In Stocken bleibt man hocken, das weiß schon der Volksmund. Dass es sich dabei um mehr als nur ein bloßes Sprichwort handelt, kann Gabriele Gietz bestätigen. Sie leitet seit 25 Jahren die Stockacher Stadtbücherei und das, obwohl ihr Lebensweg eigentlich ganz anders hätte aussehen sollen.
„Eigentlich wollten wir zurück nach Hamburg“, erinnert sich Gietz, die Ende der 1990er-Jahre mit ihrer Familie aus dem hohen Norden nach Allensbach gekommen war. Doch aus der Station, die eigentlich nur für ein paar Jahre gedacht war, wurde inzwischen ein Vierteljahrhundert. Nicht zuletzt wegen der Stadtbücherei Stockach. Für die wurde nämlich vor 25 Jahren eine neue Leitung gesucht.
Die Bücherei war ganz anders als heute
Die Voraussetzungen waren noch ganz andere als heute. „Die Bücherei war damals noch in einem Eckraum im Rathaus mit kleinem Nebenraum untergebracht und hatte nur wenige Stunden pro Woche geöffnet“, erinnert sich Gietz. Dennoch bewarb sie sich auf die Stelle und erhielt den Zuschlag. Und kaum hatte sie ihre Stelle am 1. April 2000 angetreten, wartete auch schon eine große Herausforderung auf sie, denn die Bücherei sollte aus dem kleinen Domizil im Rathaus in ihre heutigen Räume im alten Forstamt umziehen. „Wir haben dann schon während des Umbaus zusätzliche Räume im Keller des Rathauses bekommen und massenweise Bücher gekauft“, sagt Gietz mit einem verschmitzten Lächeln.
Das Ziel, das vonseiten der Stadtverwaltung und des Gemeinderats vorgegeben wurde, war, eine Bücherei mit 20.000 Medien und 60.000 jährlichen Ausleihen aufzubauen. Doch nachdem die neue Bücherei im April 2002 eröffnet worden war, kam es ganz anders: „Wir hatten schon im ersten Jahr rund 125.000 Ausleihen“, sagt Gietz. Diese Ausleihzahl habe man über die Jahre konstant halten können. „Lediglich während Corona sind die Ausleihzahlen eingebrochen. Das ging allen Bibliotheken so und wir hatten wirklich Angst, dass sich das nicht mehr erholen wird“, sagt Gietz. Inzwischen sei man allerdings wieder bei 125.000 jährlichen Ausleihen angekommen.
Große Herausforderung während Corona
Ohnehin sei die Corona-Zeit eine große Herausforderung gewesen. „Wir mussten von einem Tag auf den anderen schließen und ständig gab es neue Vorgaben umzusetzen. Dabei hatten wir immer wieder den Eindruck, dass wir Bibliotheken bei der Aufstellung der Maßnahmen vergessen wurden“, klagt Gietz. Trotzdem sei es gelungen, ein Grundangebot aufrechtzuerhalten. So konnten Bücher online vorbestellt und dann abgeholt werden. Dabei sei auch hilfreich gewesen, dass die Stockacher Stadtbücherei schon früh auf Digitalisierung gesetzt habe.
„Ich habe früher bei einer Firma gearbeitet, die Bibliothekssoftware hergestellt hat, deswegen hat mich das Thema schon immer interessiert und mir war immer wichtig, dass wir möglichst moderne Technik haben“, sagt Gietz, die in Hamburg Bibliothekswesen studiert hat. Zur neuen Technik zählt etwa auch das Rückgaberegal, das seit 2022 im Foyer des alten Forstamts installiert ist und eine eigenständige Bücherrückgabe ermöglicht. Große Unterstützung habe sie dabei immer von der Stadtverwaltung bekommen, betont Gietz. Egal ob es sich um die Einführung neuer Technik oder die Anpassung des Angebots gehandelt habe.
Angebot hat sich stark weiterentwickelt
Insgesamt haben sich die Bibliothek und ihr Angebot in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. „Gerade der audiovisuelle Bereich hat sich natürlich stark verändert“, sagt Gietz. Seien früher gerne noch CD-Roms, Musik-CDs oder Kassetten ausgeliehen worden, seien diese inzwischen nahezu komplett aus den Beständen verschwunden. Auch die DVDs seien auf dem Rückzug. Dafür sind neue Dinge dazu bekommen. „Wir waren bei den Tonieboxen ganz früh mit dabei. Wir versuchen grundsätzlich, schnell zu sein“, sagt Gietz.
Auch bei der Bibliothek der Dinge, die es seit 2020 gibt und bei der etwa Tonieboxen, E-Book-Reader, ein Nachtsichtgerät, Virtual-Reality-Brillen und Spielekonsolen, aber auch ein Kasperletheater und Kindergeburtstagsboxen zu unterschiedlichen Themen, ausgeliehen werden können, sei die Stockacher Bücherei Vorreiter im Landkreis gewesen. In der Bibliothek der Dinge finden sich derzeit 95 Geräte. „Wir achten auch immer darauf, wo es gerade Fördermittel gibt, die wir zur Verbesserung unseres Angebots nutzen können“, sagt Gietz.
Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit
„Dabei spielt natürlich auch das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle. Man muss nicht alles selbst kaufen, sondern kann es sich auch ausleihen. Da sind Bibliotheken schon immer in einer Vorreiterrolle“, sagt Gietz.
Auch nach 25 Jahren als Leiterin der Stadtbücherei hat Gietz noch immer neue Ideen für die Zukunft. So soll die Aufenthaltsqualität weiter verbessert werden. „Wir legen schon jetzt viel Wert darauf, dass die Aufenthaltsqualität hoch ist. Wir wollen mehr als eine Ausleihstelle sein“, sagt sie. Zudem entstehen immer wieder neue Kooperationen, wie etwa mit dem Kindergarten St. Marien oder der Stockacher Grundschule.
Bücherei soll „open library“ werden
In Zukunft müsse man sich Gedanken über die Öffnungszeiten machen. „Ich würde diese gerne erweitern und auch Öffnungszeiten am Wochenende anbieten“, sagt Gietz. Eine Möglichkeit, dies umzusetzen, sei das Open-Library-Konzept. Das bedeutet, dass es servicefreie Zeiten gibt, zu denen man mit seinem Bibliotheksausweis Zutritt zu den Räumlichkeiten bekommt. „Außerdem hätte ich gerne einen Veranstaltungsraum für die Bücherei“, so Gietz.
Möglich werden könnte dies im Zuge des geplanten Umzugs der Bücherei. „Wir erarbeiten dafür jetzt ein Konzept, aber das Ganze hat noch eine lange zeitliche Perspektive“, sagt Gietz. Die Stadt Stockach hat vor einiger Zeit das Gebäude an der Hauptstraße gekauft, in dem aktuell noch eine Filiale der Volksbank untergebracht ist. Dort soll die Bücherei irgendwann einziehen. „Einen genauen Zeitplan für das Projekt gibt es bislang nicht. Es wird sicherlich noch eine ganze Zeit dauern, aber ich würde mich freuen, wenn ich den Umzug noch begleiten kann“, sagt Gietz.