Sobald Menschen Dinge im Internet teilen, fallen oft alle verbalen Schranken und es hagelt schnell mal harsche Kritik. Viele Geschäftsinhaber und Gastronomen können ein Lied davon singen, dass manch ein Kunde oder Gast heute zuerst das Handy zückt, um eine schlechte Bewertung bei Google zu schreiben, bevor er seine Kritik persönlich vorbringt.
In Stockach werden viele Attraktionen und Einrichtungen sehr positiv bewertet, doch es finden sich in den Kommentaren auch so manche Kuriositäten und Stilblüten. Der Umgang damit beschäftigt sogar das Stockacher Kulturamt.
Gute Küche auf dem Park & Ride?
Der „Park & Ride“-Parkplatz Stockach West etwa kommt auf 4,2 von fünf möglichen Sternen bei 40 Bewertungen. Doch bei den Kommentaren wird es richtig kurios: Satte fünf Sterne vergibt eine Nutzerin bei Google für den Parkplatz. Ihrer Meinung nach besonders lobenswert: „Sehr nettes Personal und gute Küche.“

Wie die Nutzerin zu diesem Urteil kommt, obwohl sich der Parkplatz durch das Fehlen jeglicher gastronomischer Angebote auszeichnet, bleibt fraglich. Eine weitere Nutzerin vergibt vier Sterne an den Parkplatz, obwohl sie dazu vermerkt: „Ich habe dort noch nicht geparkt.“ Wie genau also die Vier-Sterne-Bewertung zustande kommt, bleibt im Dunkeln.
Die Nellenburg als Zeitverschwendung?
Über die Nellenburg gehen die Meinungen auseinander. Während ein Kommentator den sehr schönen Ort „mit wunderschöner Aussicht“ lobt und seine Begeisterung mit dem Zusatz „Ein Ort, an dem ich begraben werden wollen würde“, unterstreicht, ist der Weg für andere „Zeitverschwendung“. Der Grund: „Anmarsch durch 500 Meter Brennnesseln. Am Ziel zehn Meter zugewucherte alte Mauer. Keine Aussicht, weil alles zugewuchert. Schade! Kann man getrost auslassen“, urteilt der Nutzer und vergibt die enttäuschende Bewertung von nur einem Stern für das Stockacher Ausflugsziel.
Deutlich bessere Bewertungen erhalten die Heidenhöhlen. Manch ein Besucher fühlt sich dort direkt in der Zeit zurückversetzt. „Habe mich wie ein waschechter Steinzeitmensch gefühlt“, schreibt ein Nutzer und vergibt dafür vier Sterne. Insgesamt kommen die Heidenhöhlen auf 4,6 Sterne bei 219 Stimmen.
Stadtmuseum mit Großstädten verglichen
Immer einen Besuch wert scheint auch das Stockacher Stadtmuseum, wenn man den Bewertungen auf Google glauben darf. Stolze 4,4 Sterne bei 70 Bewertungen kann die Kultureinrichtung vorweisen. Trotzdem findet sich auch hier Kritik. „Einfache Einrichtungen, wenige Exponate, teurer Eintritt, lohnt sich nicht“, urteilt ein Google Nutzer mit chinesischen Schriftzeichen.
Die Übersetzung des Kommentars stammt von Google selbst. Das Kuriose: Ein Blick auf das Profil zeigt, dass die Person sonst vor allem Orte im Großraum Honkong bewertet hat. Außerdem einige Sehenswürdigkeiten in London und Hiroshima.
„Ich lerne hier original nichts“
Inwiefern Grundschulkinder schon Google-Bewertungen schreiben, ist vielleicht fraglich, doch auch über die Grundschule gibt es Rezensionen. Dass er nur einen einzigen Stern für die Grundschule vergeben hat, begründet ein Schreiber etwa so: „Nur weil es schön aussieht und weil es keine null Sterne gibt.“

Ein anderer beschwert sich über das Niveau des Bildungsangebots und schreibt im Wortlaut: „Ich lerne hier original nichts. Keine Parabeln, Kein englisch, kein Informatik, keine Interpretation von Lyrik.“ Das klingt zugegebenermaßen eher nach Ironie als nach den Worten eines echten Grundschulkinds. Immerhin kommt die Schule trotz allem noch auf eine Drei-Sterne-Bewertung.

Auch Loretto-Friedhof und Eisweiher bewertet
Für den Stockacher Friedhof gibt es zwar nur eine einzige Bewertung, dafür aber gleich mit fünf von fünf Sternen: „Chillig hier, bisschen deprimierender Name“, so der Kommentar dazu. Weniger gut fällt das Urteil des selben Nutzers über den Eisweiher aus: „Kein Plan was Mutter Natur sich dabei gedacht hat“, schreibt er. Immerhin: Anderen Nutzern gefällt es dort besser, denn insgesamt kommt der Eisweiher bei sechs Bewertungen auf solide 3,7 Sterne.
Online Bewertungen: Fluch oder Segen?
Wie Kulturamtsleiterin Corinna Bruggaier auf Nachfrage des SÜDKURIER berichtet, hat man auch im Stockacher Kulturamt ein Auge auf die Online-Bewertungen. Insbesondere natürlich, wenn die eigenen Angebote betroffen sind. Denn wer für einen Ort oder ein Angebot verantwortlich ist, kann bei Google eine Beschreibung dazu erstellen.
„Wir haben im vergangenen Jahr im Zuge der Miró-Ausstellung erstmals uns überlegt, Google offensiver benutzen und für das Stadtmuseum und die Heidenhöhlen die Einträge etwas differenzierter zu machen und auch so zu gestalten, dass die Orte gut gefunden werden und man auch Informationen zu den beiden Orten ganz gut nachvollziehen kann“, so Bruggaier.
In diesem Zuge habe man auch Antworten zu Nutzerkommentaren verfasst. Auch diese sind online einsehbar, etwa beim Google-Eintrag zum Stadtmuseum. Trotzdem sieht Bruggaier in der Kommentarfunktion Fluch und Segen.
„Unsere Besucher, ob aus Stockach, der Region oder Touristen von weiter her, nutzen Google Maps und Google-Einträge und daher wollen wir hier natürlich auch einen Service bieten und reagieren auf Einträge“, so Bruggaier. Zudem sei es ein zusätzliches Instrument, um Rückmeldungen zu bekommen.
Fazit fällt gespalten aus
Trotzdem sind manche Kommentare auch eine Herausforderung. „Ich muss mir immer wieder sagen, dass ich nichts persönlich nehme und für Reaktionen dann lieber eine Runde draußen drehe, bevor ich zu emotional reagiere“, so Bruggaier mit Blick auf unsachliche Bewertungen, in denen sich die Nutzer ihren Frust von der Seele schreiben.
Doch was ist das Fazit der Kulturamtsleiterin? Einerseits freut sie sich darüber, auf dieser Plattform die Stadt Stockach mit ihren Angeboten vielen Menschen präsentieren zu können. Andererseits sieht sie es kritisch, dem Online-Giganten auf diese Weise seine Daten zur Verfügung zu stellen – „und damit ja auch die potentiellen Besucher dazu verführt, dies ebenso zu tun“.
Dieser Artikel erschien erstmals im Sommer 2023.