Viele Jahre hat es gedauert, bis das Einkaufszentrum Cano in Singens Innenstadt seine Gestalt angenommen hat. Das jetzige Aussehen hat das Gebäude vielen Menschen zu verdanken. Zwei davon sind Werner Wohlleber und Thomas Mügge, die im projektbezogenen Gestaltungsbeirat mitgewirkt haben. Wohlleber ist freier Architekt aus Rottweil, Mügge ist Leiter des Fachbereichs Bauen der Stadt Singen und hat als Architekt ebenfalls ein geschultes Auge. Mehr als 300 Tage nach der offiziellen Eröffnung wurden die Bauarbeiten schließlich Ende Oktober abgeschlossen, wie Mügge erzählt. Bei einem Rundgang wird klar, worauf die Architekten geachtet haben – und warum so ein Beirat künftig öfter in Singen zum Einsatz kommen soll.

So ein riesiges Projekt kommt in einer Stadt selten vor: Statt des alten Holzer-Baus wird ein deutlich größeres Einkaufscenter gebaut. Ein zentraler Bereich der Innenstadt wandelt sein Gesicht. Deshalb sei es so wichtig gewesen, diesen Prozess gut zu begleiten, erklärt Thomas Mügge, zumal es keinen Architektenwettbewerb gegeben habe. Deshalb habe man erstmals einen projektbezogenen Gestaltungsbeirat eingerichtet. Dessen Anregungen seien zwar nicht verbindlich, wie Werner Wohlleber erklärt. Aber dadurch, dass die Stadt Singen die Planungshoheit habe, konnte sie das Vorgehen dennoch lenken, sagt Mügge.

Auch Abstände zu Nachbarhäusern waren ein Thema des Gestaltungsbeirats.
Auch Abstände zu Nachbarhäusern waren ein Thema des Gestaltungsbeirats. | Bild: Tesche, Sabine

Aber ist das Cano mit seinen grauen Platten nicht ziemlich dunkel geraten? Das mag sein, sagt Wohlleber, doch dadurch nehme sich das Gebäude optisch zurück. „Ich finde das sehr vornehm, es sieht hochwertig aus“, ergänzt Thomas Mügge. So wirke das Gebäude auch schlanker, als wenn es beispielsweise in hellem Beton gebaut worden wäre. Dank der wenigen Materialien Beton, Glas und goldenem Metallnetz, würde es langfristig wertig wirken. Allerdings habe die ausgefallene Fassade zu Verzögerungen führt: Wegen der Corona-Pandemie habe die Produktion in Österreich teils komplett stillgestanden. Und weil es viele verschiedene Elemente gebe, dauere es etwa nach einer Beschädigung lange, bis Ersatz ankomme. Erst im Oktober fand die letzte Platte ihren Platz.

Das könnte Sie auch interessieren

Das erste Treffen des Beirats fand im März 2015 statt

Wohlleber erinnert sich an die erste Beirats-Sitzung im März 2015. Damals sei noch nicht klar gewesen, wie das Ergebnis aussehen würde. Als Architekt habe er zwar immer gute Beispiele im Kopf, doch einen fertigen Plan des künftigen Cano habe es im Beirat nicht gegeben. Das entspreche auch nicht ihrer Rolle: „Wir dürfen da nichts entwerfen, das ist deren Aufgabe. Wir haben nur gesagt, was wir sehen wollen“, betont Wohlleber. Der Bauherr ECE habe viele Varianten vorgestellt, gemeinsam habe man um eine gute Lösung gerungen. Dem projektbezogenen Gestaltungsbeirat sei besonders die Fassade wichtig gewesen. Statt einer einzigen flächigen Wand sollte man auf mehrere Etagen blicken, die von vielen Streben gegliedert werden, erklärt Wohlleber die Vorstellungen des Beirats. Außerdem hätten sie viele Ein- und Ausgänge angeregt. „Früher war alles zu, aber heute will man auch Tageslicht und mal raus sehen. Da hat auch ein Umdenken stattgefunden“, sagt Wohlleber.

Das könnte Sie auch interessieren

Bis Baubeginn habe es regelmäßig Gespräche zum Aussehen des Cano gegeben – anfangs etwa vier Sitzungen pro Jahr, am Ende seien es dann immer mehr geworden. Nach der Musterfassade sei es aber nur noch um Details gegangen. Wie findet der erfahrene Architekt nun das Ergebnis? Es gefalle ihm gut. Seine liebste Ecke sei am Müller-Eingang, wenn der Blick auf die Cano-Fassade und das Café Hanser falle. Das Projekt sei geglückt – auch weil die Bauherren eine gute Leistung abliefern wollten, so der Architekt. Wie auch Thomas Mügge lobt er das produktive Arbeiten mit der ECE. „Es war ein riesiger, auch finanzieller Aufwand“, sagt Wohlleber mit Blick etwa auf das Zollgebäude.

Kosten waren für den Beirat aber kein Thema: „Wir haben ein paar Mal zum Ausdruck gebracht, dass es uns nicht interessiert, was es kostet. Uns ging es ums Optimum für die Stadt.“ Auf Nachfrage schätzt er, dass die Fassade sicher zehn Prozent der Kosten des 165-Millionen-Euro-Bauprojekts ausgemacht habe. Doch in einigen Punkten müsse man Rücksicht nehmen: Es sei klar, dass ein Einkaufszentrum eine möglichst große Fläche nutzen wolle. Und es sei auch klar, dass gewisse Flächen flexibel bleiben sollten, damit bei einem Mieterwechsel auch Veränderungen möglich sind. „Die Fassade soll alles ermöglichen“, erklärt Thomas Mügge. Um das Innenleben habe sich die ECE gekümmert.

Das könnte Sie auch interessieren

Nach einem etwa einstündigen Rundgang rund ums Gebäude sind Hände und Nasen ganz kalt, aber die beiden Männer sprechen unverändert angetan über die städtebauliche Veränderung in Singen. Auch der Bahnhofsvorplatz hat gewandelt, auch beim neuen Busbahnhof war der projektbezogene Gestaltungsbeirat involviert. „Da musste was Großes hin“, fand Werner Wohlleber, deshalb habe er sich für ein großes Dach ausgesprochen. Der Architekt findet es spannend, solche Projekte zu begleiten. „Man lernt Städte ganz anders kennen.“ Singen wird er in den nächsten Monaten noch besser kennenlernen, denn er ist Mitglied des neuen Gestaltungsbeirats (siehe Text unten).