Herr Stolz, Sie waren 30 Jahre lang Bürgermeister von Stockach, das ist eine lange Zeit. Nach ihrem Amtsvorgänger Franz Ziwey wurde eine Straße benannt. Wie fänden Sie es, wenn es irgendwann in Zukunft eine Rainer Stolz-Allee im Stockacher Straßenverzeichnis gäbe?
Das werden Andere entscheiden. Für mich ist das im Moment nichts, über das ich mir Gedanken mache.
Dann anders gefragt: Was soll von 30 Jahren Bürgermeister Rainer Stolz in Erinnerung bleiben?
Das Wissen darum, dass Stockach in unserer Region eine attraktive, moderne und starke Stadt ist und bleibt, und dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Auch im Ehrenamt und den Vereinen und in vielen anderen Bereichen, wo es darum geht, die Stadt weiterzubringen. Also die Botschaft, dass man etwas erreichen kann, wenn man zusammensteht. Das ist das, was ich mir wünsche, was von mir bleiben soll.

Apropos bleiben: Bleiben Sie selbst in Stockach oder ziehen Sie weg, wenn ihr neuer Lebensabschnitt im Januar beginnt?
Was die Zukunft bringt, weiß man ja nie, aber im Moment sieht es sehr danach aus, dass wir bleiben. Wir haben hier ein Reihenhäuschen gemietet und das ist gut so. Ich bin, wie Sie wissen, in vielerlei Hinsicht mit der Stadt verbunden und das möchte ich auch beibehalten.
Seit Anfang Januar ist bekannt, dass Sie zurücktreten werden. Wie lange haben Sie den Gedanken an den Rücktritt da schon mit sich herumgetragen?
Der Rücktritt ist gewissen medizinischen Resultaten geschuldet, die nahegelegt haben, dass ich mir überlegt habe, ob ich in den nächsten Jahren mit diesem Stresslevel weiterarbeiten kann und will. Am Ende habe ich über Weihnachten die Entscheidung getroffen, dass ich mir, wenn ich noch eine gesunde Zukunft haben will, mehr Zeit für mich selbst und meine Gesundheit nehmen muss. Dann war klar, dass ich das so in meinem Tätigkeitsfeld nicht machen kann.
Wie haben Sie das letzte Jahr im Amt erlebt und welche Gefühle haben Sie in dieser Zeit bewegt?
Ich muss sagen, dass sich das Jahr normal angefühlt hat. Ich bin sehr fokussiert auf das, was ich tue, und solange ich einen Auftrag habe mache ich meine Arbeit und bin auch nur darauf konzentriert. Natürlich ist es in den letzten Wochen, wo doch die ein oder andere Verabschiedung anstand, deutlicher geworden, dass der Abschied etwas ist, was Emotionen bei mir weckt. Aber das wird so richtig erst am 20. Dezember losgehen.
In den vergangenen 30 Jahren war es bei den Stockacher Bürgermeisterwahlen immer so, dass Ihr eigener Name auf dem Stimmzettel stand. Da ist es ihnen wahrscheinlich nicht besonders schwergefallen, ihr Kreuzchen zu machen. Wie war das in diesem Jahr?
Das ist mir auch diesmal ganz leichtgefallen. Für mich gab es keine Option. Andere sehen das anders, aber für mich war es eindeutig und das Kreuzchen war schnell gemacht.
Was sehen Sie persönlich als Ihre größten Erfolge?
Meine Erfolge gibt es sowieso nicht. Es gibt nur Erfolge, die wir mit dem Gemeinderat und der Verwaltung zusammen gemacht haben. Wenn ich ein bisschen dazu beitragen konnte, dass die Entwicklung der Stadt gelang, bin ich sehr froh darüber. Es gibt einige Dinge die von großer Bedeutung für die Stadt sind und die uns ganz gut gelungen sind in dieser Zeit. Beispielhaft denke ich da an den Seehas-Anschluss.
Dann haben wir mit der Verlagerung der Firma Contraves, der Sanierung des dortigen Geländes und der Umwandlung in ein neues Wohnviertel ein erstes Ausrufezeichen für die innerstädtische Wohnbauentwicklung gesetzt, Dort gibt es noch Erweiterungspotenzial. Es gibt aber auch durchaus beachtenswerte Dinge, die die Öffentlichkeit gar nicht so wahrnimmt. Da ist zum Beispiel der Bau der vierten Reinigungsstufe in unserer Kläranlage. Das war eine unglaublich teure Angelegenheit. Da haben wir Millionen investiert, um den Bodensee als Trinkwasserspeicher zu sichern. Auch, dass wir das Krankenhaus erhalten konnten, ist für mich eine große Freude. Auch da steckt viel Klein- und Detailarbeit dahinter. Das ist ein schöner Erfolg für viele Menschen in unserer Region.
Die überaus positive Entwicklung des Gewerbegebiete Blumhof und Himmelreich und die Tatsache, dass wir hier Unternehmen ansiedeln konnten, die national und teilweise international sehr erfolgreich sind, gibt mir die Sicherheit, dass unser Arbeitsmarkt stabil in die Zukunft geht. Die wirtschaftliche Entwicklung von Stockach war für mich immer wichtig. Auch dass wir Mittelzentrum geworden sind, gehört dazu. Es ist die Bestätigung vonseiten des Landes, dass wir mehr sind als eine Stadt, in der Menschen wohnen, sondern, dass wir dabei auch eine besondere infrastrukturelle Aufgabe haben. Diese besteht darin, unsere Region mitzugestalten. Dazu bedarf es aber auch der Nachbarn und des Landkreises. Wir haben ein sehr enges Verhältnis zu unseren Nachbarn. Dass wir in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans gekommen sind, und erst dadurch über eine Westumfahrung für die B14 nachdenken können, halte ich ebenfalls für einen großen Erfolg. Denn der Verkehr ist ein sehr großes Problem für unsere Stadt. Ich könnte noch zahlreiche weitere Beispiele nennen. Vieles hat sich positiv entwickelt. Das habe ich mir immer gewünscht, und dafür bin ich dankbar.
