Vor fast einem Jahr wurden die Feuerwehrwehren aus der gesamten Region zu einem Einsatz nach Gammertingen gerufen – dort war ein Großfeuer in einer Halle ausgebrochen. Was war geschehen? Bei der Hochzeitsfeier des Firmenchefs, das auf einem Privatgrundstück neben dem Firmengelände stattfand, wurde gegen 23 Uhr ein Feuerwerk abgebrannt. Und später wurde festgestellt, dass wohl Funken von Feuerwerkskörpern das Feuer ausgelöst hatten.
Ermittlungen gegen den Pyrotechniker
Gegen den verantwortlichen Pyrotechniker hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Großbrand hatte überregional für schlagzeilenträchtige Berichterstattung gesorgt, auch weil sich Anwohner aus Sorge über mögliche Schadstoffbelastungen meldeten. Zudem geriet damalige Bürgermeister Holger Jerg geriet ins Visier, weil die Verwaltung das private Feuerwerk genehmigt hatte.
Feuerwehrverband schildert den damaligen Einsatz
Nun hat die Feuerwehr den Großeinsatz in ihrem „Magazin“ aufgearbeitet. Beinahe 500 Einsatzkräfte von zahlreichen Wehren waren in dieser Nacht in Gammertingen vor Ort und im Verlauf der Nachlöscharbeiten und mit Auswechselkräften kamen insgesamt etwa 740 Frauen und Männer zum Einsatz, berichtet der Verband in dem Magazin-Beitrag. Aufgrund des geplanten Feuerwerks hatte die Feuerwehr Gammertingen bereits ein Löschfahrzeug zur Brandwache abgestellt. Nach Ende des Feuerwerks wurden die Feuerwehrler durch Mitarbeiter einer Security-Firma auf einen Brand im westlichen Bereich des Firmengeländes aufmerksam gemacht. Sofort begab sich die Besatzung des Löschfahrzeugs an den Brandort und leitete erste Löschmaßnahmen ein.
Zweite Brandausbruchsstelle wurde gemeldet
Gleichzeitig wurde eine zweite Brandausbruchstelle gemeldet, die genau auf der gegenüberliegenden Seite des Verwaltungs- und Werkstattgebäudes lag. Zwischenzeitlich wurden von der Brandwache über die integrierte Leitstelle „Bodensee-Oberschwaben“ weitere Kräfte nachgefordert.
Die Leitstelle löste daraufhin einen Vollalarm für die Gesamtfeuerwehr Gammertingen aus, sowie für die Feuerwehr Neufra. Das Feuer breitete sich sehr schnell in den im Außenbereich gelagerten Reifenpalletten aus und griff auf eine Lagerhalle über. Aufgrund der enormen Hitzestrahlung musste die Position des Löschfahrzeugs, das an einem Löschteich stationiert war, aufgegeben werden und die Besatzung musste sich, um sich nicht zu gefährden, zurückziehen.
Feuerwehren können Ausbreitung des Brandes verhindern
Zwischenzeitlich waren andere Feuerwehren eingetroffen und wurden umgehend zur Brandbekämpfung bzw. zur Vornahme von Riegelstellungen eingesetzt. Primär galt es eine weitere Brandausbreitung zu verhindern und angrenzende Lagerhallen zu schützen. Von der Einsatzleitung wurden massiv weitere Kräfte nachgefordert. So wurden Löschzüge aus Burla- dingen, Albstadt, Winterlingen und Sigmaringen nachgefordert. Ebenso wurde die Standortfeuerwehr des Truppenübungsplatzes in Stetten a. k. M. angefordert. Die Bevölkerung wurde über Lautsprecherdurchsagen, Radio und der Nina-WarnApp aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten.

Schadstoffmessungen in der Region
Die Feuerwehren Bad Saulgau, Mengen und Balingen führten Schadstoffmessungen in der Umgebung durch. Das DRK und der Malteser Hilfsdienst waren ebenfalls mit starken Kräften vor Ort, wo elf Personen im Sanitätszelt ambulant behandelt und vier Verletzte in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten.
Landwirte helfen bei der Löschwasserversorgung mit
Das Löschwasser konnte in großen Mengen aus Löschteichen und Zisternen auf dem Firmengelände entnommen und aufgrund eines geschlossenen Systems immer wieder verwendet werden. Trotzdem wurde eine weitere Wasserversorgung aus der etwa 1,5 Kilometer entfernten Lauchert zur Brandstelle aufgebaut. Mehrere Landwirte unterstützten den Löschwasser-Transport mit großen Fass-Wagen. Letztlich konnte eine weitere Brandausbreitung verhindert und das Feuer unter Kontrolle gebracht werden.
Unternehmenssprecher beziffert Schadenssumme auf 25 Millionen Euro
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER macht Mike Hummel, bei Reifen Göggel unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, deutlich, dass beim Brand vor einem Jahr im Prinzip lediglich ein Teil einer Lagerhalle abbrannte, also „ein Dach und zwei Mauern“, mitsamt tausenden von Reifen, dazu Folien und Fahrzeuge. Die Schadenssumme beziffert er auf rund 25 Millionen Euro, wobei die Versicherungen die Kostenübernahme regeln würden. Was mit der Fläche der abgebrannten Lagerhalle geschieht, sei noch unklar.
Halle wird im neuen Gewerbegebiet ersetzt
Zunächst werde man einen vor zwei Jahren begonnen Neubau fertigstellen, und sich dann mit diesem Gelände befassen. Angesichts der anhaltenden Nachfrage gibt es im Unternehmen schon Pläne für weitere Hallen, wobei es am bisherigen Standort aber keine Flächen mehr gebe. Die Umsetzung dieser Erweiterungsbauten soll deshalb im neuen Gewerbegebiet auf der gegenüberliegenden Seite der Bundesstraße stattfinden. Derzeit lagert das Unternehmen rund 1,5 Millionen Reifen auf dem Gelände und beschäftigt 250 Mitarbeiter.
Unternehmer ist ein Self-Made-Millionär
Der Unternehmensgründer Bruno Göggel eröffnete als 21-Jähriger im Jahr 1982 in Gammertingen eine Montagestation für Autoreifen. Schon nach wenigen Jahren beschäftigte er vier Mitarbeiter. Mit 27 Jahren stieg der Jungunternehmer in den Reifen-Großhandel ein und 1992 führt der innovative Firmengründer einen 24-Stunden-Lieferservice ein. 1995 startet die bundesweite Auslieferung mit Paketdienst. 1997 dann lässt Göggel ein neues Zentrallager im Gewerbegebiet für 140 000 Reifen bauen. Im Jahr 2002 gründete er einen Onlineshop mit 24-Stunden-Bestellmöglichkeit und aktueller Preisauskunft. Nur zwei Jahre darauf erreicht die Lagerkapazität an Reifen die Millionengrenze. Nach Österreich im Jahr 1999 erfolgt 2010 die Expansion in die Schweiz. Im Jahr 2021 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 256 Millionen Euro.