Ziemlich schnell war für Ramona Vogelbacher klar, dass es ein besonderes Schuljahr werden würde. Zwar definitiert die Vorsitzende des Gesamtelternbeirates der Donaueschinger Schulen, Elternarbeit grundsätzlich schon über das Kuchen-Backen hinaus, doch in Zeiten der Corona-Pandemie gibt es zusätzliche Herausforderungen – für Eltern, für Lehrer und nicht zuletzt für die Kinder.

Zuhören hat in der besonderen Situation viel geholfen

„Es gib um das Zuhören und darum, ein Bewusstsein zu schaffen“, erklärt Vogelbacher. Dabei wären es oft auch kleine Dinge gewesen. Wie beispielsweise Kinder, die zu spät zum digitalen Unterricht erschienen sind. „Man muss sich bewusst machen, dass die Kinder zuhause keinen Pausengong haben und wenn sie vertieft an etwas arbeiten, einfach vergessen, dass es Zeit für die nächste Stunde ist.“ Die Empfehlung für die Eltern war einfach: eine Küchenuhr, die den Kindern die nötige Struktur schafft und sie daran erinnert, wann es Zeit für die nächste Stunde ist – oder eben die Pause.

Tea-Time: Wie Eltern und Schule miteinander kommunizieren

Bewusstsein schaffen in einer außergewöhnlichen Situation und auch Verständnis – das war das Anliegen. Doch Kontakt zu den Eltern zu bekommen und auch zu halten, sei schon unter normalen Umständen eine Herausforderung, in Krisenzeiten aber elementar. Emotionen kochen hoch und es brauche eine Klagemauer. Die Lösung: sogenannte Tea-Times. Das sind wöchentliche Schalten – abwechselnd für Eltern und Lehrer. Und zwischendrin die Mitglieder des Elternbeirates in einer Mittlerrolle.

Mehr Vertrauen, wenn das Verstehen der Situation nicht mehr ausreicht

Mit dem dringenden Appell auf badisch: „Mr sott drum due, dass der s Vudraue inenand aafangt, wo s enander Vuschdau nimmi langt.“ (Man sollte tunlichst dafür sorgen, dass das gegenseitige Vertrauen dort beginnt, wo das reine gegenseitige Verstehen nicht mehr ausreicht.) Will heißen: Lehrer haben nicht morgens recht und mittags frei und Eltern wollen nicht grundsätzlich die Erziehungsverantwortung entweder komplett abgeben und völlig an sich reißen. Solche Vorurteile helfen grundsätzlich nicht, können in Krisenzeiten aber schnell dazu genutzt werden, der anderen Seite die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Niederschwelliges Kommunizieren hilft für mehr gegenseitiges Verständnis

Beispielsweise hätten Eltern im vergangenen Jahr nur gesehen, wenn ihr Kind kein Videounterricht gehabt hätte. Wie aber die Schulstunde per Video abläuft, dass sei vielen nicht bewusst gewesen. Dass ein Lehrer 30 Schüler gleichzeitig mit Schulstoff vertraut machen muss, der ihnen völlig unbekannt ist. Dass Lehrer nicht automatisch wissen, wie man die neue Plattform am besten nutzt. „Der Videounterricht ist schwer mit unseren digitalen Schalten, die wir im Beruf haben, zu vergleichen.“

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Solch ein Wissen hilft auch, Verständnis aufzubauen. Beispielsweise: Damit es mit der Übertragung klappt und die Videoschalte nicht hängen bleibt, mussten oft die Kameras ausgemacht werden. Dann unterrichtet der Lehrer aber in den schwarzen Raum hinaus, weiß nicht, wer aufpasst, wer etwas anders macht oder ob jemand nicht verstanden hat, was er erklärt.

Die große Frage: Wie wird das Schuljahr 2021/22?

„Wir wissen nicht, was uns erwartet: Wir haben aktuell keine Ahnung, wie die Kinder zurückkommen“, erklärt Vogelbacher. Klar ist, dass es erst einmal Präsenzunterricht gibt. Doch das ist nicht alles. Wie viel Stoff fehlt tatsächlich? Wie geht es den Kindern? Wie kommen sie nun zurecht.

„Das alles werden wir nicht in wenigen Wochen aufholen, dazu wird es Jahre brauchen.“
Ramona Vogelbacher

Beispielsweise konnten die aktuellen Dritt- und Siebtklässler nur schwer ein Klassengefüge aufbauen, obwohl sie nun das dritte Schuljahr zusammen in einer Klasse sind. „Die Kinder fühlen sich oft zwei Klassen jünger“, erklärt die Vorsitzende des Gesamtelternbeirates. Meilensteine für die Entwicklung der Kinder fehlen: Schullandheim, Abschlussausflüge der Viertklässler oder Exkursionen und Praktika und die damit verbundenen Erfahrungen sind ausgefallen. „Das alles werden wir nicht in wenigen Wochen aufholen, dazu wird es Jahre brauchen“, sagt Ramona Vogelbacher.

