Mit dem Winterausklang beginnt für viele (Hobby-)Gärtner die Anbauzeit ihrer Gemüsepflanzen. Wie wäre es, in diesem Jahr aus samenfestem Saatgut selbstgezogene Tomaten und andere leckere Gemüsearten zu ernten? Das Angebot des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN) im Umweltzentrum Stockach macht es möglich. Hier erhalten Interessierte kostenlose Tüten mit Saatgut. Das Besondere daran: Die Samenkörner werden ausgeliehen.
Nach neun Monaten sollen möglichst ein bis drei Portionen mit etwa 25 Samen eingetütet und beschriftet wieder im Umweltzentrum abgegeben werden. Vereinsmitglied Sabine Merk betreut das Projekt „Saatgut leihen“, das im vierten Jahr bundesweit hauptsächlich in Zusammenarbeit mit Büchereien durchgeführt wird, in Stockach. Sie, Sabrina Molkenthin, Leiterin des Umweltzentrums, und Gabriele Gietz, Leiterin der Stadtbücherei, erzählten im Pressegespräch, wie das nachhaltige Projekt, welches die Bürgerstiftung Stockach sponsert, hier abläuft.
Es begann mit einer Anfrage an die Stadtbücherei. Gabriele Gietz sagt: „Ich weiß, dass die Bibliotheken in Konstanz und Engen sowie viele andere in Deutschland mitmachen, aber bei uns hat es aus Kapazitätsgründen leider nicht gepasst.“ Es stehe schon ein gewisser Aufwand dahinter. Diese Zusatzarbeit könnten sie nicht leisten. Doch sie brachte das Umweltzentrum ins Spiel. Sabrina Molkenthin war gleich begeistert von der Idee. Ganz raus ist die Stadtbücherei aber nicht. „Wir haben im Sachbuchraum die kleine Version, eine Saatgut-Tauschbox, aufgestellt“, so Gabriele Gietz. Dort können ganz unkompliziert samenfeste Gemüse-, Salat-, Kräuter- und Blumensamen getauscht werden. Dazu gibt es Fachliteratur aus dem Bücherei-Bestand und Informationen des VEN sowie das Veranstaltungsprogramm des Umweltzentrums.
So funktioniert die Saatgut-Ausleihe
Im Umweltzentrum läuft es etwas anders. Wer Saatgut ausleiht, wird mit Namen und Mailadresse, Ausleih- und Rückgabedatum in neun Monaten in einer Liste erfasst und erhält regelmäßig den Newsletter des VEN. Dort und im Blog des Vereins erhält man Tipps, was aktuell zu tun ist. Für jede der fünf Samenarten – Tomate, Salat, Bohne, Erbse und die eher unbekannte Gartenmelde – gibt es ein Infoblatt. Auf dem Samentütchen stehen der Sortenname und alle anderen wichtigen Informationen, die der Ausleihende und auch der nachfolgende Hobbygärtner brauchen. Sabine Merk erklärt: „Das Schöne ist, dass unsere Samen nicht durch Hybridtechnik beschränkt sind, sondern es sich um samenfestes, sortenreines Saatgut handelt, das jeder selbst vermehren kann.“
Das Projekt lebt davon, dass ein Teil des ausgegebenen Saatgutes wieder zurückkommt und erneut zur Ausleihe angeboten werden kann. Umso wichtiger ist es, genau darauf zu achten, die aus den eigenen Pflanzen gewonnenen Samen in korrekt beschrifteten Tüten zurückzubringen. So tragen die Teilnehmer zum Erhalt der regionalen und traditionellen Vielfalt bei. Nach Sabine Merks Erfahrungen haben viele Leute, die Samen ausleihen, bereits Gärtnererfahrung und wissen, wie man Samen sammelt. Doch auch Anfänger können problemlos mitmachen.
Die Bürgerstiftung unterstützt das Projekt
Sabrina Molkenthin gewann die Bürgerstiftung als Sponsor. Deren Vertreter Gebhard Schulz bestätigte, dass das Vorstandsteam den Antrag sehr interessant fand. Landschafts- und Artenschutz sowie der Erhalt der Vielfalt alter Sorten aus der roten Liste, passten wunderbar zu den Zwecken der Bürgerstiftung. Von diesem Angebot könnten Erwachsene, Kinder und sogar Schulen profitieren. Willi Zöller ergänzte, die Bürgerstiftung sei sehr gerne dabei.
Es sei tatsächlich ein schönes Projekt für Schulen, bestätigte Sabrina Molkenthin. „Die Grundschule Stockach hat erstmals Pilze gezüchtet – vielleicht versuchen sie es jetzt mit Tomaten und Salat? Und die Grundschule Winterspüren hat Hochbeete, die könnten auch mitmachen.“ Kinder seien bei der Pflanzenpflege oft besonders hinterher, hat auch Sabine Merk beobachtet. Wer Saatgut ausleihen will, muss sich beeilen: Direkt nach dem Gespräch gab es einen regelrechten Ansturm auf die Samentüten. Sabrina Molkenthin hat beim VEN bereits um Nachschub gebeten.