Der Traum von den eigenen vier Wänden: Ob ein Häuschen oder die eigene Wohnung. Viele haben ihn geträumt, als kaum Zinsen gezahlt werden mussten. Doch wie sieht es aus?
„Etwa 50 Prozent der Bauherren in den Ballungsgebieten ziehen ihre Aufträge zurück oder veräußern ihre Grundstücke wieder“, sagt Alexander Baum von Baum Immobilien in Schwenningen. „Viele können die ursprüngliche Kalkulation bei den explosionsartig gestiegenen Baukosten einfach nicht einhalten. Dieses Problem besteht im ganzen Land gleichermaßen und wirkt sich auch auf die ländlichen Gebiete aus.“
Während Corona, berichtet er rückschauend, habe die Baubranche geboomt. Im Januar 2022 habe noch eine Ein-Prozent-Zinspolitik gegolten. Dann kam der Krieg in der Ukraine: „Ich habe in meinem ganzen Berufsleben noch nie erlebt, dass sich ein Zinssatz von Mitte Februar, dem Beginn des Ukraine-Krieges, bis zum Ende des Jahres 2022 vervierfacht hat“, gesteht Baum.
Für viele Menschen sei das einfach nicht mehr zu bewältigen, zumal die Banken ihre Finanzierungsmodalitäten schlagartig den veränderten Situationen angepasst hätten: „Bis Januar konnte man ohne oder mit geringem Eigenkapital noch eine Finanzierung machen. Mittlerweile verlangen bundesweit alle Banken mindestens zehn Prozent Eigenkapital inklusive Kaufnebenkosten.“
„Ganze Kundenkreise weggebrochen“
Der Markt habe sich damit schlagartig verändert. Ganze Kundenkreise seien einfach weggebrochen, da sie die anfallenden Raten und Zinsen, gerade auch im Hinblick auf die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten, nicht mehr stemmen könnten, berichtet Baum.
Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine. „Wir haben mit mehreren Bauträgern Kontakt und stellen einen enormen Einbruch in der Branche fest“, bestätigt auch Daniel Giusa von Reichmann Immobilien in Donaueschingen.

Die Banken seien in den Jahren 2020 und 2021, in denen teilweise willkürliche Preise am Immobilienmarkt verlangt worden seien, sehr vorsichtig geworden. Die EZB ziehe aus diesem Grund die Zinsschraube momentan auch noch einmal etwas an: „Ich denke, die Lage spitzt sich noch weiter zu, bevor sie sich in etwa einem Jahr hoffentlich wieder verbessert“, meint Giusa.
Der Trend gehe momentan stark in Richtung einer Zinslast von fünf Prozent, wobei die Banken eine Tilgung von zwei Prozent voraussetzen würden: „Das wäre dann eine Annuität, also eine jährliche Zahlungsgröße, von sechs bis sieben Prozent. Damit ist der Immobilienmarkt für viele Menschen grundsätzlich schon einmal geschlossen“, ist sich Giusa sicher.
Die Immobilienmaklerin ergänzt: Die gestiegenen Rohstoffkosten und Lieferengpässe bei Baumaterial sorgten zusätzlich für prekäre Situationen in der Branche, wenn es um Sanierungen und Neubauten geht. Handwerker würden natürlich auch entsprechend teurer und könnten zudem nicht in den gewohnten reibungslosen Prozessen arbeiten.
Interessenten lassen sich viel Zeit beim Kauf
Im Schwarzwald-Baar-Kreis gebe es zwar, verglichen mit anderen Regionen wie Stuttgart oder dem Bodensee, noch günstige Grundstückspreise. An den sonstigen Rahmenbedingungen ändere dies jedoch nichts. Die Branche habe sich in kürzester Zeit vom Nachfragemarkt zum Angebotsmarkt entwickelt: „Mittlerweile lassen sich Interessenten wieder sehr viel Zeit und prüfen genau vor dem Kauf. Das führt dazu, dass immer mehr Immobilien auf dem Markt landen, aber gleichzeitig immer weniger gekauft werden“, beschreibt Giusa den Markt.
Auch der Wohnungsmarkt habe sich entsprechend gleich verändert: „Man kann die Situation eins zu eins auf das Geschäft mit Wohnungen übertragen. Vieles wird momentan einfach nicht verkauft und Mieten sowie Nebenkosten sind natürlich ebenfalls generell stark gestiegen“, berichtet sie.
„Wir merken ebenfalls einen starken Rückgang am Wohnungsmarkt, auch wenn man keinesfalls von einem Zusammenbruch reden kann“, meint Manfred Nirwing von Nirwing Immobilien in Villingen.
Steigende Kosten durch Energieeffizienz
Die Politik in der Doppelstadt habe in den vergangenen Jahren den Standard der Energieeffizienz geschaffen, weshalb schwer einzuschätzen sei, wie sehr sich das Bauen in der Region in den vergangenen fünf Jahren verteuert habe: „Wir müssen heute den KFW 40 Energieeffizienzwert für Neubauten in Villingen-Schwenningen einhalten, den hatten wir vor fünf Jahren noch nicht, was natürlich grundsätzlich schon eine deutliche Teuerung bedeutet“, erklärt Nirwig.
Momentan potenzierten sich die Teuerung dieser Vorgaben mit den allgemeinen Preissteigerungen zu einer ganz neuen Qualität, die viele Bauvorhaben grundsätzlich scheitern lasse.
Es fehlt an günstigen Mietwohnungen
„Der Mietwohnungsmarkt in VS und Umland ist momentan allerdings gesättigt. Es wurde in den letzten Jahren viel gebaut. Trotzdem brauchen wir eine preisliche Ausgewogenheit auch für Klientel mit kleinerem Geldbeutel“, meint Nirwig. Hier müssten schon jetzt während der Krise Hebel bewegt werden, was schwer umzusetzen sei.
Es ist also aktuell keine Entspannung am Bau- und Immobilienmarkt zu erwarten. Die regionalen Unterschiede sind dabei bundesweit marginal und fallen kaum ins Gewicht.
Lesen Sie auch:Einfamilienhäuser im Kreis: Bei Bauplätzen entspannt sich Lage, aber Angebot bleibt knapp