Dass ein nächtlicher Glockenschlag so viel Aufsehen erregen würde, damit hätte wohl niemand gerechnet. Obwohl der Beschluss vom Gemeinderat gefasst wurde, den Zeitschlag der Glocken der evangelischen Antoniuskirche künftig nachts abzustellen, kehrt keine Ruhe ein: Eine Unterschriftenaktion, initiiert von dem Mönchweiler Dennis Mattutat, bringt das Thema erneut auf den Tisch. Vielen stellt sich nun die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Und wie äußern sich eigentlich die Betroffenen zu der Debatte? Der SÜDKURIER hat nachgefragt.

Das sagt der Bürgermeister
- Unverständnis: Rudolf Fluck kann nicht nachvollziehen, dass um den Glockenschlag solch ein Aufheben gemacht wird: „Das ist sicher eine der unwichtigsten Baustellen hier in meiner Gemeinde.“ Fluck betont, dass es sich nicht nur um einen Bürger handle, der sich durch den Glockenschlag in der Nachtruhe gestört fühle, sondern um eine kleine Gruppe, die bei der Kirche wohne. Auch wenn der Antrag nur von einer kleinen Gruppe komme, er müsse trotzdem ernst genommen werden.

- Lärm und Lärmschutz seien, so Fluck, in der Gemeinde „ein riesen Thema“. Dass er für die Abschaltung der Glocken nachts gestimmt hat, begründet er damit: „Im Vordergrund steht der Lärm, sonst gar nichts.“ Bisher wurde die Lautstärke der Glocken noch nicht gemessen. „Die Gemeinde ist gebeutelt“, sagt Fluck über den Lärm im Ort: zwei vielbefahrene Straßen mit rund 35 000 Fahrzeugen pro Tag, außerdem das Industriegebiet, das ebenfalls einen gewissen Schallpegel besitze. Im Rahmen des Lärmaktionsplanes sei die Gemeinde bereits dabei, Maßnahmen zu ergreifen, um den Lärm zu reduzieren: die Umleitung des Schwerlastverkehrs über die B 33, Geschwindigkeitskontrollen, Zebrastreifen. In den nächsten Jahren sollen weitere Maßnahmen folgen: eine feste Geschwindigkeitsmessanlage, eine Pförtnerampel beim Netto und ein weiterer Fußgängerweg.
- Ein Kompromiss: Dass der Glockenschlag nicht 24 Stunden lang ausgesetzt werden soll, war dem Gemeinderat wichtig. Mit dem Beschluss wollten sie einen Kompromiss eingehen: „Von nachts ab zehn bis morgens um sechs, damit die Nachtruhe gewährleistet ist.“ Er persönlich habe nichts gegen den Glockenschlag.
- Kein Streit: „Ich nehme die Unterschriftenliste natürlich ernst“, sagt Rudolf Fluck. Ihm ist es ein Anliegen, dass die Gemeinde sich wegen dem Thema nicht zerstreitet. Beide Seiten könnten rechtliche Schritte einleiten. In Deutschland gebe es allerdings „tausende Gerichtsurteile, in Folge dessen der Glockenschlag in der Nacht ausgesetzt wurde, weil einzelne Bürger geklagt haben“. Demokratie und Rechtsstaat könnten auch in diesem Fall aufeinander treffen.

- So geht es weiter: Nach der Sommerpause wird Fluck mit der Unterschriftenliste in den Gemeinderat gehen und dort „genau abwägen, was wir jetzt tun“. Unter den Tisch soll das Thema nicht gekehrt werden. Er betont auch, dass Gemeinderatsbeschlüsse „nicht x-beliebig getroffen werden“ können. Bisher wurde der Glockenschlag nachts noch nicht abgestellt. „Wann ich das mache, muss ich schauen.“ Viele Leute hätten das noch gar nicht registriert“, sagt Fluck.
Das sagen die Anwohner
- Keine Zugezogenen: Roland Ganser und sein Sohn Christian Ganser wohnen mit ihren Familien seit 30 Jahren direkt gegenüber der Kirche. Der Blick vom Balkon zeigt auf die Antoniuskirche. Ihre Nachbarn Jürgen und Simone Reinhardt leben seit 23 Jahren im Ort. Ihr Schlafzimmer liegt zur Kirche hin. „Es ist unmöglich, bei offenem Fenster zu schlafen“, sagt Christian Ganser. Die beiden Familien wünschen sich, dass das nächtliche Zeitschlagen abgestellt wird. „Wir haben nicht mehr als eine Viertelstunde Ruhe, sogar nachts“, so Christian Ganser. Mindestens zehn Bürger seien in den beiden Haushalten davon betroffen. Dass das Thema vor allem in den sozialen Medien „hochgeschaukelt“ wurde und sich Menschen, die nicht einmal im Ort wohnen, an der Diskussion beteiligen, können die Betroffenen nicht verstehen. „Wo bleibt die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema?“, fragt sich Roland Ganser.
- Keine stichhaltigen Argumente: Die Argumente, die die Befürworter des nächtlichen Glockenschlags anbringen, sind für Roland Ganser nicht stichhaltig: Dass es sich beim nächtlichen Glockenschlag um eine Tradition handle, stimme nicht. Der Stundenschlag habe früher lediglich dazu gedient, die Zeit anzuzeigen, als es noch keine Uhren gab. Auch, dass der Stundenschlag mit sakralem Geläut gleichzusetzen ist, sei falsch. Was Roland Ganser am meisten ärgert, ist das Argument: „Es stört nicht.“ Denn dass es nachts sehr wohl störe, darin sind sich die Anwohner in unmittelbarer Nähe zur Kirche einig. „Wie kann ein Mensch, der nicht betroffen ist, es sich herausnehmen, die Betroffenen zu verurteilen?“, fragt sich Jürgen Reinhardt. Im engen Umkreis der Kirche gebe es nicht viele Häuser, außerdem würde der Schall schnell abnehmen. Vor allem in den Sommermonaten, wenn bei offenem Fenster geschlafen wird, sei der Glockenschlag unerträglich.

