Herr Link, in diesem Jahr lief alles anders. Auch Königsfeld blickt diesen Sommer auf eine aufwühlende erste Jahreshälfte zurück. Das Coronavirus hat einiges durcheinandergewirbelt. Unter anderem auch die Finanzen der Gemeinde. Wie steht Königsfeld im Moment da? Wo sind die größten Einbußen zu verzeichnen?
In der Tat mussten unter teilweise täglich wechselnden Rahmenbedingungen zur Umsetzung von über 50 Corona-Verordnungen gewaltige organisatorische Herausforderungen für die Verwaltung, die Schulen und Kindergärten, die Hilfsorganisationen und die ehrenamtlichen Helfer, zum Beispiel in der Nachbarschaftshilfe durch „Bürger Aktiv“, bewältigt werden. Mein Dank gilt allen Verantwortlichen für ihren konstruktiven Einsatz, aber auch allen Einwohnern für das weitgehend disziplinierte Einhalten der Hygienevorgaben. In finanzieller Hinsicht haben wir mit Blick auf die massiven Einbußen bei der Gewerbesteuer schon im Mai durch Erlass einer Haushaltssperre rund 660 000 EUR eingespart. In Folge der dankenswerter Weise von Bund und Land im Wege der Soforthilfeprogramme erfolgten Stabilisierung im Finanzausgleich, der Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und der weitgehenden Erstattung der Kita-Gebühren sowie sonstigen Pandemiekosten sind wir 2020 wieder in sicherem Fahrwasser. Allerdings stehen wir vor schwierigen Haushaltsjahren in der Zukunft, wenn sich die dramatisch eingebrochenen Steuereinnahmen zeitversetzt auswirken werden.
Tourismus und Übernachtungen sind für den Kurort wichtig. Im vergangenen Jahr wurde die Michael-Balint-Klinik geschlossen, jetzt fehlen Gäste wegen des Virus. Was tut Königsfeld dagegen?
Den coronabedingten Rückgängen bei Ankünften und Übernachtungen von jeweils rund 60 Prozent tragen wir durch verstärkte Marketingaktivitäten für „Urlaub in Deutschland“ im Rahmen der „Restart-Kampagnen“ der Schwarzwald-Tourismus GmbH sowie des Heilbäderverbandes Rechnung. Im Hinblick auf die dringend notwendige Wiederbelebung des Areals der Michael-Balint-Klinik wird sich bei der aktuell laufenden Verwertung der Immobilie durch den Insolvenzverwalter entscheiden, ob vorhandene Interessenten aus dem klinischen Bereich zum Zuge kommen. Dies wäre aus Sicht der Kommune die beste Lösung, die allerdings ohne unseren direkten Einfluss nach rein ökonomischen Kriterien beurteilt wird. Anderenfalls gilt es, möglicherweise unter Einbeziehung der angrenzenden Fläche des ehemaligen „Haus Doniswald“, eine ganzheitliche Lösung mit kombinierter Hotel- und Wohnnutzung zu entwickeln.

Ein Thema, das die Königsfelder in diesem Jahr besonders beschäftigt, ist die Aldi- und Rossmann-Debatte. Wie nehmen Sie die Stimmung im Ort wahr?
Die nunmehr bereits zweijährige, intensive öffentliche Diskussion über Pro und Contra einer – letztlich nur den Wegfall von Schlecker und Treff ersetzenden – Einzelhandelsentwicklung im Drogerie- und Discountsegment hat inzwischen fast die unangemessene Dimension eines „Glaubenskrieges“ erreicht. Hierbei stehen leider weniger die erforderliche, nüchterne Fakten- und Chancenbewertung im Vordergrund, sondern vielmehr zunehmend eine unsägliche Personifizierung und Emotionalisierung der Debatte. Insoweit bleibt zu hoffen, dass der Bürgerentscheid im Oktober eine hohe Wahlbeteiligung auslöst und hierdurch das Ergebnis, wie auch immer es ausfallen mag, eine hohe Legitimation und befriedende Wirkung durch das unmittelbare Mitentscheiden möglichst vieler Bürger entfaltet.
Was sagen Sie zu dem Argument der Aldi-Gegner, dass die Märkte im Widerspruch zu dem Image der Naturwaldgemeinde stehen?
Hier werden meines Erachtens Themen verquickt, die nichts miteinander zu tun haben: Eine ökologisch orientierte Waldbewirtschaftung, für die sich Königsfeld als landesweit erste Naturwaldgemeinde seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich engagiert, schließt doch nicht aus, dass wir unseren 6.000 Einwohnern mit unterschiedlichen Einkommensverhältnissen aus allen Ortsteilen im Zentralort ein zeitgemäßes und wettbewerbsorientiertes Grundversorgungsangebot offerieren. Außerdem ist für die Ansiedlung keine Wald- oder Biotopfläche im Außenbereich vorgesehen, sondern eine integriert innerhalb der Umgehungsstraßen unmittelbar an die Bebauung angrenzende Freifläche ohne besondere ökologische Bedeutung. Für die unvermeidbare Versiegelung wird an anderer Stelle ein adäquater Ausgleich geschaffen.
