Seitdem das Tragen von Atemschutzmasken lediglich noch im öffentlichen Nahverkehr oder in medizinischen Einrichtungen vorgeschrieben ist, sind die Bestellungen bei Maskenhersteller Univent Medical in VS-Schwenningen deutlich zurückgegangen. Aufträge aus öffentlichen Einrichtungen gibt es kaum noch. „Der Markt ist klein geworden“, sagt Geschäftsführer Thomas Vosseler.
Mitarbeiter entlassen
Lieferungen würden derzeit hauptsächlich noch an Krankenhäuser gehen, über sogenannte Rahmenverträge. „Zum Glück“, so Vosseler. Denn ohne diese Aufträge würde es noch schlechter aussehen. Die Produktion musste bereits deutlich zurückgefahren werden und zahlreiche Mitarbeiter wurden entlassen. „Aktuell beschäftigen wir noch elf Mitarbeiter in der Produktion und drei in der Verwaltung“, verdeutlicht Vosseler die Situation.
Als in der Firma im Jahr 2021 zeitweise zehn Millionen Masken pro Monat vom Band liefen, war die Belegschaft noch rund 170 Mitarbeiter stark. Anfang 2022 waren es nur noch halb so viele. Es wurden zu diesem Zeitpunkt aber wieder Mitarbeiter gesucht. Von diesem Aufschwung ist wenige Monate später kaum etwas übrig. Gänzlich aussichtslos scheint die Lage im Schwenninger Industriegebiet Ost jedoch nicht zu sein. Mit der aktuellen Belegschaft wolle man weiterhin Masken produzieren. „Diese Mitarbeiter möchten wir auf jeden Fall halten“, so Vosseler zuversichtlich.
In petto hat das Unternehmen neben mehreren FFP2-Maskenmodellen beispielsweise auch noch ein neues FFP3-Modell. Dieses hat zwar noch keine Zulassung und an Feinheiten muss noch gefeilt werden, aber die Firma könnte mit dem Produkt einen bis dato noch nicht bedienten Markt erschließen.
Prozess zieht sich hin
Derweil geht es im Verfahren um einen im Jahr 2021 vom Regierungspräsidium Tübingen verfügten Verkaufsstopp mit anschließender Rückrufaktion von Masken vom Typ „Atemious Pro“ nur schleppend voran. Univent Medical konnte damals 18 Millionen Masken nicht verkaufen und hatte daraufhin gegen das Vorgehen der Behörde geklagt. „Nun steht das Hauptsacheverfahren an“, so Vosseler. „Wir haben unseren Schriftsatz sowie Prüfberichte eingereicht.“ Eine konkreten Verhandlungstermin gebe es jedoch noch nicht.
Corona befeuert auch neue Geschäftsidee
Langweilig wird es dem Unternehmer bis dahin nicht, denn er tüftelt bereits an seiner nächsten Geschäftsidee, einer reinen Internetplattform, die Online-Therapieangebote für Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen bietet inklusive den Bereichen Psychotherapie und Pharmakologie. „Angst-Akademie“, verrät Vosseler den Namen des Projektes, das er zusammen mit einem renommierten Therapeuten aus Hamburg und weiteren Beteiligten entwickelt.
„Die Apps werden in Indien programmiert“, führt er fort. Der Startschuss soll bereits in einem dreiviertel Jahr fallen. Das Angebot soll ausschließlich über die Onlineplattform und über eine Smartphone-App funktionieren. „Menschen, die Hilfe suchen, bekommen bei uns innerhalb von 48 Stunden ein Therapieplatz“, verspricht Vosseler. Aktuell sei es so, dass Menschen lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssten.
Das ist ein Hinweis darauf, dass die Zahl der Betroffenen groß ist, da ist sich Vosseler sicher. Als Grund für den hohen Bedarf sieht er die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine. Beide Ereignisse hätten bei zahlreichen Menschen psychische Probleme ausgelöst oder verstärkt. Und nicht selten würden Angststörungen in einer Depressionen münden.
Vosseler spricht dabei aus eigener Erfahrung. Vor 20 Jahren sei er selbst in diese Situation geraten. Er weiß daher, wie schwer es ist, sich Hilfe zu suchen und dann auch anzunehmen. „Man hat keine Energie mehr, das ist brutal“, erinnert er sich. Mit der Angst-Akademie möchte er anderen Betroffenen etwas zurückgeben und ein schnelles, einfaches Hilfsangebot schaffen.
So funktioniert die Angst-Akademie
Die Idee dazu ist simpel. Über die Onlineplattform sollen Patienten und Therapeuten direkt in Kontakt treten und kommunizieren, unabhängig von deren Aufenthaltsort. „Wir planen, dass über unsere Plattform künftig bis zu 200 Therapeuten verfügbar sind, weltweit“, so Vosseler. Zum Einsatz sollen neuste Therapieansätze und Technologien kommen. Neben gängigen Funktionen wie Videokonferenzen sind auch Treffen und Sitzungen in virtuellen Gesprächsräumen angedacht. Patienten und Therapeuten können sich dann dank 3D-Technologie und speziellen Anzeigebrillen in einem virtuellen Raum direkt begegnen.
Aktuell sind neben Vosseler auch drei Mitarbeiter mit der Umsetzung beschäftigt. Der Firmensitz liegt derzeit in Hamburg, soll aber in Zukunft aber nach Tuningen umziehen. Zum Start der Plattform müssen Patienten die Therapieangebote wohl aus eigener Tasche bezahlen. „Wir streben aber eine Kassenzulassung an.“ Eine weitere Idee für die Zukunft ist ein Haus der Begegnung, in dem auch echte Treffen möglich sind.