Herr Jung, Sie bieten mit Einzel-, Paarberatung, wie auch Familien- und Gruppenberatung ein großes Leistungsspektrum. Wo liegen die Schwerpunkte in Ihrer Beratungsstelle, wer kommt zu Ihnen?

Vorwiegend suchen uns Menschen mit Problemen in der Partnerschaft auf – sowohl Paare, wie auch Einzelpersonen. Zur Familienberatung muss ich dazusagen, dass sie nicht die Erziehungsberatung beinhaltet, dafür gibt es andere Institutionen. Daher würde ich es eher Generationenberatung nennen. Das sind Familien, in denen es unter erwachsenen Geschwistern Probleme gibt, beispielsweise wenn sie gemeinsam einen Betrieb führen, oder es kommen Eltern mit ihren erwachsenen Kindern. Darüber hinaus sind wir auch Anlaufstelle für Menschen mit Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Die werden in der Regel von ihrem Hausarzt zu uns geschickt, weil wir schneller einen Termin anbieten können, als Kolleginnen und Kollegen mit eigener Praxis.

Bei den meisten Psychologen wartet man oft Monate auf einen Termin. Wie lange ist die Wartezeit bei Ihnen?

Wir versuchen einen Termin innerhalb von zwei bis vier Wochen zu ermöglichen, das hängt davon ab, wie zeitlich flexibel Hilfesuchende sind.

Warum kommen denn Menschen mit Ängsten oder Depressionen zu Ihnen, denn hierfür würde doch die gesetzliche Krankenkasse zahlen?

Das hat mehrere Gründe. Erstens, wie angesprochen, können wir schneller Termine anbieten und zweitens ist die Hemmschwelle oft niedriger. Manche möchten nicht, dass diese Erkrankung in der Krankenakte vermerkt ist, denn sie wissen nicht, was mit diesen Daten geschieht. Sie möchten anonym bleiben und das ist bei uns gewährt.

Paartherapien werden von keiner Krankenkasse übernommen und es gibt nur wenige Therapeuten, die das überhaupt fachlich versiert und mit Erfahrung anbieten. Braucht es dafür eine gesonderte Ausbildung?

In unserem Berater-Team sind acht Frauen und zwei Männer, die meisten von ihnen sind Diplom-Psychologen oder haben ein abgeschlossenes Masterstudium für Partner- und Eheberatung.

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Was ist die größte Herausforderung?

Besonders herausfordernd wird es, wenn wir wirklich „hochstrittige Paare“ haben, wenn sie beispielsweise in einem laufenden Scheidungsverfahren vom Richter geschickt werden, weil er weder dem einen, noch dem anderen in seinem Urteil gerecht werden kann. Dann versucht man über uns eine Lösung „am grünen Tisch“ zu finden. Und ja, das ist eine diffizile Arbeit, die manchmal gelingt, manchmal verweisen wir die Paare jedoch auch wieder zurück an das Gericht.

Was sind die häufigsten Fragen und Probleme Ihrer Klienten?

Es geht um partnerschaftliche Probleme, vorwiegend bei heterosexuellen, aber auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren. Gut ein Drittel kommt zu uns, weil es um eine Trennung oder Scheidung geht und der Frage: Wie können wir uns konstruktiv trennen, gerade mit Hinblick auf die Kinder? Dafür bieten wir auch Mediation an.

Mitarbeiter der Beratungsstelle treffen sich standortübergreifend zum Austausch. Dabei geht es auch um fachliche Information, aber die ...
Mitarbeiter der Beratungsstelle treffen sich standortübergreifend zum Austausch. Dabei geht es auch um fachliche Information, aber die Geselligkeit kommt nicht zu kurz. | Bild: Gabriele Kohle

Wie gehen Sie vor?

Zunächst geht es erst einmal darum, die Paarebene von der Elternebene zu trennen, denn die Gefahr ist groß, dass ein konstruktives Gespräch nicht möglich ist, weil ungelöste Paarthemen immer wieder auf die Elternebene „rutschen“. Dass die Vergangenheit schwierig war und zum Trennungswunsch geführt hat, können wir in einer Mediation nicht aufarbeiten. Daher betrachten wir bei diesen Gesprächen immer vordergründig die Zukunft und versuchen Lösungen zu finden. Außerdem ist es unumgänglich, dass sich die Eltern vor einander alles offenlegen, sich vertrauen, dann gelingt die Mediation gut und wir können eine Menge bewirken.

Wie oft besteht bei Paaren der Wunsch, die Beziehung „zu retten“?

Dieser Wunsch besteht deutlich weniger. Schwierig wird es dann, wenn sich der eine Partner trennen möchte, der andere an der Beziehung festhält.

Kann es sein, dass Paare in einem solchen Fall eben genau Sie aufsuchen, weil sie sich von einer Einrichtung der katholischen Kirche Unterstützung erhoffen, dass die Ehe nach christlichen Regeln fortgeführt wird?

Das gibt es in der Tat. Oft werden wir auch von Muslimen um Hilfe gebeten, die noch traditioneller verwurzelt sind und einseitig auf den Fortbestand der Ehe bestehen. Solange die Partner sich nicht einig sind, ist der Auftrag für uns nicht klar definiert und es ist schwierig, zu helfen. Wenn sich Paare einigen, die Beziehung weiterzuführen, dann benötigt es meistens zunächst eine neue Kommunikationsebene, mit Grundregeln wie einem freundlichen, wertschätzenden Umgang, sich ausreden zu lassen, lösungsorientiert zu denken und zu handeln.

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Kann jeder Ihre Beratung in Anspruch nehmen?

Ja, und es kommen einige, die aus der Kirche ausgetreten sind, die aber bei uns auf einmal sehen, dass Kirchensteuer auch durchaus sinnvoll und gut angelegt ist. Das versöhnt sie dann manchmal mit der katholischen Kirche.

Wie finanziert sich Ihre Beratungsstelle und was kostet die Beratung bei Ihnen?

Zu 80 Prozent werden die Kosten von der katholischen Kirche, von der Erzdiözese Freiburg getragen. Beteiligt sind auch die Kirchengemeinden Singen, Konstanz und Überlingen, Städte, in denen wir mit Beratungsstellen vertreten sind. Etwa 5 Prozent finanzieren die Kommunen. 15 Prozent der Kosten tragen die Klienten.

Was bezahlen die Klienten konkret bei Ihnen?

Das ist einkommensabhängig und beträgt ein bis zwei Prozent des Nettoeinkommens. Bis vor 15 Jahren konnten wir unsere Leistung noch kostenlos anbieten. Die finanzielle Beteiligung trägt aber letztendlich auch dazu bei, dass unsere Beratungsstelle gut ausgestattet ist und wir hoch qualifizierte Kräfte haben.

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Über welchen Zeitraum erstreckt sich eine Beratung in der Regel?

Rein statistisch sind es etwa vier bis fünf Sitzungen, wir haben jedoch auch Paare, die weitermachen wollen und die über Jahre immer mal wieder kommen.

Holen Sie noch andere Institutionen mit ins Boot?

Ja, in Einzelfällen schon. Wenn es um schwere Depressionen geht, ist es oft sinnvoll einen Psychiater mit ins Boot zu holen, um zu klären, ob es sinnvoll ist, auch medikamentös zu behandeln. Oder wenn sich in einer Beratung herausstellt, dass jemand ein Suchtproblem hat, dann verweisen wir zusätzlich an die Suchtberatungsstellen, die extra dafür ausgebildet sind und über ein tolles Knowhow verfügen.