Immer wieder wird auch vonseiten der Bürger angebracht, dass es Senioren an einer fußläufigen Einkaufsmöglichkeit im Ortszentrum fehle. Auch Aldi und Rossmann wären da keine Lösung. Wie kann auf die Bedürfnisse der älteren Mitbürger reagiert werden?
Angesichts der Kleinräumigkeit des Kernortes und einer Entfernung von 350 Metern bis zur Friedrichstraße ist auch der geplante Standort der neuen Märkte – ebenso wie der Edeka-Markt – fußläufig erreichbar. Sicher wird der Weg für die unmittelbar im Ortszentrum wohnenden Mitbürger weiter. Um deren Bedarf zu befriedigen, wäre es denkbar, dass vorhandene Geschäfte ihr Angebot insoweit ergänzen oder dass durch eine Neukonzeption des für größere Marktansiedlungen leider nicht geeigneten Altstandortes des Treff-Marktes im Haus Just kleinere Lebensmittelanbieter etabliert werden. Ob hierfür jedoch die Nachfrage ausreicht, erscheint angesichts der aus ökonomischen Gründen erfolgten Schließung des Treff-Marktes an dieser Stelle mehr als fraglich.
Was sagen Sie zu der Befürchtung der Einzelhändler, dass womöglich die Kunden ausbleiben? Was tut die Gemeinde, um den Einzelhandel im Ort zu stärken und zu bewahren?
Wir gehen davon aus, dass die Ansiedlung von Rossmann und Aldi als Frequenzbringer vielmehr die Chance bietet, dass deutlich mehr Kunden den Weg in das Ortszentrum zur Befriedigung ihres weiteren Bedarfs finden: Wenn infolge der durch die neuen Märkte ausgelösten 500 Kunden-Bewegungen täglich ein realistischer Anteil von zehn Prozent davon auch ihre übrigen Einkäufe in Königsfeld tätigt, wären 50 Kunden mehr im Zentrum, was dringend erforderlich ist. Dies könnte durch gezieltes Marketing für den Einzelhandel im Zentrum – etwa durch Bannerwerbung – und Maßnahmen der Besucherlenkung unterstützt werden beispielsweise durch kostenfreies Parken oder attraktives Ambiente mit Cafés.
In St. Georgen ist der Neubau einer Aldi-Filiale beschlossen worden. St. Georgen liegt nicht einmal zehn Kilometer von Königsfeld. Sind zwei neue Filialen unweit voneinander wirklich sinnvoll?
Ja! Ein Aldi-Standort in St. Georgen besteht, ebenso wie in Villingen-Schwenningen oder Schramberg, seit Jahrzehnten und versorgt den dortigen Einzugsbereich. Ziel der Ansiedlung in Königsfeld ist es demgegenüber, die mangelhafte Grundversorgung im Discount- und Drogeriesegment für unsere Einwohner in sechs Ortsteilen sicherzustellen und hierdurch abgeflossene Kaufkraft in einer Größenordnung von 7,1 Millionen Euro pro Jahr im Kleinzentrum Königsfeld zu binden sowie ca. 2,7 Millionen Kilometer Fahrleistung im Jahr für Einkaufsfahrten einzusparen. Die Ansiedlungsentscheidung für Königsfeld haben Aldi und Rossmann zudem in Kenntnis der Bestandssituation in den anderen Orten und unter ökonomischer Analyse ihrer Umsatzerwartungen getroffen.
Auch der Standort für einen Mobilfunk-Masten ist immer wieder Thema. Wie ist denn der aktuelle Stand dazu? Wie geht es mit dem Breitband-Ausbau in Königsfeld voran?
Die Mobilfunk-Sendeanlage Erdmannsweiler-Neuhausen im Außenbereich zwischen den Teilorten und unter Einhaltung nicht nur der deutschen Grenzwerte, sondern darüber hinaus auch der Österreichischen und Schweizer Vorsorgewerte, befindet sich im Bau. Diesen höchstmöglichen Strahlenschutz streben wir auch für den jetzt in Diskussion befindlichen Suchlauf für den Ortsteil Burgberg an. Im September wird hierzu eine Informationsveranstaltung stattfinden, in der die antragsgemäß zusätzlich geprüften Standorte im Vergleich zu den bisherigen Alternativen bewertet werden. Beim Breitband-Ausbau werden wir dank der Zuschussbewilligung von Bund und Land in Höhe von insgesamt 1,08 Mio. EUR im Herbst mit der Einwohnerinformation für den Bereich „Glasbachtal Ost“ beginnen und hoffen auf eine große Anschlussbereitschaft der Anlieger. Für den ersten Bauabschnitt im Kernort Königsfeld wurde inzwischen die Bundesförderung mit 218.000 EUR bewilligt. Insoweit warten wir jetzt noch auf die Landesförderung mit voraussichtlich 175.000 EUR, damit wir auch hier den Startschuss für den Ausbau voraussichtlich im Jahr 2021 geben können.
Das Jahr ist erst halb vorbei. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die zweite Jahreshälfte und was wünschen Sie sich für die Gemeinde für das restliche Jahr?
Vor allem hoffe ich, dass die derzeit steigenden Corona-Infektionszahlen nicht zu einem zweiten „Lock-Down“ mit all seinen gravierenden ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Einschränkungen führen wird. Insoweit vertraue ich weiterhin auf die gelebte Mitverantwortung jedes einzelnen!
Fragen: Hanna Mayer