Gibt es auch etwas, was sie rückblickend anders machen würden?
Da gibt es schon etwas. Grund dafür ist wohl, dass ich ein ungeduldiger Mensch bin, zu viel für die Stadt will und deshalb manchmal zu schnell bin. Wenn ich das ein oder andere hätte langsamer angehen können, wäre es vielleicht gelungen. Ich denke da etwa an die Ostumfahrung. Da hatten wir vor vielen Jahren eine echte Option, Geld von Bund und Land dafür zu bekommen. Aber ich musste schnell reagieren und hatte keine Gelegenheit den Gemeinderat und die Öffentlichkeit ausreichend mitzunehmen. Da kann man eigentlich dann nur verlieren. Jetzt haben wir im Moment Geld mehr dafür, Zuschüsse sind unklar, aber der Wunsch ist immer noch da und es wird immer deutlicher, wie notwendig das Projekt wäre. Aber ich kann nichts mehr tun und das frustriert mich.

Kommen wir zurück auf ein erfreulicheres Thema: Was waren Ihre schönsten Momente in 30 Jahren als Bürgermeister?
Die schönsten Momente sind für mich, wenn ich sehe wie sich die Stadt entwickelt und die Bürgerinnen und Bürger daran Freude haben. Und wenn es dann gelingt, dass sie sogar bereit sind, sich dafür zu engagieren, freut es mich ganz besonders. Es geht mir dabei nicht um einen bestimmten Moment, sondern mehr um positive Prozesse, auch um viele kleine Anlässe, bei denen man merkt, dass unsere Bürgerinnen und Bürger sich freuen, dass und wie es weitergeht.
Gab es auf der anderen Seite in den 30 Jahren schon mal Momente, wo sie ans Aufhören gedacht haben oder am liebsten alles hingeschmissen hätten?
Nein. Aber es gab sicherlich Enttäuschungen. Wenn ich zum Beispiel feststellen muss, dass das, was ich zu vermitteln versucht habe, nicht ankommt, dann hadere ich mit mir und frage mich, was ich da falsch gemacht habe. Das sind dann Momente, wo ich mich ein paar Tage lang nicht so aufgeräumt fühle. Aber ich habe einen Auftrag und wenn ich einen Auftrag habe, dann kämpfe ich dafür, bis ich umfalle. Manchmal ist das auch passiert. Aber ich gebe nicht auf. Deshalb habe ich auch nie ans Aufhören gedacht. Geärgert habe ich mich aber zum Beispiel auch, dass bei Wahlen zum Teil Bewerberinnen und Bewerber auftreten, die meiner Meinung nach nicht wirklich wissen, für welches Amt sie sich da beworben haben. Und wenn dieser Bewerbungen dann auch noch mit Stimmen versehen werden, verstehe ich zuweilen die Welt nicht mehr. Das ist dann frustrierend. Aber Frustrationen muss man in diesem Beruf hinnehmen. Die sind leider durchaus nicht so selten. Aber sie haben nicht dazu beigetragen, dass ich gesagt hätte, jetzt höre ich auf.
Was haben Sie noch für Ratschläge für Ihre Nachfolgerin oder für den Gemeinderat?
Keine. Das, was ich ihr zu sagen hatte, habe ich ihr gesagt. Dabei handelt es sich mehr um Tipps zu bestimmten Details. Am Ende ist jeder Mensch ein Original und was für mich der richtige Weg war, muss für Susen Katter nicht der Weg sein. Sie macht das ganz anders und das wird genauso gut oder sogar noch besser.
Am 1. Januar beginnt für Sie eine neuer Lebensabschnitt. Viele machen schon ihr ganzes Berufsleben über Pläne dazu, was sie sich im Ruhestand einmal vornehmen. Wie sieht es da bei Ihnen aus? Was haben Sie sich vorgenommen?
Ich bin vor allem sehr froh, dass ich ab dem 1. Januar deutlich weniger Stress haben werde und dass ich zunächst meine Gesundheit in den Vordergrund stellen kann. Das heißt, ich werde Sport machen und mich sehr viel bewegen um die Defizite, die jetzt da sind, zu beseitigen. Das wird sicher ein Jahr in Anspruch nehmen, bis ich da wieder auf einem Niveau bin, das passt. Es gibt keinen Plan eine Weltreise zu machen oder sonst irgendwas besonders zu unternehmen. Ich fühle mich wohl in Stockach und lebe gerne hier. Sicherlich werde ich auch im ein- oder anderen Punkt noch aktiv sein – nicht kommunalpolitisch. Da werde ich nur noch neugierig betrachten, wie es mit der Stadt weitergeht. Ich habe mir aber vorgenommen, viel zu lesen. Ich interessiere mich sehr für die deutsche Geschichte und habe viele Bücher dazu von der Vorzeit bis in die Neuzeit. Darüber hinaus haben wir zusammen sieben Kinder und ein Enkelkind, auf die es zu achten gilt. Auch die haben unsere ganze Aufmerksamkeit verdient.