Die aktuelle Zeit ist für Urs Glänzel keine leichte. „Es ist schon eine schwierige Situation“, sagt der Inhaber der Tanzschulen La Danse in Stockach und Konstanz. Seit Anfang November haben Tanzschulen wegen der Corona-Pandemie geschlossen, Kurse vor Ort, wie sie zuvor üblich waren, finden nicht mehr statt. Zwar sei es abhängig von der Inzidenz mittlerweile auch möglich, ein Tanzpaar aus einem Haushalt mit einem Lehrer auch wieder vor Ort zu unterrichten, berichtet Glänzel. Aber diese Regel berge Schwierigkeiten: So gebe es schließlich auch Tanzpaare, die nicht aus einem Haushalt kommen, zudem müsse eine solch individuelle Einzelbetreuung auch erst einmal personell machbar sein.
Nicht jeder nimm die Online-Kurse an
Um den Kunden dennoch etwas bieten zu können, veranstalten Glänzel und sein Team Online-Kurse, bei denen die Teilnehmer per Video-Konferenz von zuhause aus den Anweisungen folgen. Das funktioniere auch: „Man kann deutlich besser, als ich es jemals vermutet habe, auch online den Leuten zuhause helfen“, urteilt Glänzel. Doch das Angebot werde nicht von allen angenommen: Eine Umfrage habe bei knapp 180 Rückmeldungen ergeben, dass etwa 40 Prozent das Angebot regelmäßig und 20 Prozent immer wieder nutzen. Und weitere 40 Prozent würden an den Online-Kursen zwar nicht teilnehmen, seien aber trotzdem bereit, die monatlichen Kursbeiträge zu zahlen.
Über diese Unterstützung sei man unendlich dankbar, sagt Urs Glänzel. Allerdings würde er für das Geld eigentlich gerne Leistung bringen, und zwar in einem Format, das von allen Teilnehmern auch angenommen werde. „Ich sehe mich da in einer Bringschuld“, schildert er sein Empfinden. Corona schränkt seine Möglichkeiten aber ein.
Und dann gebe es auch noch Kunden, die sich gleich ganz abgemeldet haben, etwa, weil sie selbst durch die Pandemie in eine schwierige Lage geraten sind und keine Beiträge zahlen können. Dabei handle es sich um etwa 40 bis 50 Prozent der Kunden aus beiden Studios. Zudem seien die Anfängerkurse zum Erliegen gekommen, weil man keine neuen Kunden gewinnen konnte und die ehemaligen Anfänger nun in Fortgeschrittenenkurse aufgestiegen seien.
Hilfen kommen nur langsam
Die aktuelle Situation sorgt bei Urs Glänzel darum auch für fehlende Einnahmen. Für den November und den Dezember habe es zwar Corona-Hilfsgelder gegeben, auch, wenn diese erst nach einer ganzen Weile ankamen. Seinen Kunden habe er darum in dieser Zeit auch die Beiträge erlassen, aber für die Zeit ab Januar habe es erst einmal kein Geld mehr gegeben. Nun sei abzuwarten, wie es mit den Geldern aus der Überbrückungshilfe III ablaufe.

Um in der Wartezeit auf die finanzielle Hilfe liquide zu bleiben, hat Glänzel sich privat Geld geliehen. Und mit der Kurzarbeit seines Teams und der Unterstützung der Kunden, die weiterhin Beiträge zahlen, schaffe man es gerade so, die laufenden Kosten zu decken.
Es gibt ein Hygienekonzept
Dennoch würde Urs Glänzel eigentlich gerne wieder seine Tanzschulen öffnen. Schließlich habe es ja auch ein eigens entwickeltes Hygienekonzept gegeben, es sei Abstand gehalten und zwischen den Kursen gelüftet worden. Auch Hygieneschulungen seien durchgeführt worden und man sei mit Desinfektionsmittel ausgestattet. Außerdem sei es sehr leicht, Kontakte zurückzuverfolgen, da sich Kursteilnehmer einchecken mussten, zudem habe man sich vor den Kursen anmelden müssen, damit die maximale Teilnehmerzahl nicht überschritten wurde. Und alle Kunden hätten sich an die Regeln gehalten – „sowohl die Erwachsenen, als auch die Kinder.“

Doch das alles ändert nichts daran, dass eine Öffnung noch nicht in greifbarer Nähe scheint. „Das ist wirklich zermürbend“, urteilt Urs Glänzel. Nicht nur, dass man in einer solchen Lage selbst Existenzängste entwickle: „Man hat ja auch Mitarbeiter für die man sich verantwortlich fühlt.“
Keine Hoffnung auf schnelle Besserung
Und den Tanzschulen laufe die Zeit davon. Die Zeit, in der sie hauptsächlich ihr Geld verdienen, sei relativ eingeschränkt, so Glänzel. Zum einen müsse man sich von Anfang Oktober bis Ende Mai ein finanzielles Polster anlegen, weil über den Sommer weniger Personen Tanzkurse machen sondern ihre Zeit lieber anderweitig verbringen.
