Andrea Ulrich, Hausärztin in Brigachtal, zeichnet ein düsteres Bild. „Insgesamt rechne ich mit einer dramatischen Verschlechterung der Versorgungssituation für Praxen, Krankenhäuser und vor allem unsere Patienten“, sagt sie.
Vor etwa acht Wochen habe sie davon erfahren, dass der ärztliche Bereitschaftsdienst neu organisiert werden muss und vorerst nicht mehr durch die Notfallpraxen abgedeckt werden kann. „Ich bin sehr enttäuscht von der Politik“, sagt Ulrich.
Anfang der Woche wurde die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg öffentlich, dass die Notfallpraxis in Villingen-Schwenningen ihre Öffnungszeiten drastisch kürzen muss.
„Wir versuchen, das beste daraus zu machen. Aber es wird sich was ändern“, sagt Karin Todoroff. Sie ist Hausärztin in Bad Dürrheim und die Notfallpraxis-Beauftragte im Kreis. Und damit für die Dienstpläne zuständig.
Sie sagt: „Wir haben nur die Tage gekürzt, an denen wenig Patienten da waren.“ Und Tage, an denen auch die Hausärzte Sprechstunde haben. Zum Teil waren beispielsweise an einem Donnerstagabend nur drei Patienten in der Notfallpraxis. „Dafür muss kein Arzt vier Stunden dasitzen“, sagt Todoroff.
Natürlich findet auch sie die Entscheidung der Politik nicht gut. Soweit, es eine Katastrophe zu nennen, würde sie aber nicht gehen. „Katastrophen sind was anderes.“
Zwischen drei und zehn Patienten haben den Dienst in der Notfallpraxis pro Tag in Anspruch genommen, so Todoroff. Längst nicht alle davon waren wirkliche Notfälle. Darum sieht Todoroff neben der Politik an erster Stelle und den Ärzten auch ein wenig die Patienten in der Pflicht.
„Die Patienten sollen primär zum Hausarzt gehen.“ Auch wenn das bedeutet, dass man in der Sprechstunde schon mal zwei bis drei Stunden warten muss. Deswegen abends in die Notfallpraxis zu gehen, sei keine Lösung. „Gegen Notfälle hat keiner was“, betont Todoroff. „Die werden natürlich weiter behandelt.“
Durch die geänderten Regelungen werden auch Fachärzte wie Radiologen oder Dermatologen wieder mehr Notfalldienste übernehmen müssen.
Zudem soll es eine neue Notfalldienstregelung geben, die in den nächsten Monaten in Kraft treten soll, sagt Todoroff. Damit werden künftig die Bereiche größer sein, die von einem Arzt im Notdienst abgedeckt werden müssen. Die Fahrtwege werden länger werden für die die Ärzte. Und die Wartezeiten für die Patienten ebenso.
„Über 40 Prozent der Ärzte bei uns im Kreis sind über 60 Jahre alt. Die fahren nachts nicht mehr stundenlang durch die Gegend“, sagt Todoroff. Also wird sich auch hier die Lage verschärfen.
Mehr Schließtage in Arztpraxen
Und was bedeutet das Ganze nun konkret für die Ärzte im Kreis? „Da wir momentan nicht in unsere Dienstpläne der KV online kommen, wissen wir aktuell noch gar nichts“, sagt Andrea Ulrich. Sie rechnet jedoch damit, dass sie deutlich mehr Dienste machen müssen.
Mit drastischen Folgen für die Patienten: „Da die Arbeitsbelastung in den Fahrdiensten sehr hoch ist, werden wir an den Folgetagen die Praxen schließen müssen, was der Versorgung unserer Patienten abgeht“, sagt Ulrich.
Andrea Ulrich ist Landärztin mit Leib und Seele. „Ich bin sehr traurig und befürchte, dass es jetzt für uns viel schlechtere Arbeitsbedingungen gibt mit zu viel Patientenandrang, langen Wartezeiten, Unzufriedenheit auf beiden Seiten. Und vor allem so auch kein Nachwuchs mehr diesen an sich schönen Beruf machen möchte.“
„Ein riesiges logistisches Problem“
„Das kommt alles zu einer Unzeit“, sagt Adalbert Scherzinger von der Blumberger Gemeinschaftspraxis Humbach-Scherzinger. Die Hausärzte seien ohnehin am Limit. Jedoch: „So ist die Rechtsprechung. Es gibt den Beschluss und daran muss man sich halten. Damit haben wir jedoch ein riesiges logistisches Problem, das auf uns zukommt.“
Wie das sich dann in der Praxis konkret auswirke, „das wissen wir noch nicht.“ Klar sei jedoch, dass „die Niedergelassenen das ausbügeln müssen.“ Die Situation sei ohnehin angespannt, dazu die Herbst- und Winterzeit, „das ist jetzt eine zusätzliche Sache, die belastet.“ Die Entwicklung sei, „für die ganze Ärzteschaft schlecht.“