Die Wahl zum 20. Bundestag am 26. September rückt näher und die Parteien treffen ihre Entscheidungen, mit welchem Personal sie denn möglichst viele Sitze im neuen Reichstag erringen wollen. Auf ihrem Landesparteitag am Wochenende haben Bündnis90/Die Grünen ihre Kandidatenliste gewählt und mit Platz 22 ergatterte Johannes Kretschmann, grüner Fraktionschef im Kreistag, einen aussichtsreichen Listenplatz.
Thomas Bareiß (CDU) hat das Direktmandat im Wahlkreis 295 schon vier Mal geholt
Denn, wenn die derzeitigen Prognosen eintreffen und die Grünen bundesweit tatsächlich mehr als 20 Prozent erhalten, kann der Sohn von Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon die Koffer für Berlin packen, denn Listenplatz 22 genügt dann allemal für den Bundestag. Und wenn es seinem CDU-Konkurrenten Thomas Bareiß gelingt, zum fünften Mal das Direktmandat im Wahlkreis 295 „Zollernalb-Sigmaringen“ zu holen, dann werden die Interessen der Region künftig von mindestens zwei Abgeordneten vertreten. Bareiß, aktuell parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, wurde bereits im Oktober 2020 von seiner Partei nominiert. Der 46-Jährige hatte 2005 erstmals den Sprung in den Bundestag geschafft und dabei und 53,3 der Erststimmen geholt. Vier Jahre später verpasste er die 50-Prozent-Hürde mit 49,4 Prozent nur knapp, katapultierte sich aber 2017 mit 60,7 Prozent in die Höhe. Bei der Wahl im Jahr 2017 wurde er mit 45 Prozent klarer Sieger vor der SPD-Kandidatin Stella Kirgiane-Efremidou die 14,4 Prozent der Erststimmen holte und vor dem AfD-Bewerber Hans-Peter Hörner, der 13,6 Prozent erhielt. Der grüne Kandidat Erwin Feucht kam auf 12,7 Prozent.
Kretschmann: „Es liegt etwas in der Luft, womöglich eine echte Wechselstimmung“
Ob es angesichts dieses enormen Abstandes zwischen CDU und Grünen im Wahlkreis 295 tatsächlich einen Zweikampf um das Direktmandat gibt, erscheint fraglich. Sollten die Grünen in Baden-Württemberg ihr Ergebnis der Landtagswahl vom 14. März aber wiederholen, dann könnte es allerdings für den bisherigen „Platzhirsch“, sprich Thomas Bareiß, knapper als gedacht werden. Im SÜDKURIER-Gespräch formuliert Johannes Kretschmann entsprechend vorsichtig, was seine Chancen gegen den CDU-Kandidaten im Kampf um das Direktmandat angeht. „Bei meinen bisherigen, coronabedingt möglichen politischen Terminen und Begegnungen im Wahlkreis habe ich schon gespürt, dass etwas in der Luft liegt, womöglich eine echte Wechselstimmung.“ Auf jeden Fall strebe er ein gutes grünes Wahlergebnis sowohl bei den Zweit- als auch Erststimmen an.
„Ich war überrascht, dass es keinen Gegenkandidaten gab“
Auf die Frage, dass seine Kandidatur auf Platz 22 klappte, sogar ohne Gegenkandidat, sieht der 41-jährige als Ergebnis seiner Arbeit und bisherigen politischen Erfolge. Der studierte Romanist verweist auf seine gewonnene Kampfkandidatur, als die Kreisverbände Sigmaringen und Zollernalbkreis den Kandidaten für die Bundestagswahl nominierten. „Man braucht Rückhalt und konkrete Unterstützung in der Partei, die ich erfahren habe und über die ich sehr dankbar bin, weit über den Tag der Wahl hinaus“, ergänzt Kretschmann, dass er selbst überrascht wurde, dass er keinen Gegenkandidaten hatte. Verlautbarungen in den sozialen Medien hätten bis wenige Stunden vor dem Wahlgang noch auf eine Kampfabstimmung hingedeutet. Und am Samstag fanden bis zu Platz 20 etliche Duelle mit denkbar knappem Ausgang statt, am Sonntag erkennbar weniger. „Da gab es wohl Bestrebungen, mehr auf Einigung als auf Konfrontation hinzuwirken“, mutmaßt der Grüne, dass so ein Listenparteitag, den er als dynamischen Prozess beschreibt, durchaus für Überraschungen und Übereinkünfte gut sei.
Wer ist Favorit bei den Grünen für die Kanzlerkandidatur?
Auf zwei SÜDKURIER-Fragen gibt es von dem Kandidaten für den 26. September noch keine konkrete Antwort. Ob er bei einer Wahl in den Reichstag sein Mandat im Kreistag des Landkreises Sigmaringen ausüben würde, wäre im Prinzip davon abhängig, welche Funktionen er bei einem Erfolg in Berlin übernehmen könnte. Aber in Baden-Württemberg gebe es einige Abgeordnete, die ihre kommunalen Ämter weiter ausübten, wobei die Reiseentfernung zwischen der Hauptstadt und seinem Wohnort Laiz doch sehr groß sei. Keine eindeutige Antwort hat der Sigmaringer auf die Frage, ob die Grünen mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock als Kandidat für das Kanzleramt in den Wahlkampf ziehen sollten: „Hinter dieser Frage steckt ein Luxusproblem, für das ich die letzte Zeit keine Energie aufbringen konnte und musste.“ Die Partei hatte nach Überzeugung von Kretschmann noch nie so ein starkes Duo, „und Annalena und Robert sind mit der Grund, warum Platz 22 auf der Landesliste mich so zuversichtlich stimmt.“ Er sei froh dass die Beiden die Kanzlerfrage unter sich ausmachten, denn ihm würde eine Entscheidung schwer fallen oder gar unmöglich sein. „Egal, wer es wird, sie oder er hat meine volle Zuneigung und Unterstützung.“
Bewerbungsfrist für Parteien und Einzelbewerber läuft
Während CDU und Grüne, denen in sechs Monaten deutschlandweit die meisten Stimmen prognostiziert werden, im Wahlkreis „Zollernalb-Sigmaringen“ schon ihre Kandidaten bestimmt haben, läuft für die übrigen Parteien und Einzelbewerber die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen. Dabei müssen die Parteien, die nach der letzten Wahl weder im Bundestag noch im Landtag mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, bis zum 21. Juni beim Bundeswahleiter des statistischen Bundesamtes ihre Teilnahme an der Bundestagswahl schriftlich anzeigen und dabei von mindestens 200 Wahlberechtigten unterstützt werden. Die Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge endet am 19. Juli um 18 Uhr. Dabei muss der Vorschlag im Original bei den Kreiswahlleitern des Landkreises Sigmaringen und des Zollernalbkreises eingegangen sein. Eine Kopie oder ein Fax ist nicht erlaubt.