- Ein Kompromiss: „Es geht uns ja gar nicht darum, die Glocken grundsätzlich abzuschalten“, betont Simone Reinhardt. Die Glocken gehören für sie, wie für viele Ortsbewohner, zum Dorf dazu. Es gehe lediglich um das nächtliche Zeitschlagen. „Es ist ein Kompromiss, womit alle leben und schlafen können“, so Jürgen Reinhardt. Er ist enttäuscht von der Gemeinde, dass er um Hilfe bittet und darauf keine Rücksicht genommen wird. Für ihn sei es „ein Akt der Menschlichkeit“.
- Ausfall der Glocken: Roland und Christian Ganser amüsieren sich darüber, dass im letzten Jahr die Kirchenglocken wegen eines Blitzeinschlages monatelang ausgefallen sind und es keinem der Bürger aufgefallen ist. „Wir waren die einzigen, die den Bürgermeister darauf angesprochen und uns bedankt haben.“ Jeder sollte sich, so Jürgen Reinhardt, fragen: „Ist es wirklich schlimm, die Glocken nachts abzustellen?“ Für die Betroffenen wäre es eine Erleichterung.
Das sagt Dennis Mattutat
- Große Nachfrage: Der Initiator der Unterschriftenaktion erhält laut eigenen Angaben nach wie vor „zig Anfragen und Nachrichten“ zur Glockenschlag-Debatte. Für ihn gehören die Glocken zur Tradition und Kultur eines Dorfes. Kritische Stimmen habe er noch keine gehört. Seine Facebook-Gruppe zum Erhalt des Glockenschlags hat mittlerweile 72 Mitglieder.
- Aktion zieht Kreise: Die Unterschriftenaktion zieht weiter Kreise, jetzt auch landesweit: am Dienstag war der SWR für einen Fernsehbeitrag vor Ort. „In Mönchweiler gibt es kein anderes Thema mehr“, so Mattutat. Leute aus Villingen, Trossingen oder St. Georgen hätten sich auch schon bei ihm gemeldet und eine Unterschrift abgeben wollen. Bis das Thema im Gemeinderat erneut beraten werden soll, lässt Dennis Mattutat die Unterschriftenliste ruhen. „Es wird sich jetzt ja darum gekümmert.“
Gesetz
Das Zeitläuten der Kirchenglocken ist kein sakrales Geläut und unterliegt somit dem Bundes-Immisionsschutzgesetz. Demnach sind Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen, dazu gehören auch Geräusche, zu schützen. Das Gesetz gibt Lärmrichtwerte vor, die eingehalten werden müssen. Bei einem Kern-, Dorf- oder Mischgebiet liegt der Wert nachts bei 45 dB. Der Richtwert darf kurzzeitig um 20 dB überschritten werden. (may)
Das ist in Mönchweiler bisher geschehen
Am 26. Juli wurde vom Gemeinderat Mönchweiler mehrheitlich beschlossen, den nächtlichen Stundenschlag der evangelischen Antoniuskirche von 22 Uhr nachts bis sechs Uhr morgens abzustellen. Das bedeutet, dass die Glocken künftig von 22.01 Uhr bis 5.59 Uhr schweigen sollen. Vorangegangen war ein Antrag von Gemeinderat Thorsten Wenner, der von Anwohnern in direkter Nähe zur Kirche darum gebeten wurde, das Thema im Gemeinderat anzubringen. „Die Bürger fühlen sich durch das nächtliche Schlagen der Glocke gestört“, begründete er den Antrag. Der Beschluss, die Glocken nachts abzustellen, stieß bei einigen Bürgern auf Unverständnis. Dennis Mattutat sammelte auf Eigeninitiative Unterschriften im Ort, um für den Erhalt des Glockenschlags einzustehen. 67 Unterschriften legte er schließlich im Rathaus vor. Aktueller Stand ist, dass das Thema nach der Sommerpause erneut im Gemeinderat beraten werden soll.