Wer mit Julius Hatt spricht, sollte auf seine Kappe achten: Ist das Schild der Mütze auf dem Kopf nach vorne gerichtet, ist er ansprechbar. Wenn es nach hinten zeigt, ist er in die Arbeit vertieft. Dann sitzt er vor dem Computer und klickt sich durch die Bilder, die er zuvor aufgenommen hat.
Sie zeigen Stars wie die britische Band Muse, den britisch-norwegischen DJ Alan Walker oder die deutschen Musiker von Deichkind. Die Bilder von Julius Hatt sind aber nicht die eines normalen Festival-Gastes: Er darf ganz nah ran und schießt dabei besonders eindrückliche Bilder.
Denn der 29-Jährige ist Fotograf und bei Festivals wie dem Openair St. Gallen oder Stars in Town in Schaffhausen für das Fototeam verantwortlich.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Wie er es dahin geschafft hat? Julius Hatt muss nur kurz überlegen. „Ich habe ein Gespür dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Dabei dränge er sich selbst nicht in den Mittelpunkt, sondern beobachte von außen und überzeuge dann mit dem Ergebnis: seinen Bildern.
„So war es auch bei Joris.“ Joris, das ist der Liedermacher, der 2015 mit „Herz über Kopf“ die Charts stürmte und 2018 bei Stars in Town auftrat. Joris ist auch der Künstler, den Julius Hatt auf Tour begleiten durfte, nachdem er ein überragendes Bild von ihm in Schaffhausen aufnahm.

Wortwörtlich überragend, denn es zeigt Joris mitten in einem Sprung. „Ich habe gemerkt, dass es was Besonderes ist, und habe es direkt online gepostet und Joris verlinkt. 30 Minuten später habe ich einen Anruf bekommen, dass ich hinter die Bühne soll. Ich dachte schon, es hätte sich jemand beschwert“, sagt der 29-Jährige.
„Ich bin oft der einzige, der da fotografieren darf“
Stattdessen hätte ihn das Joris-Team gefeiert, es wurden Nummern ausgetauscht. Nach zwei weiteren Begegnungen war klar: Julius Hatt darf mit in den Tourbus. „Backstage sind immer die heiligen Hallen, wo Künstler sich mal entspannen können. Ich bin oft der einzige, der da fotografieren darf. Da gehört auch viel Vertrauen dazu.“
Deshalb zeigt der 29-Jährige auch keine Bilder, die das Tourleben hinter den Kulissen zeigen. Er erzählt nur, dass das Team nach einer Show ziemlich aufgedreht sei. Und dass die 18 bis 20 Menschen bei so einer Tour wie eine kleine Familie sind.

Ob es daran liegt, dass er auch trotz Corona-Einschränkungen mit auf Tour durfte? „Ich hatte Glück, dass Joris dafür gekämpft hat, dass ich trotz Grenzschließungen dabei sein konnte. Das ging über Konsulate und war ein langer Prozess“, sagt Julius Hatt.
Anschließend konnte er wieder vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen das Tourleben dokumentieren. „Da hat man wenig Schlaf, denn es ist ständig was los.“ Es sei schön, aber auch anstrengend, sagt der Fotograf. Schön anstrengend. Seine tatsächliche Familie und Freunde kommen in solchen Zeiten zu kurz, sagt er, doch die würden ihn unterstützen.
Stolpersteine auf dem Weg zum Studium
Einen Kampf fochten Joris und dessen Team für ihn, doch auch der Fotograf selbst musste sich einige Male durchkämpfen. Etwa beim Studium sei nicht gleich alles glatt gelaufen: Bei der ersten Bewerbung wurde er nicht genommen, stattdessen sei ihm ein Vorstudium empfohlen worden – das ging sechs Monate in Vollzeit. „Ich habe mir den Arsch aufgerissen und in der Zeit alles mit Bravour bestanden“, erinnert er sich heute.
Dass Großveranstaltungen sein Schwerpunkt sind und die Konzertfotografie sei Markenzeichen, sei gewissermaßen den Eltern zu verdanken: Als er nach einer Tennisverletzung einen Ausgleich suchte, hätten ihn die Modemagazine seiner Mutter inspiriert. Der Vater zog dann mit ihm los, um Kontakte zu örtlichen Fotografen zu knüpfen.

Mit Erfolg, er fand mit Gerry Ebner einen Mentor – und das ist nicht irgendwer, sondern einer der renommiertesten Schweizer Fotografen, der schon Weltstars wie Al Gore oder Boris Becker vor der Linse hatte. „Er hat mir alles beigebracht, wie man mit Menschen und Models kommuniziert“, sagt Hatt über Ebner.
Wenn es um Musik geht, ist er oldschool
Bei seiner Arbeit hat der 29-Jährige einige Prinzipien: „Mir kommt es nicht darauf an, was für eine Musik jemand macht, sondern ich will eine Beziehung zum Künstler aufbauen. Dafür höre ich die Musik dann auch privat und kaufe das Album. Ich habe eine riesige Musik- und DVD-Sammlung.“

Was er nicht habe: ein Abo für einen Musik-Streamingdienst. „Die Künstler erzählen mit ihrer Musik ja Geschichten und erschaffen eine Dramaturgie. Wer hört sich das noch so an, wie es eigentlich gedacht ist? Ohne Zufallsmodus? Ich bin so einer.“
Dass Stars in Town nahe seiner Heimat seine erste Wirkungsstätte wurde, sei übrigens Zufall gewesen: Er habe das Festival einfach angeschrieben, dass er gerne fotografieren würde. An seine Premiere erinnert er sich noch genau: Silbermond.

„Das ist das einzige Autogramm, das ich mir jemals geholt habe. Aber erst Jahre später.“ Zwei Jahre später sei er der Lead Fotograf geworden. Und nun wolle der ein oder andere Star auch ein Bild mit ihm, dem Fotografen, erzählt Julius Hatt.