Zum anderen machen Paartanz-Kurse das Hauptgeschäft bei den Tanzschulen La Danse aus, und im Gegensatz zu Kindern hätten Erwachsene eben nicht tagsüber Zeit, weil sie dann arbeiten. Abgesehen vom Wochenende könne man sie also nur abends unterrichten und die Anzahl der Kurse, die in diesem Zeitfenster untergebracht werden können, sei begrenzt. Und auch den Kunden scheint die Tanzkurse zu vermissen – so erzählt Urs Glänzel etwa von Jugendlichen, die extra an der Tanzschule vorbeigefahren seien, um wieder das schöne Gefühl zu bekommen, das sie sonst beim Tanzen gespürt hätten.
Dass es bald Besserung gibt, daran glaubt Urs Glänzel jedoch nicht. Er hoffe auf Öffnungen um Pfingsten. Die Hauptgeschäftszeit sei dann zwar schon rum, „aber besser in schwierigen Zeiten arbeiten als gar nicht.“
Ballettschule fordert eine dringende Öffnung
- Von der schwierigen Situation berichtet auch Katja Benas von der Ballettschule Benas & Partner, die auch in Stockach ein Studio hat. Weil Einzelunterricht bei aktuell etwa 700 Schülern praktisch nicht möglich sei, habe man seit November des vergangenen Jahres ebenfalls auf Online-Unterricht umgestellt. Allerdings hänge die Qualität immer von der Internetverbindung der Teilnehmer ab, was dazu führe, dass gerade im ländlichen Raum viele Schüler gar nicht daran teilnehmen könnten. „Hinzu kommt, dass nur Übungen möglich sind, die am Platz und allein durchführbar sind. Alles, was zu zweit, in der Gruppe oder durch den Raum getanzt wird, ist nicht machbar, und das bringt auch uns Lehrer manches Mal an unsere Grenzen beim Versuch, den Unterricht trotzdem abwechslungsreich zu gestalten“, so Benas. Zudem hätten viele Schüler zuhause keine idealen Bedingungen, also etwa nur einen Fliesenboden, auf dem man keine Sprünge machen könne, sowie nur einen Stuhl als Ersatz für eine Ballettstange, „was eine recht wackelige Angelegenheit ist.“ Da man zu dritt arbeite, sei es aber unerwartet gut möglich, die Schüler zu verbessern: „Eine zeigt die Übungen, eine macht die Musik und die Dritte schaut auf den Bildschirm und verbessert die Schüler.“
- Digitale Ballettstunde: Dennoch sei der Online-Unterricht kein vollwertiger Ersatz für den Unterricht vor Ort. Man spüre immer mehr, dass insbesondere die jüngeren Kinder lustloser werden und das Miteinander in der Gruppe fehle. „Vor allem fällt dieses Jahr bereits zum zweiten Mal die jährliche Aufführung vor Publikum weg. Diese Auftritte waren für die Kinder immer eine riesige Motivation“, so Katja Benas. „Diese Aufführungen waren auch immer gut für das Selbstbewusstsein der Schüler.“
- Kündigungen: Es sei daher nicht verwunderlich, dass es Kündigungen gebe und die Umsätze einbrechen. Alleine den Kunden habe man es zu verdanken, dass die Ballettschule noch existiere. Die Eltern geben laut Benas ihr Bestes, um die Kinder zu motivieren. Hilfe von staatlicher Seite gebe es dagegen keine, weil die Umsatzeinbußen gerade so am Grenzwert liegen würden.
- Problem mit mehreren Standorten: Das Konzept der Ballettschule, mehrere Studios zu betreiben, werde nun zum Problem – „Denn bei acht hohen Mieten reichen die Einnahmen zwar, um die Kosten zu decken, aber nicht mehr für uns zum Leben. Allein die Beiträge zur Künstlersozialkasse sind immens hoch. Und je länger der Lockdown dauert, desto mehr Schüler werden die Lust verlieren“, so Katja Benas. Sie sieht daher nur eine Lösung, damit es die Ballettschule, die es seit 41 Jahren in der Region gebe, nicht für immer verschwinde: Der Lockdown müsse für sie aufgehoben werden.