Ein spontanes, aber untypisches Autorennen auf der Autobahn 98 bei Stockach brachte einen Mann aus dem Bodenseekreis am Stockacher Amtsgericht einen Monat Fahrverbot ein. Dabei stieß er bei Richterin Rebecca Jenike aus verschiedenen Gründen auf Milde.

Der kuriose Vorfall lag bereits rund anderthalb Jahre zurück. Ein Filmteam eines Fernsehsenders war dabei, um Car-To-Car-Aufnahmen zu machen, also von einem Auto in ein anderes auf gleicher Höhe zu filmen.

Die Eingangstür zum Verhandlungssaal im Amtsgericht Stockach.
Die Eingangstür zum Verhandlungssaal im Amtsgericht Stockach. | Bild: Löffler, Ramona

Was an diesem Tag passierte, sorgte für Stirnrunzeln. Laut der Verlesung der Anklageschrift und dem Geständnis des Mannes war dieser am 10. Juli 2021 mit einem Bekannten bei einer Veranstaltung der Tuning- und Poser-Szene, an denen auch ein Fernseh-Team teilnahm. Zwei Autos fuhren mehrere Minuten nebeneinander auf der Autobahn und dies wurde auf Video aufgenommen. Der Angeklagte lenkte eines der Fahrzeuge. Die Geschwindigkeit betrug lediglich 60 oder 70 Stundenkilometer. Daher wurden andere Verkehrsteilnehmer zum Abbremsen genötigt.

Idee zum Rennen entstand aus Situation heraus

Ganz spontan entstand dann eine Eigendynamik und auf Höhe des Parkplatzes Nellenburg-Nord beschleunigten die Fahrer für etwa eine Minute, wie der Mann einräumte. Die Autos bremsten dann wieder ab und beschleunigten erneut. Daher wurde dem Angeklagten ein illegales Autorennen nach Paragraf 315d des Strafgesetzbuchs vorgeworfen, für das eine Haft- oder Geldstrafe droht.

Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht.
Der Gerichtssaal im Stockacher Amtsgericht. | Bild: Dominique Hahn

Die Richterin betonte, wie gefährlich Tempo 60 auf der Autobahn sei, wenn jemand mit 200 Stundenkilometer von hinten angefahren komme. Der Angeklagte erwiderte, er habe blind geglaubt, es gebe eine Erlaubnis für die Veranstaltung, weil das Fernsehen dabei gewesen sei.

Rebecca Jenike machte ihnen klar: „Die Aufnahmen sind legal, aber das Blockieren der Autobahn oder Rennen nicht.“ Die Situation hätte ganz anders ausgehen können. Sie betonte sogar, die Forderung der Staatsanwaltschaft von drei Monaten Fahrverbot sei sogar noch „nett“ gewesen.

Der Angeklagte bereut das Rennen

„Ich weiß, dass es nicht sinngebend war“, räumte der selbstständige Handwerker zum spontanen Rennen ein. Auf Rückfrage der Richterin, wie er überhaupt in diese Szene geraten sei, übernahm der Verteidiger die Antwort. Ein der Szene sehr bekannter Überlinger, der die Tuner-Szene mit der Bevölkerung versöhnen wolle, sei der Initiator gewesen. Doch bei früheren Tuning-Treffen sei aufgrund zu vieler Teilnehmer der gegenteilige Effekt eingetreten. Das negative Bild der Öffentlichkeit habe sich nur bestätigt.

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Dieser Fall, der nach einer großen Verhandlung mit vielen Zeugen klang, war im Saal tatsächlich eine unscheinbare Runde. Kein einziger Zeuge war da. Tatsächlich wurde keiner gebraucht, da der Angeklagte geständig war und sich sein Einspruch gegen den erhaltenen Strafbefehl lediglich auf das Strafmaß beschränkte: Er wollte kein dreimonatiges Fahrverbot, da er für die Arbeit auf das Auto angewiesen ist.

Ohne Fahrverbot geht nichts

Rebecca Jenike sagte bereits zu diesem Zeitpunkt in aller Deutlichkeit: „Es ist völlig ausgeschlossen, dass Sie hier ohne Fahrverbot rausgehen.“

Der Verteidiger warb für eine geringe Fahrverbot-Dauer, damit sein Mandat diese mit Urlaub überbrücken könnte. Er betonte wieder und wieder, warum drei Monate ohne Führerschein den wirtschaftlichen Ruin für den Handwerker bedeuten würden.

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Der selbstständige Handwerker schilderte auch selbst, wie sehr er darauf angewiesen sei, seine Werkzeuge und Material transportieren zu können. Er habe sehr unter der Pandemie gelitten, doch inzwischen habe die Auftragslage wieder angezogen. Statt einem Minus habe er jetzt wieder genug Geld, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können und nicht mehr auf Unterstützung seiner Partnerin angewiesen zu sein. „Ich habe lange gekämpft, um wieder Geld zu verdienen. Wenn ich jetzt die Kunden enttäusche, wäre ich erledigt“, erklärte er.

Die Staatsanwaltschaft lässt nicht locker

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erkannte in seinem Plädoyer an, dass der Angeklagte bisher straffrei gewesen ist und nach dem Rennen nicht mehr auffällig wurde. Er forderte eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 Euro, also 6000 Euro. Dazu forderte er ein Fahrverbot: „Ich halte drei Monate Fahrverbot nach wie vor für angebracht“, sagte er. Dabei stand zuvor in der Verhandlung sogar noch kurzzeitig der komplette Führerscheinentzug im Raum.

Der Eingang zum Amtsgericht Stockach (Archivbild).
Der Eingang zum Amtsgericht Stockach (Archivbild). | Bild: Timm Lechler

Der Anwalt betonte, wie komplett spontan das Rennen in der Situation entstanden sei und dass sein Mandant keinerlei Kontakte mehr zu Vertretern der Szene habe. „Er hat realisiert, dass die Angelegenheit unklug, wenn nicht dämlich war.“ Aber: „Trotz Straffunktion kann es nicht Sinn sein, jemanden in eine Situation zu schießen, in der er dem Staat auf der Tasche liegen würde“, argumentierte er und beantragte deshalb ein Fahrverbot für nur einen Monat. Er schloss sich 60 Tagessätzen an, jedoch mit einer Höhe im Ermessen des Gerichts.

Richterin Jenike verurteilte den Handwerker schließlich zu 60 Tagessätze á 100 Euro und einem Monat Fahrverbot. Sie hielt ihm das Geständnis zugute, dass die Tat lange zurückliegt und dass es kein typisches Rennen mit Gefährdungen gewesen sei.

Der Führerschein bleibt direkt im Gerichtssaal

Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Sein Verteidiger wollte das Fahrverbot sofort auf den Weg bringen, indem er den Führerschein seines Mandanten direkt im Gerichtssaal in amtliche Verwahrung gab.