Beim Rückblick mischen sich positive mit schmerzhaften Erinnerungen. Seine Zeit im Landtag sei eine gute, lehrreiche gewesen, sagt Hans-Peter Storz zehn Jahre nach seinem Einzug. 2011 holte er 23,4 Prozent der Stimmen für die SPD im Wahlkreis 57 Stockach/Singen – eine Sensation, wie er selbst sagt. Vor fünf Jahren dann die große Überraschung: Nicht mehr CDU und SPD, sondern Grüne und AfD erhielten einen Sitz in Stuttgart. Also konzentrierte sich der inzwischen 61 Jahre alte Pastoralreferent wieder auf den Unterricht. Doch fünf Jahre später blickt Hans-Peter Storz wieder von den Wahlplakaten zur Landtagswahl, er kandidiert ein drittes Mal.
Zwischen Unterricht, Wahlkampf und Familie
An diesem Tag kommt Hans-Peter Storz eben aus einem Gespräch mit Vertretern der Stockacher Stadtverwaltung, als er sich zu seiner Frau Sandra und Sohn Felix an den Esstisch setzt. Sandra Storz hat Kuchen aus dem Hospiz mitgebracht, wo sie arbeitet. Tochter Lena ist wegen ihres Studiums in Kempten, doch Felix Storz ist während der finalen Phase seiner Bachelorarbeit wieder häufiger im Elternhaus. Er hilft seinem Vater auch beim Wahlkampf, hängt Plakate auf und betreut Instagram. Noch kann der Religionslehrer seinen Schulalltag ganz gut mit dem Wahlkampf unter einen Hut bringen, wie er sagt. Doch er sieht schon kommen, dass er bald nur noch die Arbeitstasche im Flur abstellt und dann zum nächsten Termin eilt.
Storz hätte auch jemand anderem Platz gemacht, sagt er.
Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Wahl und es gilt in vielen Gesprächen, die Themen und Anliegen der Region zu beleuchten. „Es ist aber ein Wahlkampf mit angezogener Handbremse“, sagt Storz angesichts Pandemie-bedingter Einschränkungen. Seinen ersten Wahlkampf erlebte er 2009 für den Singener Gemeinderat. „Da guckt man noch mit großen Augen auf die Erfahrenen“, erinnert er sich schmunzelnd. Heute zählt er selbst zu dieser Gruppe. Dennoch habe er kurz überlegt, ob er nach der Niederlage 2016 nochmal antreten soll. Er hätte auch seinem Ersatzkandidaten Tim Strobel Platz gemacht, erklärt er, doch der sei mit seinen 24 Jahren noch im Studium beschäftigt. Nach kurzer Diskussion im Familienrat war klar: Hans-Peter Storz kandidiert ein drittes Mal.
Die SPD habe auch dann einen Platz, wenn die Umfragewerte leiden. Oder gerade dann?
Die Inhalte seiner Partei sollten weiter ihren Platz haben: Die SPD sei eine Volkspartei und stehe für Werte, Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, auch für Klima. Und ein Blick in die Geschichtsbücher zeige, dass die SPD immer Rückgrat gezeigt habe. Deshalb habe er nie die Idee gehabt, sich in einer anderen Partei zu engagieren, erklärt Hans-Peter Storz. Selbst wenn die Umfragewerte gelitten haben und der Wahlkreis 57 keine SPD-Hochburg ist. Der klassische Wähler ist für ihn nicht mehr nur der Arbeiter. „Für mich sind traditionelle SPD-Wähler auch Menschen der Mittel- und Oberschicht, die wissen, dass ohne das Soziale eine Gesellschaft auseinander bricht.“
Lehrer- und Klassenzimmer als Korrektiv: Da kommt man schnell auf den Boden der Tatsachen
Sein Motto: Das Wichtige jetzt. Storz konzentriert sich dabei auf fünf Themen: Ländlicher Raum (zum Beispiel solle Wohnen auf dem Land weiter lebenswert sein), Arbeit (Storz war wirtschaftspolitischer Sprecher), Wohnraum (eine eigene Wohnbaugenossenschaft des Landes gegen steigende Mieten), Klimaschutz (besserer Nahverkehr für weniger Autos auf den Straßen) und Bildung. Letzteres liegt nahe, beobachtet er doch als Religionslehrer an der Robert-Gerwig-Schule täglich, woran es hakt. „Es fehlen immer noch Geräte. Ein Viertel meiner Schüler arbeitet mit dem Handy.“
Auch als Abgeordneter habe er noch vier Stunden pro Woche unterrichtet – Anregungen im Lehrer- oder Klassenzimmer seien das beste Korrektiv, erzählt er lachend. Damit sei er Montagmorgens direkt auf dem Boden der Tatsachen gestartet.
