Es war im Januar 2020, als eine heute 84-Jährige versuchte, ihr Fahrzeug aus einer Parklücke zu manövrieren. Ein anderer Autofahrer stoppte sie, behauptete, sie sei ihm schon zweimal an sein Auto gefahren. Die Polizei wurde benachrichtigt. Ein Schaden lag nicht vor. Am Ende landete der Vorfall als Eintrag in den Polizeiakte.

Tage vergingen, da flatterte der Frau aber ein Schreiben von der Führerscheinstelle ins Haus mit der Forderung, ihre Fahrtüchtigkeit nachzuweisen. Als Begründung wurde die Einschätzung des Beamten genannt und dass die Frau während der gesamten Zeit nicht aus dem Auto ausgestiegen sei. „Ja, meine Mutter ist körperlich gebrechlich und kann nicht mehr so lange stehen“, berichtet der Sohn. Was beide aber ärgert ist, dass der Bescheid ohne Vorwarnung kam. Beim Parkvorfall habe es keinen Hinweis und keine Information auf mögliche Konsequenzen seitens der Beamten gegeben. Vielmehr habe ein Polizist der Frau sogar noch per Handzeichen geholfen auszuparken, damit sie nach Hause fahren konnte, unfallfrei im übrigen, wie seit Jahrzehnten.

Der Fall zeigt, wie schnell es gehen kann, den Führerschein zu verlieren, auch ohne dass ein Unfall, Alkohol, Drogen oder andere Verstöße im Spiel sind. Der SÜDKURIER hat beim Landratsamt nachgefragt, wie solche Verfahren geregelt sind und wie es dazu überhaupt kommt.

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Amt reagiert auf Hinweise

„Die Fahrerlaubnis wird nur im Rahmen von Eignungsüberprüfungen entzogen“, teilt Landratsamt-Sprecherin Heike Frank auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. Demnach müsse es immer einen externen Auslöser geben, wie beispielsweise eine Mitteilung der Polizei im Zusammenhang mit einem Unfall oder einer Verkehrskontrolle, oder eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, zum Beispiel bei Alkohol- oder Drogenfahrten, fügt sie hinzu. „Und aus der Mitteilung müssen sich begründete Anhaltspunkte für Bedenken hinsichtlich der Fahreignung ergeben.“

Dass solche Verfahren eher selten sind und Senioren sich jetzt nicht bei jedem Kontakt mit der Polizei über einen drohenden Mobilitätsverlust Gedanken machen müssen, belegt Frank so: „Im Bereich der Entzüge bewegen sich die Fälle bei Senioren im einstelligen Bereich pro Jahr.“ Wie viele Senioren jährlich ihren Führerschein freiwillig abgeben, dazu gebe es keine Zahlen.

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So verläuft eine Eignungsüberprüfung

Liegt dem Amt ein Hinweis durch genannte Stellen vor – im Fall der 84-Jährigen kam der Hinweis offenbar durch den Polizisten – werden die Betroffenen vom Amt angeschrieben und aufgefordert, eine Einwilligung für eine entsprechende Untersuchung zu erteilen. „Dies kann entweder eine medizinische Untersuchung oder eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) sein“, erklärt Frank. Wenn aus der Mitteilung nicht klar ersichtlich ist, welche Ursache die Bedenken an der Fahreignung konkret haben, sei gegebenenfalls zunächst ein amtsärztliches Gutachten erforderlich. „Die Betroffenen werden bei diesem Anschreiben auch darauf hingewiesen, dass sie freiwillig auf den Führerschein verzichten können“, ergänzt Frank.

Wird die Einwilligung für eine Untersuchung erteilt, müssen Betroffene innerhalb einer gesetzten Frist das Gutachten vorlegen. Erfolgt keine Reaktion oder geht das Gutachten nicht rechtzeitig ein, wird seitens des Landratsamtes ein Entzugsverfahren angedroht. „Auch hier wird nochmals auf die Möglichkeit eines freiwilligen Verzichtes hingewiesen.“ Reagieren Betroffene auch hierauf nicht, ist die Konsequenz der Entzug der Fahrerlaubnis.

So endete das Verfahren auch im Fall der 84-Jährigen. Eine Untersuchung beim Arzt verlief zwar positiv, ein späterer Sehtest ebenfalls, allerdings erfolgte die Untersuchung der Sehkraft zu spät. Durch die Pandemie habe man den Termin verschwitzt, erinnert sich der Sohn, der erst vor einigen Tagen den Führerschein seiner Mutter beim Amt in den Briefkasten eingeworfen hatte.

Die Kosten

Den Weg über Einspruch und Wiederausstellung wollten Mutter und Sohn nämlich doch nicht mehr gehen. Weitere Kosten und die Ungewissheit, wie lange die körperlichen Fähigkeiten noch für ein sicheres Fahren ausgereicht hätten, führten zu ihrem Entschluss, auch wenn es schwerfiel, die Mobilität aufzugeben und mit dem Wissen, dass es aktuell vielleicht doch noch einmal gereicht hätte. Die Kosten von rund 400 Euro müssen sie selbst tragen.

„Die Höhe ist sehr unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab“, erklärt die Sprecherin. Wird ein Führerscheinentzug angeordnet, wird hierfür eine Gebühr von rund 200 Euro fällig. Weitere Kosten entstehen für ärztliche Gutachten, MPU oder ähnliche Untersuchungen. „Hier ist je nach Konstellation von mehreren hundert Euro auszugehen.“ Im Falle der 84-Jährigen setzte sich der Betrag aus 200 Euro Amtsgebühr, 100 Euro Artzkosten und 75 Euro für den Sehttest zusammen, plus Portogebühren. „Sollte der Betroffene im Fall eines Entzugs in den Widerspruch oder ein Klageverfahren gehen, entstehen weitere Kosten“, so Frank.

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Freiwilligkeit wird belohnt

Eine feste Altersgrenze zur Überprüfung der Fahreignung gebe es in Deutschland nicht, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, so Frank. Strengere Regularien gelten jedoch beispielsweise für Berufskraftfahrer.

Eignungsüberprüfungen seien immer Einzelfallprüfungen, bei denen begründete Anhaltspunkte für Bedenken an der Fahreignung vorliegen müssen. „Eine Anordnung ‚ins Blaue hinein‘ findet nicht statt“, versichert Frank. Die geringe Zahl der Entzugsverfahren legt zudem nahe, dass viele Senioren in der Region lieber freiwillig ihren Führerschein abgeben. Um diesen Weg der Freiwilligkeit zu fördern, existiert im Landkreis ein Anreizprogramm. „Im Falle eines freiwilligen, dauerhaften Verzichtes, erhalten Senioren für sechs Monate kostenlos ein Abo für den öffentlichen Personennahverkehr“, so Frank.

Das ist eigentlich ein tolles Angebot, für die 84-Jährige aber keine wirkliche Option, da ihr vor allem das Stehen und Gehen schwer fallen. Mit dem Bus mal eben in die Stadt zum Einkaufen zu fahren, ist für sie nur schwer möglich. Zu weit sind die Wege. Taxis oder Fahrdienste für Senioren, wie sie beispielsweise der DRK-Kreisverband anbietet, könnten ein eigenes Auto adäquat ersetzen. Sie verursachen jedoch deutliche Mehrkosten, die nicht generell von Sozialamt, Krankenkasse oder Pflegeversicherung übernommen werden. Nötig ist für solche Fahrten meist eine ärztliche Genehmigung.

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