Berlin ist weit weg von Stockach. Damit die politischen Entscheidungen, die dort getroffen werden, nicht genauso weit weg sind von dem, was die Menschen in der Region bewegt, ist die Arbeit in den Wahlkreisen sehr wichtig für die Bundestagsabgeordneten.

Lina Seitzl, die den Landkreis Konstanz für die SPD im Bundestag vertritt, erzählt im Gespräch mit dem SÜDKURIER dass die Fraktionssitzungen in Berlin ganz anders verlaufen, wenn die Abgeordneten frisch aus ihren Wahlkreisen zu einer Sitzungswoche in die Hauptstadt kommen.

Es braucht den Realitätscheck

„Was die Ministerien machen, ist sehr wichtig, aber das braucht immer auch einen Realitätscheck. Deshalb ist es sehr wichtig, im Wahlkreis präsent zu sein und mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen“, erklärt Seitzl am Rande eines Bürgergesprächs in Stockach.

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Rund 15 Interessierte waren kurz zuvor auf Einladung der Stockacher SPD im Hotel Fortuna zusammengekommen, um mit der Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. „Mein Ziel ist es, bei solchen Veranstaltungen zum einen die Politik zu erklären und auf der anderen Seite das, was die Menschen hier bewegt, mit nach Berlin zu nehmen“, so Seitzl.

Auf dem Programm für das Bürgergespräch standen Energiewende, Heizungsgesetz und Kinderbetreuung, wobei letzteres Thema den klaren Schwerpunkt der Diskussion ausmachte. Schon zu Beginn des Abends hatte Seitzl deutlich gemacht, dass ihr dieses Thema auch besonders am Herzen liege.

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Chancengleichheit ist noch ausbaufähig

Das Thema der Chancengleichheit habe im Wesentlichen dazu geführt, dass sie sich politisch engagieren wollte. Hier sieht die Sozialdemokratin auch noch immer großen Nachholbedarf. „Das Elternhaus beeinflusst immer noch massiv, welchen Bildungsweg Kinder einschlagen“, betont sie.

Das sieht auch Lisa Neubauer, die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats Kita in Stockach (GEB-K), so. „Der Stand in Deutschland was Chancengleichheit angeht ist miserabel.“

Vor diesem Hintergrund könne sie nicht verstehen, dass die von Bundesfamilienministerin Lisa Paus geforderten 12 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung deutlich gekürzt wurden, während etwa bei Ausgaben für das Militär nicht gespart werde.

Ohne Konzept kein Geld

„Das Problem dabei ist, dass Lisa Paus ihre Forderung von 12 Milliarden angekündigt hatte, ohne ein Konzept vorzulegen, wofür genau das Geld ausgegeben werden soll“, erklärt Lina Seitzl und fügt hinzu: „So können wir Parlamentarier kein Geld freigeben. Da würden wir auch Probleme mit dem Rechnungshof bekommen.“ Deshalb habe man nun vier Milliarden für das Programm geblockt. Wie hoch die Summe am Ende tatsächlich ausfalle, das könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

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Bürokratie und Digitalisierung

Als wunde Punkte wurden im Bürgergespräch auch die mangelnde Digitalisierung der Verwaltung und ein hohes Maß an Bürokratie genannt. „Ohne Bürokratie geht es manchmal einfach nicht“, verteidigte Seitzl die Bundespolitik. Gerade, wenn es um die Auszahlung von Fördermittel gehe. „Schließlich gibt es hierzu Gesetze, die wir uns gegeben haben, und die müssen wir einhalten. Außerdem geht es dabei letztendlich um den verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern“, betont sie.

Im Hinblick auf die Digitalisierung sei es wünschenswert, dass man bei dem Thema schneller werde, machte Seitzl deutlich. Sie verwies jedoch auch darauf, dass dabei immer auch die Frage sei, wie die Digitalisierung angenommen werde, denn viele Menschen hätten datenschutzrechtliche Bedenken. Für SPD-Stadtrat Joachim Kramer wäre es vor diesem Hintergrund entscheidend gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um Datenmissbrauch besser verfolgen zu können.

Braucht es eine Föderalismusreform?

Bei vielen Fragen zum Thema Bildung und Kinderbetreuung verwies Seitzl auf die Zuständigkeit der Landesebene. So bemängelte etwa SPD-Stadträtin Claudia Weber-Bastong im Rahmen des Gesprächs, dass es nicht nur noch immer kein deutschlandweit einheitliches Abitur, sondern auch eine Ungleichheit zwischen dem Abitur an allgemeinbildenden Gymnasien und den Beruflichen Gymnasien gebe.

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Viele Diskussionsteilnehmer stimmten zudem Lisa Neubauer zu, dass es eine Bildungsreform bräuchte, weil das dreistufige Schulsystem längst überholt sei. Doch gerade Bildung und Kinderbetreuung sowie deren Finanzierung seien schwerpunktmäßig bei den Ländern angesiedelt, macht Lina Seitzl mit vielen Beispielen deutlich.

Das zu änder, bräuchte eine neue Föderalismusreform. „Und wenn wir das wollen, dann diskutieren wir zehn Jahre nur noch über dieses Thema. Deshalb halte ich es für Sinnvoller an Verbesserungen im bestehenden System zu arbeiten“, betont sie.

Was von dem Abend bleibt

„Man merkt, dass die Themen Bildung, Kita und Schule die Eltern sehr bewegt. Sie sehen ja auch jeden Tag, welche Defizite es in diesem Bereich gibt“, sagt Lina Seitzl nach der Diskussionsrunde im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Bei den vielen Anderen wichtigen Themen, die auf Bundesebene diskutiert würden, komme das vielleicht zu kurz. Deshalb wolle sie sich noch stärker dafür einsetzen, dass es mehr Investitionen in die Bildung gibt und gemeinsam mit den Ländern entsprechende Programme aufgestellt werden können.

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