Heute schüttelt man beim Betrachten alter Fotos ungläubig den Kopf und fragt sich: „Auch ich habe Netzhemden, Puffärmel und Bubikragen getragen?“ Doch was man rückblickend als Modepanne betrachtet, war früher gar nicht peinlich, sondern einfach nur geil. Oder affengeil. Wenn Annette Pinkus und ihr Mann in die Pfullendorfer Willi-Bar gegangen sind, haben sie sich in Schale geworfen. Sie damals 18 Jahre alt und gerade fertig mit der Schule, er 21 und Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr.

Annette und Marc Pinkus 37 Jahre später. Die schwarz-weiß gestreifte Hose und das neongrüne T-Shirt erinnern an den Style der 80er.
Annette und Marc Pinkus 37 Jahre später. Die schwarz-weiß gestreifte Hose und das neongrüne T-Shirt erinnern an den Style der 80er. | Bild: Johanson, Kirsten

Discokugel und „Space Invaders“

„Wir waren in der Willi-Bar praktisch zu Hause, es gab eine Tanzfläche mit Discokugel, ein DJ hat aufgelegt und am Tischcomputer konnte man Space Invadors spielen“, erinnern sich die beiden, die 1984 jung geheiratet und eine Familie gegründet haben. „Das war eine tolle Zeit.“ Um 20 Uhr war der Laden schon voll, dafür ist man nicht bis in die Puppen geblieben. Der Eintritt kostete drei Mark, ein Getränk war inbegriffen. Meistens ein Glas Cidre, ab und an mal Jacky Cola.

„Man ist nicht einfach so hingegangen, sondern hat sich aufgehübscht. Die Föhnfrisur musste sitzen“, lacht Marc Pinkus. „Ich habe auf Jeans gespart, die gab es dann im Hosen Eck in Pfullendorf“, erzählt Annette, inzwischen 55 und Mode-Bloggerin auf Instagram. Wenn man sich etwas Besonderes leisten wollte, sei man schon mal in einen hippen Modeladen nach Singen gefahren.

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Als Kulthose galt die Levis 501. Auf dem Markt in Pfullendorf konnte man sich Second Hand Bundeswehr-Parkas oder ein Palästinensertuch kaufen. „Was auch ganz angesagt war: „Gelbe Regenjacken mit Kuli bemalen, da standen dann so Sachen drauf wie ‚make love, not war‘, ‚peace‘ oder von Pink Floyd ‚another brick in the wall‘“, sagt Marc. Er gibt zu, dass er die Enden seiner Jeans – natürlich in der Karottenform – in seine hohen, weißen Turnschuhe reingestopft hat. Doch wenn man sieht, wie Teenager bis vor kurzem mit weißen Tennissocken in Adiletten rumliefen, ist das gar nicht mehr so schlimm.

Weite Sweat-Shirts, gerne mit Fledermausärmeln, und karierte Holzfällerhemden ließen die Figur darunter nur erahnen. Oversized-Blazer mit Schulterpolstern ließen Frauen wie Bodybuilder wirken. Männer fanden Trainingsanzüge aus Fallschirmseide in besorgniserregenden Farbzusammenstellungen cool. Die Mode der 80er mit der Y-oder V-Silhouette ist durchaus wieder im Kommen, wie Sonja Langer vom Modehaus Langer beobachtet. Auch der Pullunder behauptet sich wieder. „Das ist Trendthema diesen Herbst!“

Der Pullunder ist nicht tot, er wird im Herbst des Jahres von sich reden machen, sagt Sonja Langer.
Der Pullunder ist nicht tot, er wird im Herbst des Jahres von sich reden machen, sagt Sonja Langer. | Bild: Johanson, Kirsten

Jedes Jahr ein neuer Look

Die Mode in den 80ern sei sehr vielseitig gewesen, doch jedes Jahr habe ein Look dominiert, zum Beispiel der Disco-Look mit viel Satin und Glanz. „Oder es konnte sein, dass alle nur Pullis in Fuchsia oder Jadegrün gekauft haben.“ Mit Fertigstellung der Stadthalle hatte das Modehaus Langer seine Modenschauen dorthin verlegt. „Unsere Modenschau war die erste Veranstaltung in der neuen Stadthalle. Das war wirklich ein Event, es kamen um die 600 Besucher“, erzählt Sonja Langer und muss beim Durchblättern der Fotoalben schmunzeln: An den Ohren der Models baumelten große Creolen, Hütchen oder Stirnband waren modisches Accessoire. Über die Pullovern zogen sich bunte, wilde Muster. „Die Kollektionen von Carlo Colucci waren da ganz vorne dabei“, erinnert sich Sonja Langer. Die Mode der 80er Jahre war alles andere als zurückhaltend.

Geschäftsmann Harry Langer Ende der 80er mit Lederblouson.
Geschäftsmann Harry Langer Ende der 80er mit Lederblouson. | Bild: Sonja Langer

Mode in „Miami Vice“ ein Vorbild

Heute kombiniert man dezenter. Die Schultern werden tatsächlich wieder mehr betont, zum Beispiel zu einem schmalen Rock, doch die Schulterpolster fallen nicht mehr ganz so üppig aus. Kostüme mit Jäckchen und Rock aus einem Stoff seien dagegen out, während taillenhoch und locker geschnittene Jeans als so genannte „Mom-Jeans“ ein Revival erleben. Und bei den Männern kehren die Bundfaltenhosen zurück. Sonja Langer kann sich gut entsinnen, dass sich die Männermode in den 80er Jahren stark an der TV-Serie Miami Vice mit Don Johnson orientierte: Schlabberige Hosen, weites Pastell-Sakko überm T-Shirt, die Füße ohne Socken (!) in Slippern. Welchem 80er-Style konnte die Modefachfrau gar nichts abgewinnen? „Ich persönlich fand bunte Leggins mit kurzen Oberteilen ganz schlimm. Doch natürlich gab es auch Leggins bei uns zu kaufen, ein hochwertiges Exemplar konnte durchaus 100 Mark kosten.“

Glänzendes Outfit im Disco-Look, wie man 1989 bei der Modenschau von Modehaus Langer sehen konnte.
Glänzendes Outfit im Disco-Look, wie man 1989 bei der Modenschau von Modehaus Langer sehen konnte. | Bild: Modehaus Langer