Überörtlicher Verkehr soll raus aus Stockach – das ist das Ziel einer Umgehungsstraße, die im Westen um Stockach herumführen soll. Sie soll die Kernstadt maßgeblich vom Durchgangsverkehr entlasten. Dieses Straßenprojekt steht zwar im Bundesverkehrswegeplan für 2030 in der Kategorie vordringlicher Bedarf. Die Planung steht allerdings noch am Anfang. Der derzeitige Schritt im Planungsverfahren heißt im Behördendeutsch Scopingverfahren. Dieses diene dazu, überhaupt festzustellen, welche Untersuchungen man für die verschiedenen möglichen Trassen der Straße braucht, erklärt Yvonne Guduscheit, Chefin der Neubauleitung Singen beim Regierungspräsidium (RP) Freiburg.
Sie nennt Beispiele für Fragen, um die es in diesem Schritt des Verfahrens geht: Ist ein Wasserschutzgebiet betroffen? Gibt es entlang einer möglichen Strecke Altlasten? Und welche Naturschutzbelange gibt es? Der nächste Schritt im Planungsverfahren ist laut RP-Sprecherin Heike Spannagel die Voruntersuchung. Dabei werden erste Umweltgutachten eingeholt. Und es werden auch die „in Betracht kommenden Trassenvarianten entwickelt und geprüft“, so Spannagel.
Aber natürlich haben die Planer beim RP bereits jetzt Vorstellungen davon, wo eine Westumfahrung von Stockach verlaufen könnte. Eine Landkarte (siehe Grafik) gibt darüber Auskunft. Diese wurde bislang nur an die Ansprechpartner im Scoping-Verfahren geschickt, ging aber nicht an die breite Öffentlichkeit. RP-Sprecherin Spannagel betont, „dass dies lediglich ein Arbeitspapier ist“. Darauf eingetragen seien keine konkreten Varianten, sondern breite Trassenkorridore. Diese sollen beim Scoping-Verfahren dazu dienen, dass die Ansprechpartner Stellung nehmen können, wie breit der Untersuchungsraum ausgedehnt werden soll. Es könne sich also noch alles ändern, so Spannagel: die Länge der Straße, ihr tatsächlicher Verlauf und ob sie überhaupt in einem dieser Trassenkorridore verläuft oder ob eine völlig neue Möglichkeit hinzukommt.

Derzeit im Gespräch ist aber offenbar, dass die Umfahrung im Norden bereits zwischen Windegg und Zizenhausen beginnen und im weiten Bogen zum Autobahnanschluss Stockach-West verlaufen könnte. Weitere Trassenkorridore verlaufen wesentlich näher bei der Stadt. Sie beginnen erst südlich von Zizenhausen. Einer von ihnen führt dann ebenfalls zum Autobahnanschluss Stockach-West. Der andere ist als Tunnelvariante gekennzeichnet und würde beim Aluminiumwerk auf die Landesstraße 194 münden.
Verläuft die Umfahrung nah bei der Stadt, kann auch innerstädtischer Verkehr auf die neue Straße ausweichen
Verkehrsplaner Reiner Neumann vom Ulmer Büro Modus Consult hat bei der Stockacher Einwohnerversammlung im November 2018 vorgerechnet, dass eine Umfahrung umso mehr Entlastung bringe, je näher sie an der Stadt verlaufe. Der Grund: Ein Teil des innerstädtischen Verkehrs könnte dann auch über die neue Straße fließen. Und Yvonne Guduscheit erklärt, dass ein direkter Anschluss an die Bundesstraße 313 nach Meßkirch und ein Anschluss an die Autobahn ebenfalls effektiver seien.
Die Umweltverbände BUND und NABU haben hingegen andere Vorstellungen von dem Bauprojekt: Es müsse das oberste Ziel sein, natürliche Ressourcen zu bewahren, heißt es in der Stellungnahme zum Scoping-Verfahren, die Hans Steisslinger, Vorsitzender des BUND-Ortsverbands Bodman-Ludwigshafen/Stockach unterzeichnet hat. Die Planung basiere auf der Annahme, dass der Individualverkehr weiter so zunehme wie in den vergangenen 40 Jahren, wovon aber nicht auszugehen sei. „Ein Straßenbauprojekt wie die Westumfahrung Stockachs ist vor diesem Hintergrund heute völlig abwegig und wird von uns vehement abgelehnt“, heißt es in der Stellungnahme.

Daher wird in dem Schreiben die Forderung aufgestellt, eine Trassenführung auf der bestehenden Straße auszuarbeiten. Zur Entlastung der Anwohner und für eine schnellere Durchfahrt bringen die Verbände einen Tunnel zwischen Hindelwangen und Rißtorfkreisel ins Spiel oder eine Unterführung am Bahnübergang an der Schiesser-Kreuzung. Beides müsse ernsthaft in Betracht gezogen werden. Neben dem kleineren Flächenverbrauch ein weitere Vorteil aus Sicht der Verbände: Der Bau könnte früher anfangen, weil man nicht langwierig um Grundstücke verhandeln müsse.
Guduscheit sagt dazu: Mit einer solchen Lösung habe man natürlich weniger Eingriffe in die Natur. Sie könne sich aber nicht vorstellen, dass man das Verkehrsaufkommen mit der jetzigen Trasse abwickeln könne. Bund und Land würden den Straßenneubau gleichermaßen hoch priorisieren, sagt Guduscheit. Und das deute sie folgendermaßen: Man bekommt den Verkehr auf der bestehenden Straße nicht hin. Eine Rückmeldung an den BUND habe es allerdings noch nicht gegeben, sagt Steisslinger auf Nachfrage. Und: Beim nächsten Runden Tisch Mobilität, der nur im Internet stattfinden soll, soll die Umfahrung zum Thema werden.