Schwarzwald-Baar – Nein, Streiks seien für dieses Jahr keine geplant, sagt Thomas Bleile, erster Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Geschäftsstelle Villingen-Schwenningen. „Wir hatten letztes Jahr eine sehr gute Tarifrunde“, betont Bleile. Er hebt dabei vor allem die Lohnerhöhungen um 4,3 Prozent hervor sowie das ab diesem Jahr gültige tarifliche Zusatzgeld in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts. Beschäftigte mit Kindern unter acht Jahren oder pflegebedürftigen Angehörigen sowie jene, die seit mindestens zehn Jahren in Schichtarbeit tätig sind, können anstelle des Zusatzgeldes auch acht zusätzliche freie Tage beziehen. „Wir waren überrascht, wie gut das angenommen wurde“, sagt Thomas Bleile. Im Bereich seiner Geschäftsstelle sind bis jetzt 839 Anträge für zusätzliche Freitage gestellt worden, von denen 785 bisher genehmigt wurden. Die Zahlen könnten aber noch steigen, da viele Unternehmen ihre Urlaubsplanung noch nicht abgeschlossen hätten, erklärt der IG Metall-Gewerkschafter.
Doch Thomas Bleile hebt auch die Herausforderungen hervor, vor denen die Beschäftigten in der Metall- und Elektronikbranche stehen:
- Herausforderung Elektromobilität: Die Diskussionen um Diesel-Fahrverbote und die Umstellung auf Elektromobilität treiben die Gewerkschafter der IG Metall in Villingen-Schwenningen um. „Vor allem da man nicht weiß, wo die Reise hingeht“, sagt Gewerkschaftssekretär Oliver Böhme, der unter anderem für die Beschäftigten in der Kraftfahrtzeugbranche zuständig ist. In der Region seien viele mittelständische Autozulieferer angesiedelt, die auf die Herstellung von Einzelteilen für Autos spezialisiert sind. „Bei einigen muss man fragen: Wo kriegen wir die Leute unter, wenn der Verbrennungsmotor wegfällt?“ Thomas Bleile sieht die Automobilzulieferer in der Pflicht: „Die Konzerne haben betrogen – sie müssen jetzt auch in die Bresche springen.“ Zugleich betont er, dass Diesel trotz allem eine saubere Technologie sei. „Solange der Strom nicht ökologisch produziert wird, ist es linke Tasche wie rechte Tasche, ob man Diesel oder Elektro fährt.“ Die IG Metall bekenne sich klar zu den Klimazielen, doch müsse alles unternommen werden, dass der Prozess hin zur Elektromobilität nachhaltig und sozial verträglich gestaltet werde (siehe Kasten).
- Herausforderung Digitalisierung: Auch der Wandel hin zur Industrie 4.0 bewegt die Gewerkschafter der IG Metall, denn immer mehr Produktionsprozesse werden digitalisiert. Gerade Helfertätigkeiten, etwa in der Kraftfahrzeugindustrie, würden dadurch wegfallen, sagt Thomas Bleile. Die Unternehmen müssten darauf reagieren und ihre Beschäftigten entsprechend weiterqualifizieren. „Wenn man rechtzeitig auf sie reagiert, können diese Veränderungen eine Chance sein – auch für die Arbeitnehmer, die durch entsprechende Qualifizierungen aufsteigen können“, betont Bleile. Um besser auf die Folgen der Digitalisierung reagieren zu können, will die IG Metall dieses Jahr einen Transformationsatlas erstellen. „Wir schauen in ausgewählte Betriebe rein, um zu sehen, wie sie aufgestellt sind“, erklärt Thomas Bleile.
- Sicherung der Renten: „So, wie die Rente jetzt aufgestellt ist, wird es nicht funktionieren“, sagt Thomas Bleile. Deshalb gehöre die Sicherung der Rente zu einem der Arbeitsschwerpunkte der IG Metall für dieses Jahr. Seine Gewerkschaft setze dabei auf verschiedene Bausteine: Die staatliche Rentenversicherung solle mehr Reserven anlegen können, der Bund mehr Gelder aus Steuermitteln zuschießen und auch Beamte und Selbstständige sollten in die Rentenkasse einzahlen sowie entsprechende Ansprüche erhalten. Auch in der Anhebung des Beitragssatzes sieht die IG Metall einen Lösungspfeiler, um die Renten zu sichern. „Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern hat gezeigt, dass 85 Prozent von ihnen bereit wären, mehr einzuzahlen, wenn das Rentenniveau angehoben würde.“
- Wenig tarifgebundene Unternehmen: Nur rund zehn Prozent der regionalen Unternehmen der Metall- und Elektronikbranche sind tarifgebunden. Das habe damit zu tun, dass die Wirtschaft hier vor allem von kleinen und mittelständischen Betrieben, oft Familienunternehmen, geprägt sei, sagt Thomas Bleile: „Es ist für uns schwieriger, in kleine Unternehmen reinzukommen als in große.“ Diese Besonderheit der Region spiegle sich auch in den Mitgliederzahlen der IG Metall: Insgesamt seien in der Region rund 85 000 Menschen in der Metall- und Elektroindustrie tätig, die Gewerkschaft zähle im Geschäftsstellenbereich aber nur rund 8200 Mitglieder. Vor rund 15 Jahren seien es noch etwa 22 000 gewesen. Die Hemmschwelle sei höher, in eine Gewerkschaft einzutreten, wenn man den Chef täglich sehe, erklärt Thomas Bleile. Allerdings sei seit drei Jahren ein Zuwachs an Mitgliedern festzustellen: „Etwa aus Familienbetrieben, wo es einen Besitzerwechsel gab und der Chef nicht mehr so präsent ist.“
Arbeitsplätze gefährdet
150 000 Arbeitsplätze in der Automobilbranche seien deutschlandweit gefährdet, warnt Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall. Diese Stellen fielen weg, wenn der für die Mobilitäts- und Energiewende erforderliche Anteil von 50 Prozent E-Fahrzeuge bei den Neuzulassungen bis 2030 erreicht werden wolle. Im Gegenzug würden aber nur 40 000 neue Jobs geschaffen. Daher müssten dieses Jahr die Weichen gestellt werden. (sk)