Drei Themen dominieren den Wahlkampf bisher
Allerdings beobachtet Storz auch, dass momentan drei Themen die Debatten beherrschen: Corona, Impfen, vielleicht auch noch Bildung. „Kein Wunder, wenn alle nur beschäftigt sind, sich um einen Impftermin zu bemühen oder die Kinder beim Homeschooling zu betreuen.“ Dabei habe sich schon im ersten Lockdown gezeigt, wo es Nachholbedarf gibt: Da hätte man besser vorplanen können, findet er.
Vor fünf Jahren wurde er abgewatscht. Doch seitdem habe sich Einiges verändert
Eine persönliche Herausforderung für ihn war die Niederlage vor fünf Jahren, wie der 61-Jährige unumwunden zugibt. Das Ergebnis der SPD hatte sich nahezu halbiert, Storz nur noch 12,8 Prozent der Stimmen erhalten. „Wir wurden abgewatscht“, sagt er heute. Sie hätten es nicht geschafft, ihre Inhalte und Leistungen präsent zu machen. In diesem Wahlkampf mache er mit seinem Team alles mögliche, um die Menschen zu informieren – und wenn es digital ist.
Damals habe man auch noch nicht so recht gewusst, wie man mit der AfD umgehen soll, ergänzt seine Frau Sandra: Ignorieren? Konfrontieren? Viele Menschen hätten dann aus Protest ihr Kreuz nicht bei den sogenannten Altparteien gesetzt. „Doch das geht jetzt nicht mehr,“ sagt Sandra Storz, denn in den fünf Jahren im Landtag sei die Haltung der AfD deutlich geworden. „Die kennen immer nur Rückschritt und blicken nicht vorwärts“, sagt Storz.
Erfolg ist, wenn die Menschen zufrieden sind
Er will es anders machen: Wenn er sich politisch engagiere, dann immer zu 120 Prozent. „Mich hat damals schon ausgemacht, dass ich erreichbar war. Menschen konnten einfach in mein Büro in der Erzbergerstraße kommen und ich habe versucht, ihnen zu helfen.“ Woher er das nötige Fachwissen hat, um bei den verschiedensten Themen helfen zu können? Bei der Recherche helfen auch die Mitarbeiter, erklärt er mit einem Lachen. Mit fremden Federn schmücken will er sich nicht. Im Gegenteil: „Man hat ein, zwei, vielleicht auch drei Erfolge in so einer Legislaturperiode“, sagt er bescheiden. Bei ihm seien das vielleicht die neue Eisenbahnbrücke in Gottmadingen und die Gemeinschaftsschulen in Hilzingen und Mühlingen gewesen. „Als Erfolg sehe ich es aber eher, wenn Leute insgesamt zufrieden sind.“
Darüber nachdenken, dass er wieder scheitern könnte, will Hans-Peter Storz jedenfalls nicht: „Dann kann man es gleich lassen.“
Zur Person und zur SÜDKURIER-Serie zur Landtagswahl
Die Kandidaten: Neben Hans-Peter Storz stehen im Wahlkreis Singen/Stockach elf weitere Kandidaten zur Wahl. Franz Segbers für die Linke, für die Grünen Dorothea Wehinger, Bernhard Eisenhut (AfD), Tobias Herrmann für die CDU, Markus Bumiller für die FDP, für die ÖDP Michael Hinzen, für die PARTEI Philipp Weimer, Hans-Jörg Laufer für die Partei der Freien Wähler, Uli Reith für die Basis, Jörn Greszki für die KlimalisteBW und für W2020 Helmut Happe.
Zur Person: Hans-Peter Storz wurde am 21. Januar 1960 in Tuttlingen geboren und ist in Irndorf aufgewachsen. Nach dem Theologie- und Lateinstudium in Freiburg und München arbeitet er seit 1987 als Pastoralreferent für die Erzdiözese Freiburg. Als Lehrer ist er an der Robert-Gerwig-Schule in Singen tätig. Hans-Peter Storz sitzt für die SPD im Singener Gemeinderat und ist vielfach ehrenamtlich engagiert. Zu seinen Hobbies zählt das Kochen, entsprechend soll es auch eine kulinarische Online-Veranstaltung geben.
Die Wahl: Am Sonntag, 14. März, entscheiden die Wahlberechtigten über die Zusammensetzung des Landtags. Auf Grund der Corona-Pandemie und der damit erwartbaren Anzahl an Briefwählern wurde die Zahl der Wahllokale vielerorts reduziert. Man sollte daher genau darauf achten, in welchem Wahllokal man wählen kann. Die Wahlbenachrichtigung enthält zudem auf der Rückseite den vorgedruckten Briefwahlantrag, der ausgefüllt zurückgesandt werden kann. (sk)