nach der Eröffnung kämpfen die Händler mit Folgen der Corona-Pandemie. Für einige ist die Rechnung daher noch nicht aufgegangen, wie sie auf Nachfrage erklären. Dennoch sind viele Händler und Verantwortliche positiv und zuversichtlich: „Das Cano ist Glücksfall für Singen, den Einzelhandel und mein Geschäft“, sagt etwa Reiner Wöhrstein vom gleichnamigen Fotoladen.

Center-Leiterin Carolin Faustmann blickt auf ereignisreiche erste Monate zurück: „Wir hätten uns alle einen unbeschwerteren Start gewünscht. Angesichts der Umstände ist der Start aber positiv zu bewerten, wir sind sehr viel besser durch die Pandemie gekommen als zunächst befürchtet.“

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Corona-Regelungen sind ein Desaster fürs Weihnachtsgeschäft

Reiner Wöhrstein erinnert sich noch gut an Dezember 2020: „Das war ein echter KO-Schlag“, sagt er. Denn wenige Tage nach Eröffnung mussten die meisten Geschäfte im Cano wieder schließen. Für Monate. Auch aktuell leide der Handel unter den Einschränkungen. „Die laufend veränderten Verordnungen und nun 2G sind ein Desaster für unser Weihnachtsgeschäft und kosten sicher 30 Prozent vom Umsatz.“

Reiner Wöhrstein fotografiert seit einem Jahr im Cano und bezeichnet das Einkaufszentrum als Glücksfall.
Reiner Wöhrstein fotografiert seit einem Jahr im Cano und bezeichnet das Einkaufszentrum als Glücksfall. | Bild: Trautmann, Gudrun

Wöhrstein will sich aber nicht ausmalen, wie die Situation ohne das Einkaufszentrum wäre, denn das sei ein toller Anziehungspunkt. Er habe sich mit dem Standort deutlich verkleinert und das Konzept angepasst. Dass er damit mehr Kunden erreiche als am vorigen Standort an der östlichen August-Ruf-Straße, bestätige ihn in seiner Entscheidung.

Neuer Edeka-Standort muss sich noch etablieren

Auch Nadine Schulze und ihre Familie hatten bis vor einem Jahr ein Ladengeschäft am anderen Ende der Straße: Edeka Münchow gab den Stammsitz am Hans-Weber-Platz auf, um ins Cano zu ziehen. Noch habe sich das nicht gerechnet, erklärt sie offen. „Der Start war sehr holprig.“ Obwohl das Lebensmittelgeschäft nicht von Corona-Schließungen betroffen war, seien viele Kunden verunsichert und allgemein weniger los. Außerdem müsse sich der neue Standort erst etablieren. Zuletzt hätten sie aber mehr Zulauf erlebt, etwa am verkaufsoffenen Sonntag. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Schulze.

Besonders Samstags ist das Center laut Händlern gut besucht. Unter der Woche würden sie sich mehr Kunden wünschen.
Besonders Samstags ist das Center laut Händlern gut besucht. Unter der Woche würden sie sich mehr Kunden wünschen. | Bild: Arndt, Isabelle

Mit Blick in die Glaskugel wäre Gradmann nicht eingezogen

Sebastian Raetz als Geschäftsführer der Parfümerie Gradmann kann noch nicht sagen, ob sich der Einzug ins Center gelohnt hat. Mit einem Blick in die Glaskugel wäre ein neues Geschäft im Cano vermutlich nicht in Frage gekommen, wie er sagt, denn in der Scheffelstraße gebe es ja seit vielen Jahren eine erfolgreiche Filiale. Das soll auch so bleiben. Das Ziel, im Cano neue Kunden anzusprechen, hätten sie noch nicht befriedigend erfüllt.

