Es sind ambitionierte Ziele, die Bundesregierung und Europäische Union sich gesetzt haben. Bis 2035 soll der CO₂-Ausstoß in der Bundesrepublik um 65 Prozent gesenkt werden, spätestens 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. EU-weit soll dieses Ziel 2050 erreicht werden. Vor diesem Hintergrund fand der vierte Stockacher Businesstreff statt, der sich ganz der Zukunft der Energieversorgung widmete.
Dass es eine große Herausforderung wird, diese Ziele zu erreichen, wurde in allen sechs Vorträgen, die die Stockacher Wirtschaftsförderung um Sebastian Scholze und Regina Schlecker organisiert hatten, deutlich. So steht bereits heute fest, dass für die Stockacher Stadtwerke ein wichtiger Wirtschaftszweig in Zukunft wegfallen wird.
Gassparte wird wegbrechen
„Bis 2045 soll der Gasverbrauch in Deutschland bei null sein“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Jochen Stein. Aktuell haben die Stadtwerke rund 1500 Gaskunden. Dennoch blickt Stein optimistisch in die Zukunft. Nicht zuletzt, weil dafür das Thema Stromversorgung deutlich an Bedeutung zunehmen dürfte. Je nachdem, an welcher Studie man sich orientiere, steige der Stromverbrauch in den kommenden Jahrzehnten nur leicht oder sehr stark. „In diesem Spannungsfeld müssen wir uns entwickeln“, so Stein.
Ihm zufolge müssten in den kommenden Jahren rund 50 Millionen Euro in den Ausbau des Mittel- und Niederspannungsnetz investiert werden, denn die Stromerzeugung wird immer dezentraler, beispielsweise durch neue Photovoltaikanlagen.
Energiemix als Weg für die Zukunft
Doch was bedeutet die Energiewende für ein Unternehmen, das unter anderem auf den Handel mit Heizöl, Kraftstoffen und Gasen spezialisiert ist? Mit dieser Frage muss sich die Firma Welsch aus Stockach schon seit einigen Jahren befassen. Doch Geschäftsführerin Sandra Welsch-Fischer konnte beim Businesstreff einige Antworten präsentieren.
In der Heizungssparte etwa gehöre nicht nur der Einbau von Wärmepumpen oder das Thema Nah- und Fernwärme zum täglichen Geschäft des Unternehmens, sondern auch die Umrüstung von gewohnten Heizsystemen zu Hybridanlagen. Hierbei sorgt die Kombination einer Öl- oder Gasbrennwertheizung mit einer Wärmepumpe dafür, dass der erforderliche Anteil an erneuerbaren Energien eingehalten werden könne.
Daneben beteilige sich das Unternehmen im Verbund der Avia-Gruppe an Windparks und am Aufbau einer eignen Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Besonders erfreulich sei aus ihrer Sicht, dass seit Ende Mai HVO als Kraftstoff für den Straßenverkehr zugelassen ist. Dabei handle es sich um einen Kraftstoff aus Abfällen, wie etwa gebrauchtem Speiseöl oder altem Fett, der Diesel ersetzen kann.

Auch Markus Brunner, Regionalleiter des Bundesverbands Energie-Mittelstand, wirbt für HVO und E-Fuels, also klimaneutrale Kraftstoffe, die künstlich hergestellt werden. „Im Strombereich ist schon viel passiert für die Energiewende. Das liegt auch daran, dass beim Verbraucher keine große Umstellung erforderlich ist“, erklärt Brunner. Der Strom könne grün produziert werden und komme trotzdem aus der gleichen Steckdose. Bei Lastwagen, Flugzeugen oder Schiffen falle die Umstellung auf eine neue Antriebsart deutlich schwerer. Hier seien E-Fuels eine mögliche Lösung, erklärte er.
Verflüssigter Strom kann bewährte Transportwege nutzen
Oft stehen diese in der Kritik, weil es für ihre Herstellung eine große Menge an Energie braucht. In diesem Zusammenhang verwies Brunner jedoch auf ein gemeinsames Projekt der Firmen Porsche und Siemens, bei dem in einer abgelegenen, windreichen Region mithilfe von Windkraft E-Fuels produziert werden sollen. „Wir können in Regionen der Welt mit viel Wind oder Sonne, die kaum besiedelt und nicht landwirtschaftlich nutzbar sind, den Strom in Form von E-Fuels quasi verflüssigen und dann auf den üblichen Wegen zu uns transportieren“, so Brunners Fazit.
Als weiterer wichtiger Punkt im Energiemix der Zukunft zeichnet sich Wasserstoff ab. Erst vor wenigen Tagen wurden steins der Bundesnetzagentur Pläne für ein zukünftiges Wasserstoff-Kernnetz vorgestellt. Auffällig dabei ist, dass der Südwesten der Bundesrepublik weitestgehend davon ausgespart ist. Einer, den das stört, ist Christian Klaiber, Leiter der Geschäftsstelle des Vereins H2 Regio. „Wir wollen das Thema Wasserstoff in die Industrie und in die Technologie bringen“, betont er.
Der Verein habe eine regionale Wasserstoffstrategie für den Südwesten erarbeitet und wolle sich dafür einsetzen, dass die Region bei diesem Thema nicht abgehängt wird. Derzeit beschäftige man sich unter anderem auch mit der Frage, wie Wasserstoff auch regional produziert werden könnte oder wie die Lieferketten für Methanol und HVO als alternative Treibstoffe für die Bodenseeschifffahrt aussehen könnten. „Das Problem ist, dass es viele politische Willensbekundungen gibt, aber kaum Förderprogramme“, so Klaiber.