Zurück ins Hamsterrad: Für Erwachsene leicht – für Kinder ein Problem

„Wir Erwachsenen kehren ganz leicht wieder ins Hamsterrad zurück“, sagt Vogelbacher. Vollgepackte Terminkalender, hier eine Verabredung, dort ein Treffen. Stück für Stück ist das Vor-Corona-Leben wieder eingezogen. Schien sich die Zeit im Lockdown ewig zu dehnen, wird sie nun wieder knapp. „Dabei hat es den Kindern auch gut getan, dass die Eltern da waren und es mehr Nähe gab.“ Gemeinsames Kochen, gemeinsames Basteln oder analoge Spiele – irgendwie musste die Zeit ja genutzt werden.

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„Die Kinder sind richtig kleine Plappertaschen geworden“, sagt Vogelbacher. Eine Erfahrung, die sie in ihrer Funktion als Vorsitzende der Wolterdinger Schwimmsportfreunde bei ihren Einsätzen im Freibad gemacht hat. „Sie wollen zeigen, was sie können“, sagt Vogelbacher. Das sei auch das Gegenargument auf die Forderung, dass in der Schule nicht gleich Klassenarbeiten geschrieben werden sollten.

Was braucht es für das Schuljahr 2021/22?

„Es ist nicht einfach damit getan, dass wieder in Präsenz unterrichtet wird und die Eltern denken: ‚Die Schule wird‘s schon richten‘“, erklärt die Vorsitzende des Gesamtelternbeirates. Es brauche auch die Eltern, die beispielsweise ihr Kind wieder aufbauen, wenn es mal zerknirscht nach Hause kommt. Oder die dem Lehrer auch Rückmeldung geben, wenn ihnen zuhause etwas auffällt.

„Wechselunterricht ist das Schlimmste, weil sich alle immer wieder auf eine neue Situation einstellen müssen.“
Ramona Vogelbacher

Was es allerdings überhaupt nicht brauche: „Wechselunterricht ist das Schlimmste, weil sich alle immer wieder auf eine neue Situation einstellen müssen“, so Vogelbacher. Jede Woche oder gar jeden Tag etwas anderes, das sei für alle anstrengend. Vogelbacher bevorzugt – sollte es wirklich wieder nötig sein – ein Entweder-Oder.

Was ist besser? Das hänge vom Kind ab, seiner Persönlichkeitsstruktur und dem Alter ab. Manche Kinder würden zuhause alleine gut arbeiten und könnten daraus Vorteile ziehen. Andere wiederum würden leiden, weil ihnen die Kontakte fehlen. „Diese Inhomogenität ist eine Herausforderung für alle, aber sie zeigt eben auch, wie unsere Gesellschaft ist.“

„In Stuttgart ist es kein Problem, wenn das Kind zur zweiten, dritten oder vierten Stunde in die Schule muss. Hier ist immer auch die Frage: Fährt überhaupt ein Bus.“
Ramona Vogelbacher

Ähnlich sei das auch bei den Eltern: „Den einen gehen die Maßnahmen nicht weit genug, den anderen sind es viel zu viele Regeln“, sagt Vogelbacher. Extreme Fälle gebe es aber nicht. Wichtig sei es, den Eltern auch zu erklären, dass der Schulleiter selbst die Verordnung nicht macht, sondern nur versucht, die Regelungen, die ihm vorgegeben werden, bestmöglich an seiner Schule umzusetzen. „Es ist auch ein Unterschied, ob eine Schule 48 Schüler hat oder 748 Schüler.“ Und manche Regelungen, die in Stuttgart festgelegt wurden, seien für den ländlichen Raum nicht geeignet. „In Stuttgart ist es kein Problem, wenn das Kind zur zweiten, dritten oder vierten Stunde in die Schule muss. Hier ist immer auch die Frage: Fährt überhaupt ein Bus.“

Das vergangene Schuljahr hatte der Gesamtelternbeirat unter ein Motto gestellt. Der deutsche Dichter Friedrich Rückert diente als Ideengeber: „Was man nicht erfliegen kann, muss man erhinken“, schien dem Eltern-Team als guter Leitspruch für die Zeit, in der Corona allen die Flügel gestutzt hat. Das neue Schuljahr bietet andere und neue Herausforderungen – und ein neues Motto. Und wahrscheinlich wird es wieder ein besonderes Schuljahr.