Wer mit Ralf Derwing spricht, spürt dessen Begeisterung für die Ablachtalbahn. Derwing gehört zur Initiative Bodensee-S-Bahn (IBSB) und ist dort Experte für die Bahnstrecke, die Stockach mit Mengen im Donautal verbindet. Welche Möglichkeiten für die Fahrgäste in der derzeit kaum genutzten Strecke stecken, hat er für die IBSB zusammengestellt.
In dem Konzept geht es zunächst um bekannte Ideen, die auf der bestehenden Strecke umgesetzt werden könnten. Dazu gehören ein S-Bahn-artiger Nahverkehr zwischen Radolfzell und Mengen mit vielen Halten unterwegs, wofür Derwing von einer mittleren Auslastung ausgeht. Und eine überregionale Verbindung zwischen Basel und Ulm. Dabei plädiert Derwing stark für die überregionale Verbindung, die in früheren Studien nicht schlecht bewertet worden sei und als Ergänzung zum bestehenden Interregio-Express der Deutschen Bahn über Friedrichshafen verkehren könnte. Hier geht er von einer guten Auslastung aus. Zum einen wären mittelgroße Städte im Donautal angeschlossen, zum anderen sei Mengen ein günstiger Umsteigepunkt, etwa für die Zollernalbbahn Richtung Stuttgart.
Die Ablachtalbahn sei als internationale Verbindung geplant gewesen, erläutert Derwing. Nördlich von Schwackenreute seien die Kurvenradien groß und Züge könnten bei entsprechender Ertüchtigung schnell unterwegs sein. In seiner Projektion kommt Derwing auf eine Fahrzeit von Stockach nach Ulm von 86 Minuten – für das Auto weist der Routenplaner eine Fahrzeit von etwa 100 Minuten aus.
Zu den Planspielen gehört aber auch, die 1971 abgebaute Querverbindung von Krauchenwies nach Sigmaringen wieder zu errichten. Diese würde einen direkten Anschluss des Nahverkehrs an Sigmaringen und überregionale Verbindungen etwa nach Stuttgart ohne Umweg um Mengen ermöglichen. Durch die Umbauten in Stuttgart im Zusammenhang mit der Neubaustrecke nach Ulm könnte es sogar einen direkten Anschluss an den Stuttgarter Flughafen geben – "das wäre super interessant für die Region", so Derwing.
Wie realistisch ist es, dass solche Überlegungen auch umgesetzt werden? Entscheidend dürfte das Geld sein. Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz sagte kürzlich im Hauptausschuss des Stockacher Gemeinderats auf Nachfrage von Jürgen Kragler (CDU), dass für eine Wiederbelebung der Strecke durchaus handfeste Millionen vom Land kommen müssten. Und er wiederholte, dass der Ausbau ginge, wenn die Verkehrsprobleme auf der Bundesstraße 14 gelöst seien. Derwing sieht das ähnlich: "Die großen Investitionen können die Kommunen nicht stemmen, solche Summen müssten vom Land kommen." Und er kann Sorgen über Staus an Bahnübergängen nachvollziehen – zumal auch Lastwagen um künftig mautpflichtige Bundesstraßen herumfahren könnten. Doch er gibt zu bedenken: Wenn man Kreuzungen von Bahn und Straße entschärfen wolle, dürften Zuschüsse leichter zu bekommen sein, wenn es funktionierenden Bahnverkehr gebe. Konkurrenz zur Straße gelte es zu vermeiden.
Mit seinen Ideen war Derwing bislang bei den Bürgermeistern der an der Strecke liegenden Orte und drei Landtagsabgeordneten zu Gast. "Bis jetzt fanden es alle Gesprächspartner gut", sagt er. Und nach seiner Einschätzung dürfte auch das Land einem Vorhaben auf der Ablachtalbahn aufgeschlossen sein. In Stuttgart ist man offenbar aufmerksam geworden. Demnächst sei er im Landesverkehrsministerium zu Gast, um die Ideen der IBSB vorzustellen, berichtet Derwing.
Strecke und Initiative
Die Ablachtalbahn ist im Privatbesitz. Derzeit findet nur wenig Güterverkehr auf den Gleisen statt, in die das Land schon Millionen investiert hat. Offenbar soll die Strecke nun verkauft werden, wodurch sich die Möglichkeit ergäbe, dass die an der Linie liegenden Kommunen sie kaufen und weiterentwickeln. In der Initiative Bodensee-S-Bahn sind Verkehrsclubs rund um den Bodensee zusammengeschlossen. Die Initiative will grenzüberschreitende Verkehrsplanung fördern. (eph)