Unspektakulär sah auf den ersten Blick der Fall aus, der jüngst am Stockacher Amtsgericht verhandelt werden sollte. Ein junger Mann soll im vergangenen Sommer in einem Stockacher Ortsteil das Auto seiner Nachbarin mit einem Schlüssel zerkratzt haben, lautete die Anklage. Dabei soll ein Sachschaden von knapp 1400 Euro entstanden sein.
Streit mit den Nachbarn
Interessant wurde es dann aber schon als die Vorgeschichte vor Gericht aufgerollt wurde. Der Angeklagte berichtete, das Verhältnis zu den Nachbarn sei anfangs noch gut gewesen, irgendwann seien die lauten Fahrzeuge des 19-jährigen Hobby-Schraubers dann allerdings zum Streitpunkt geworden. Rechtsanwalt Björn Bilidt konnte Richterin Julia Elsner einen ganzen Packen mit Einstellungsverfügungen aus Anzeigen gegen seinen Mandanten übergeben, aus denen hervorging, dass die Nachbarn im Jahr 2020 eine Zeit lang täglich Anzeige erstattet hatten.
Die jüngste Anzeige stammt aber nicht von den Geschädigten selbst, sondern von einer 18-Jährigen, mit der der Angeklagte eine Zeit lang, eigenen Angaben zufolge bis kurz nach dem Vorfall, liiert war. Am Ende sei man in einem großen Streit auseinandergegangen. Als sie Ende Juli die Strafanzeige aufgab, berichtete sie dem zuständigen Polizeibeamten, sie habe gesehen und gehört, wie der Angeklagte das Auto im Vorbeigehen zerkratzt habe, als sie nachts gegen 1.45 Uhr die Wohnung verlassen hätten.
Der Angeklagte beteuert seine Unschuld
„Ich verstehe nicht, wie man mir sowas vorwerfen kann“, beteuerte der Angeklagte. Zwar habe es schon länger Probleme mit der betroffenen Familie gegeben, „aber so weit würde ich nie gehen“, sagte er. Als Zeugin geladen war auch die junge Frau, die Anzeige gestellt hatte. Für Stirnrunzeln bei Richterin und Verteidiger sorgte sie allerdings damit, dass sich ihre Aussagen in der Verhandlung von denen, die der Polizeibeamte bei der Vernehmung kurz nach dem Vorfall protokolliert hatte, abwichen.
So berichtete sie in der Verhandlung etwa, sie sei bei dem Vorfall einige Schritte vor dem Angeklagten gegangen und habe auf ihr Handy geschaut. Erst ein Geräusch habe sie stutzig gemacht. Sie sei dann zurück gelaufen und habe den Kratzer im Licht einer Straßenlaterne gesehen. Dabei will sie auch gesehen haben, wie der Angeklagte den Schlüssel wieder am Schlüsselbund befestigt habe.
Anschuldigung aus Rache?
Der Angeklagte indes hatte zuvor bereits angegeben, die besagte Straßenlaterne würde um 23.30 Uhr abgeschaltet. Am nächsten Tag sei die Zeugin eigenen Angaben zufolge nochmals zum Auto zurückgekehrt, um sich den Kratzer genauer anzusehen. Dabei habe sie die Autobesitzerin angesprochen.
Gefragt nach der persönlichen Beziehung zum Angeklagten berichtete die Zeugin, „wir waren ziemlich gute Freunde, fast wie Familie“, allerdings sei das Verhältnis im Nachgang zu diesem Ereignis in die Brüche gegangen. „Man hat sich gegenseitig viel vorgeworfen, und jeder wollte am Anderen Rache nehmen“, sagte sie. Ein Satz, der die Richterin aufmerken ließ. „Man könnte jetzt annehmen, dass man jemandem so eine Tat aus Rache anhängen will“, so Elsner.
Die Zeugin widerspricht
„Das ist aber nicht so“, widersprach die Zeugin und betonte: „Das wäre eine Nummer zu viel, wenn es um Sachbeschädigung von jemand anderem geht.“ Björn Bilidt konfrontierte die Zeugin anschließend mit einigen ihrer Aussagen, die ihm widersprüchlich schienen. Auch die Staatsanwältin betonte: „Sie müssen hier nur das sagen, woran Sie sich auch sicher erinnern können.“
Am Ende der Verhandlung blieben für das Gericht zu viele Fragen offen, um ein Urteil zu fällen. Die Richterin entschied deshalb, den Prozess zu unterbrechen und erst am 10. Januar fortzusetzen. „Ganz ehrlich, ich finde es schwierig. Hier steht Aussage gegen Aussage“, erklärte sie. Bis zum Fortsetzungstermin sollen nun noch weitere Beweise aufgenommen werden.
Gesetz und Gericht
- Paragraf 303: Im Strafgesetzbuch (StGB) beschäftigt sich Paragraf 303 mit dem Thema Sachbeschädigung. Dort heißt es im ersten Absatz: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Im zweiten Paragrafen steht: „Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert.“ Bereits der Versuch sei strafbar, so der dritte Absatz.
- Amtsgericht: Das Stockacher Amtsgericht befindet sich in einem historischen Gebäude in der Tuttlinger Straße. Der Gerichtsbezirk erstreckt sich neben Stockach auch auf Bodman-Ludwigshafen, Eigeltingen, Orsingen-Nenzingen, Mühlingen und Hohenfels, also die Verwaltungsgemeinschaft Stockach. Das Amtsgericht Stockach ist für Zivil- und Strafsachen zuständig. (sk)