Als eines der ersten Unternehmen hatte die Schwenninger Firma Univent Medical zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 eine Produktion für medizinische Masken und vor allem für FFP2-Masken am Standort Deutschland aufgebaut. Dabei profitierte man auch von einem Förderprogramm des Bundes. Millionen Schutzmasken liefen fortan in der Neckarstadt vom Band. Das Geschäft blühte, bis zu 170 Mitarbeiter hielten die Produktion in Gang.
18 Millionen Masken betroffen
Im Jahr 2021 gab es dann einen herben Rückschlag für die Firma: Ein Verkaufsstopp sowie ein Rückruf der Masken vom Typ „Atemious Pro“ wurden vom Regierungspräsidium Tübingen verfügt.
Grund waren negative Prüfergebnisse. Damals wurde die Maske durch die Prüffirma Dekra im Auftrag der Stiftung Warentest getestet.
Das Ergebnis: Bei der Dichtigkeit schnitt das Produkt bei der Passform lediglich mit der Bewertung „mit Einschränkung geeignet“ ab. Auch bei einer zweiten Überprüfung wurde eine zu hohe Leckage bemängelt. Die Folge: Univent Medical konnte 18 Millionen Masken nicht verkaufen. „Zu unrecht“, wie Vosseler bis heute findet, und wogegen das Unternehmen rechtliche Schritte eingeleitet hat. Unter dem Strich soll so ein Schaden von rund zehn Millionen Euro entstanden sein. Unseren ausführlichen Bericht zu den Vorgängen damals können sie hier noch einmal nachlesen.
Kritik an Prüfnorm
Zahlreiche Prüfberichte zu unterschiedlichen Masken legt Vosseler dem SÜDKURIER vor, von Prüfinstituten aus der Türkei, aus Deutschland und anderswo. Mal bescheinigen sie ein positives Ergebnis, mal lautet das Fazit „durchgefallen“. Für viel Geld hat Vosseler dabei nicht nur hauseigene Modelle überprüfen lassen, auch Konkurrenzprodukte interessieren ihn. Sein Fazit aus vielen Zulassungsverfahren und Prüfberichten: „Die Norm hat keine Aussagekraft.“
Seine Kritik: „Die Prüfverfahren sind nicht ausreichend genormt.“ Viel hänge davon ab, welche Probanden herangezogen werden. „Ohne einheitliche Kriterien haben die Ergebnisse keine Aussagekraft.“ Vosseler bezieht sich dabei auf die einzelnen Tests der FFP2-Prüfnorm, denen die Masken im Zulassungsverfahren unterzogen werden.

Das wird gemessen
Dabei wird beispielsweise gemessen, wie viele Partikel die Masken beim Gehen, beim Bewegen des Kopfes, seitlich und vertikal oder beim Vorlesen eines Textes durchlassen. Die Leckage, also die Undichtigkeit, etwa wenn die Maske bei Bewegung nicht mehr optimal am Gesicht anliegt, darf bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten.
Unzureichend genormt sei dabei, wie weit und wie schnell der Kopf im Test bewegt werde, wie laut Probanden vorlesen müssen und welche Kopfformen sie haben. Viel Spielraum und wenig einheitlich, so Vosseler.
Das sagt das Regierungspräsidium
Dirk Abel, Leiter der Pressestelle des Regierungspräsidiums Tübingen erklärt auf SÜDKURIER-Nachfrage, dass FFP2-Atemschutzmasken als persönliche Schutzausrüstung (PSA) eingestuft sind, die die Anforderungen gemäß einer europäischen Verordnung mit den höchsten Anforderungen für den Hersteller, vollumfänglich erfüllen müssen. Für eine Zulassung sei eine Baumusterprüfung sowie eine nachfolgende Herstellerüberwachung durch ein dafür zugelassenes Prüfinstitut (Notified Body, kurz NB) vorgeschrieben.
„Die Prüfungen der Produkte erfolgen dabei nach der europäisch harmonisierten Norm DIN EN 149:2001+A1:2009. Es soll dadurch sichergestellt werden, dass die erforderliche Qualität der Produkte, auch während der Serienfertigung sicher eingehalten wird“, erklärt Abel und fügt hinzu: „Die für die Prüfung der PSA zugelassenen Prüfinstitute gleichen in der Regel in verschiedenen Ringversuchen die jeweiligen Prüfbedingungen untereinander ab, um vergleichbare Prüfergebnisse sicherzustellen.“
Die Anforderungen an die jeweiligen Prüfungen seien in der Norm festgelegt, auch hinsichtlich der Prüfung der Gesichtsleckage. „Dabei sind auch Anforderungen an die auszuwählenden Probanden entsprechend der Prüfnorm zu beachten und zu dokumentieren.“

Laufende Überwachung
Über Nachprüfungen werde zudem versucht, gleichbleibende Qualität und Schutzwirkung der zugelassenen Produkte zu gewährleisten.
„Bei den stichprobenhaften Überprüfungen durch die Marktüberwachung liegt die Mängelquote derzeit zwischen 30 und 50 Prozent der kontrollierten Atemschutzmasken“, teilt Abel mit.
Verbraucher können sich hier über die von den Marktüberwachungsbehörden beanstandeten Atemschutzmasken informieren.

Das Verfahren
Wer in dem Fall am Ende Recht behalten wird, ist noch nicht abschließend entschieden. In einem Eilverfahren im Juni 2021 am Verwaltungsgericht Freiburg sowie bei der daraufhin erfolgten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim wurde gegen das Schwenninger Unternehmen entschieden. Die Rückrufanordnung für die FFP2-Maske „Atemious Pro“ sei voraussichtlich rechtmäßig, so das VGH-Urteil zum Eilverfahren.
Das Hauptsacheverfahren bezüglich der Atemschutzmaske „Atemious Pro“ ist dagegen weiterhin beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängig.
„Die Klägerin beabsichtigt, das Verfahren weiter zu betreiben“, teilt Sprecherin Martina Bitzer vom Regierungspräsidium Tübingen mit. Eine mündliche Verhandlung sei allerdings bisher nicht terminiert worden. Ein solches Verfahren könnte sich lange hinziehen.
Davon geht auch Thomas Vosseler aus. Aufgeben will er trotzdem nicht. Für ihn geht es nämlich um mehr als den reinen finanziellen Schaden. Der gute Ruf seiner Firma habe durch die Vorkommnisse gelitten, da ist er sich sicher. Ein Urteil in seinem Sinne könnte zumindest einige dieser Wunden wieder heilen.