Acht Verhandlungstage in Stuttgart mit acht Angeklagten, 15 Verteidigern, einem Schöffengericht mit drei Richtern und zwei Schöffen, mit einem Oberstaatsanwalt sowie vier Dolmetschern: Der Messerstecher-Prozess war zweifellos ein Mammutprozess. Mit den Urteilen, die sich zwischen Bewährungsstrafen und viereinhalb Jahren Haft bewegen, wurden den acht Männern auch die Kosten des Verfahrens auferlegt. Ein Leser aus Aach möchte wissen, was das eigentlich bedeutet und was alles dazu gehört. Verantwortliche von Polizei, Justiz und Klinikum antworten auf SÜDKURIER-Nachfrage.
Die Tat: Großeinsatz für die Polizei samt Fahndung
Innerhalb weniger Stunden sprach sich wie ein Lauffeuer herum, was am 14. Dezember 2020 am Friedrich-Ebert-Platz in Singen geschah. Acht Männer hatten drei Insassen eines Wagens attackiert. Hintergrund ist eine Auseinandersetzung zweier verfeindeter, syrischer Großfamilien. Zahlreiche Polizisten waren schon am Tattag im Einsatz. Für die Polizeiarbeit in einem Strafverfahren werden aber keine Kosten in Rechnung gestellt, wie Polizeisprecherin Tatjana Deggelmann erklärt. Sie betont: „Die Aufklärung einer Straftat ist die ureigensten Aufgabe der Polizei.“
Es gebe aber auch einige Leistungen, für die Betroffene bezahlen müssen. Als Beispiel nennt Deggelmann eine Übernachtung im Polizeirevier, nach der es auch für Essen und eventuelle Reinigungskosten eine Rechnung gibt.
Das Klinikum: Das Hauptopfer musste intensiv behandelt werden
Besonders das Hauptopfer Mizr A. wurde nach der Tat im Singener Klinikum behandelt, bis heute zeichnen Narben unter anderem sein Gesicht. Auch das Klinikum stellt seine Behandlungskosten aber nicht den Verursachern in Rechnung, wie Rainer Ott als Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) erklärt. Er ist für die Finanzen zuständig und weiß: „Vertragspartner für die Krankenhausbehandlung ist grundsätzlich der Patient.“
Wenn ein Patient gesetzlich krankenversichert sei, übernehme die Krankenversicherung die Kosten eines Krankenhausaufenthalts. So sei es im Sozialgesetzbuch vorgeschrieben. Sei dies nicht der Fall, rechne das Krankenhaus direkt mit dem Patienten oder einem anderen Kostenträger ab, beispielsweise einer privaten Krankenversicherung.
Auch für den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuz ist die Krankenversicherung des Patienten der Ansprechpartner, nicht ein möglicher Verursacher.
Die Verhandlung: Ein gesamter Gerichtsapparat reist nach Stuttgart
Die Täter mussten sich ab Mitte September vor dem Landgericht Konstanz verantworten. Aus Platz- und Sicherheitsgründen wurde allerdings in Stuttgart-Stammheim verhandelt. Auch die Reisekosten nach Stuttgart zählen nun zu dem, was den Angeklagten auferlegt wurde, wie Mirja Poenig als Sprecherin des Landgerichts erklärt. „Die Angeklagten wurden verurteilt, die Kosten des Verfahrens und ihre eigenen notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu bezahlen.“ Darunter fallen laut Poenig auch die Summen, die für das Gericht, für Zeugen, für Anwälte, Dolmetscher und eben auch die Reise fällig werden.
Die Rechnungen der Pflichtverteidiger würden von der Staatskasse vorgestreckt, die Wahlverteidiger allerdings müssen sich direkt an ihre Mandanten wenden.
Wie viel so ein Mammutprozess konkret kostet, nennt die Sprecherin nicht: Das könne noch nicht seriös beziffert werden. Das könne man erst sagen, wenn die jeweiligen Abrechnungen eingegangen seien.
Die Haft: Sieben von acht Verurteilten sitzen weiter im Gefängnis
Verurteilte müssen für ihre Unterbringung in der Haft grundsätzlich nichts bezahlen, erklärt Ellen Albeck als Leiterin der Justizvollzugsanstalt in Konstanz. Ein Hafttag koste in Baden-Württemberg derzeit etwa 149 Euro. In manchen Fällen werden Inhaftierte aber doch zur Kasse gebeten: „Die einzige Ausnahme ist, wenn der Strafgefangene ein regelmäßiges Einkommen hat und gleichzeitig der für Strafgefangene bis zum Eintritt des gesetzlichen Rentenalters geltenden Arbeitspflicht schuldhaft nicht nachkommt“, erklärt Albeck. Als regelmäßiges Einkommen gelte beispielsweise die Rente. Das hätten aber die allerwenigsten Inhaftierten. Außerdem würden dann für einen Einzelhaftraum nur etwa 435 Euro pro Monat in Rechnung gestellt – also weit weniger als die tatsächlichen Haftkosten.
Das Schmerzensgeld: Droht da keine Geldwäsche?
Die Verurteilten müssen nicht nur die Kosten des Verfahrens bezahlen, sondern auch Schmerzensgeld an die Opfer leisten. Hauptopfer Mizr A. soll insgesamt 24.000 Euro Schmerzensgeld erhalten, die beiden weiteren Opfer jeweils 6000 Euro. Beim Prozessfinale wechselten bereits 30.000 Euro in bar den Besitzer, nachdem die Familien auf dem Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude gesammelt hatten.
Fällt das eigentlich unter das Geldwäsche-Gesetz, wonach bei Summen über 10.000 Euro die Herkunft geprüft wird? „Wo das in bar übergebene Schmerzensgeld herkommt, ist dem Gericht nicht bekannt. Gerichte müssen das aber auch nicht prüfen“, erklärt Landgerichts-Sprecherin Mirja Poenig.
Zum Kreis der sogenannten Verpflichteten im Sinne des Geldwäschegesetzes zählen beispielsweise Geldinstitute.