Auch Kritiker seien inzwischen zufrieden, sagt Hans Wöhrle

Als es um den Bau des Cano ging, gab es auch Kritiker. Hans Wöhrle ist Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbands und schildert eine gespaltene Stadt: Die eine Hälfte der Händler sei für das Cano gewesen und die andere dagegen. Doch im Nachhinein seien viele Händler zufrieden. Seine persönliche Meinung ist: „Die Hoffnungen sind übertroffen worden. Die Einkaufsstadt Singen hat sich zum noch positiveren entwickelt.“

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Das sieht auch Claudia Kessler-Franzen als Geschäftsführerin des Standortmarketing-Vereins Singen aktiv so. Und nach dem langen Lockdown habe das Cano sehr dazu beigetragen, Lust auf einen Besuch der Innenstadt zu machen. Kritiker hätten den größten Feind des Handels damals noch nicht kennen können: Corona. Auch Online-Shopping habe einen negativen Einfluss. Aber: „Dank der vielen Neuerungen in der Innenstadt ist die große Krise in diesem Jahr im stationären Handel ausgeblieben. Darüber sind wir sehr froh.“

Mehr Kunden in der Stadt, aber Umsatz-Boost blieb noch aus

Alexander Kupprion von Sport Müller hat den direkten Vergleich, was das Einkaufszentrum für diejenigen ausmacht, die nicht eingezogen sind: In seinem Geschäft in Schwenningen sei die Kundenfrequenz noch schlechter. Doch auch in Singen könne man in Zeiten der Pandemie keine Wunder erwarten. „Der Cano-Boost blieb auf Umsatzseite noch aus“, sagt der Händler und Vorsitzende des City Rings. „Die Schweizer Kunden fehlen. Die fehlen dem Cano und uns.“ Doch Konkurrenz belebe das Geschäft und ein Einkaufszentrum ziehe mehr Menschen in die Stadt.

Alexander Kupprion ist Fillialleiter bei Sport Müller und Vorsitzender des City Ring.
Alexander Kupprion ist Fillialleiter bei Sport Müller und Vorsitzender des City Ring. | Bild: SK

Dann seien die Stärken der Händler gefragt, sie müssten müssten freundlich mit guter Beratung punkten. Denn Selbstservice könnten andere besser. Nicht zuletzt der Online-Handel habe den Markt kolossal verändert. Sport Müller habe schon vor zehn Jahren einen Online-Shop gestartet, der ihnen nun durch die Krise helfe. Doch im Einzelhandel laufe man keinen Sprint, sondern Marathon, so der Sportler.

Großstadt-Flair statt Bruchbude

Bei einem sind sich alle Gesprächspartner einig: Optisch hat Singen deutlich gewonnen. „Früher ist man aus dem Zug gestiegen und hat erstmal eine Bruchbude gesehen“, sagt Alexander Kupprion deutlich.

Im Juni 2018 sah die Bahnhofstraße noch so aus: Mit Holzer-Bau und Baustelle, aber ohne Cano.
Im Juni 2018 sah die Bahnhofstraße noch so aus: Mit Holzer-Bau und Baustelle, aber ohne Cano. | Bild: Tesche, Sabine

Nun habe die Stadt ein großstädtisches Ambiente erreicht. „Die Infrastruktur ist hervorragend für eine Einkaufsstadt.“ Das findet auch Carolin Faustmann: „Wir glauben weiterhin an die überregionale Strahlkraft von Singen sowohl auf der deutschen als auch auf der Schweizer Seite.“ Singen als Einkaufsstadt sei ein starker, zukunftsfähiger Standort mit einer optimalen Anbindung.

Es weihnachtet im Singener Cano.
Es weihnachtet im Singener Cano. | Bild: Arndt, Isabelle

Eine Hoffnung hat die Center-Managerin für die nächste Zeit: „Wir hoffen alle, dass wir diesmal den Lockdown für den Handel vermeiden können.“ Denn der Handel sei weder Infektionstreiber noch ein relevanter Infektionsort. Das erste richtige Weihnachtsgeschäft soll hoffentlich 2022, zwei Jahre nach Eröffnung, möglich sein.

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